Seit einiger Zeit beschäftige ich mit dem Thema „Freier Dienstvertrag nach ASVG“, (FDV) da ich diesen zum zukünftigen Beschäftigungsmodell meiner Wahl erkoren habe. Denn – ich will mich nicht mehr an nur einen Dienstherrn binden und deshalb als Freelancer betätigen. Gleichzeitig kann ich so meine in langen Jahren meiner beruflichen Tätigkeiten erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse an Herrn und Frau Unternehmer heranbringen. Soweit, so schlecht.
Im Zuge meiner Recherchen und in Rücksprachen mit Arbeiterkammer, Sozialversicherung und auch einem Steuerberater, musste ich feststellen, dass es etliche Stolpersteine auf diesem Weg gibt, welche aber nicht ohne weiteres im Vorfeld erkennbar sind. Dieser Umstand kann letztlich dazu führen, dass ein FDV bei einer Prüfung durch die zuständige Krankenkasse nachträglich in ein echtes Dienstverhältnis umgewandelt wird. Dies bedeutet für den Unternehmer nicht nur eine nicht unerhebliche Nachzahlung, sondern im weit schlimmeren Fall, auch eine herbe Strafe.
Einige werden nun vielleicht sagen: „Dann werde doch selbständig. Arbeite auf Werkvertrag“. Daran dachte ich natürlich auch. Es gibt jedoch persönliche Umstände die mich daran hindern, dieses Risiko auf mich zu nehmen. Vorwiegend gesundheitlicher Natur, weshalb ich auch wenig Chancen am Stellenmarkt hätte. Umstände, die ich aber mit unzähligen Mitmenschen meiner Altersgruppe teile.
Um den Sachverhalt besser zu verdeutlichen, muss man zuerst wissen, was ein FDV überhaupt ist und kann.
Ein FDV ist im Grunde genommen ein Hybrid aus Werkvertrag (GSVG) und echtem Dienstvertrag (ASVG). Während man beim Werkvertrag als echter Unternehmer, mit all dessen Vor- und Nachteilen tätig wird, auferlegt ein echtes Dienstverhältnis dem Unternehmer bzw. Dienstnehmer ein starres Konstrukt der Beschäftigung. Fix vereinbarte Arbeitszeiten und eine monatlich feststehende finanzielle Belastung. Der FDV versucht hier den Spagat (zumindest am Papier), in dem die Vorteile des Werkvertrages mit denen des ASVG-Rechts verknüpft werden.
Beim FDV ergeben sich somit bei richtiger Anwendung folgende Vor- (+) und Nachteile (-) für den Dienstgeber (DG) sowie für den Dienstnehmer (DN):
+ DG: die Beschäftigung und dadurch die Bezahlung richten sich nach dem tatsächlichen Aufwand. Bezahlt werden nur die geleisteten Arbeitsstunden. Besonders für kleine und finanziell schwach ausgestattete Unternehmer lassen sich so erfahrene Kräfte ins Unternehmen holen. Dies bei planbaren Lohnkosten
+ DN: der DN hat zwar den Nachteil, dass sein monatliches Einkommen nicht fix geregelt ist, dafür sinkt das Risiko einer Kündigung, da man in der Regel für mehrere DG gleichzeitig ist – Diversifikationsprinzip
+ DG: Ausfallsrisiko des DN – beim FDV gibt es weder Krankenstände, freie Tage oder Urlaubszeiten, die vom Dienstgeber finanziert werden müssten. Die Sonderzahlungen werden lediglich als aliquoter Anteil auf den Stundensatz aufgeschlagen.
+ DN: freie Zeiten werden dadurch planbarer. Durch die Einrechnung der Sonderzahlungen in den Stundensatz steigt das monatliche Einkommen. Die Rahmenbedingungen des FDV ermöglichen einen verhandelbaren Stundensatz, unabhängig von Kollektivverträgen.
- DN: aus dem Einkommen müssen Rücklagen gebildet werden. Für Einkommenssteuer und voraussichtlich Nachzahlungen in der Sozialversicherung. Eine freiwillige Vollversicherung ist anzuraten, da so in jedem Fall Beiträge für die Krankenversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Pensionsversicherung geleistet werden.
+ DG: Kündigungsfristen – entfallen weitgehend bzw. sind nur durch das ABGB gedeckt. Üblicherweise wird man zumindest 14 Tage ab einer Beschäftigungsdauer von 3 Monaten vereinbaren.
+ DN: was zuerst wie ein Nachteil erscheinen mag, kann sich schnell zum Vorteil entwickeln. Ist man mit einem DG nicht zufrieden oder findet eine besser bezahlte Tätigkeit, ist man nicht langfristig gebunden.
+ DG: Bereitstellung eines Arbeitsplatzes – diese oft nicht unerheblichen Kosten entfallen. Da der DN überwiegend von daheim arbeiten wird und so bestimmte Betriebsmittel selbst einbringt, ergibt sich ein echter Investitionsvorteil.
- DG: diese Vorteile erkauft man sich mit speziellen Rechten des DN, worauf auch der FDV basiert. Der DN hat das Recht sich in seiner Tätigkeit vertreten zu lassen, ist weisungsfrei und kann, dies ohne Konsequenzen für ihn oder das Dienstverhältnis, Arbeiten teilweise oder zur Gänze ablehnen.
+ DN: wer sich seine Zeit gerne aber konsequent einteilt, wird hier richtig bedient. Von daheim, nächtens oder tagsüber arbeiten, bestimmte Zeiten lieber der Familie oder Freunden widmen.
- DN: erkauft werden diese Freiheiten allerdings mit finanzieller Unsicherheit und fehlender sozialer Einbindung, wie sie ein geregelter Arbeitsplatz bieten. In der Praxis muss man sich mit dem DG, der Familie und dem inneren Schweinehund arrangieren.
Wo sind nun die Stolpersteine? Der DN hat wenig zu befürchten. Es geht lediglich um seinen Job. Der DG hingegen riskiert bei einer Prüfung, je nach Art und Dauer des Dienstverhältnisses, wirtschaftliche Probleme, die im schlimmsten Fall sogar Existenzbedrohend werden können. Denn was sich im Gesetzestext des ASVG so einfach liest, hat seine Tücken in der praktischen Auslegung. So ist es mir trotz beharrlichem Nachfragen bei den zuständigen Stellen nicht gelungen, einen rechtsverbindlichen Rahmen für den FDV abzustecken. Gewissermaßen ein Terrain, innerhalb dessen man sich rechtssicher bewegen kann.
Auffallend waren jedoch folgende Punkte:
- Vertretungsrecht – klingt gut, oder? Mitnichten. Es gibt nur zwei Möglichkeiten wie sich eine Vertretung in der Praxis umsetzen lässt. 1.) man beschäftigt als Vertretung einen Unternehmer oder 2.) wird selbst zum Dienstgeber, woraus sich erst wieder eine Selbständigkeit ergibt. Bei 1.) kommt hinzu, dass dies ein Minusgeschäft wäre, da der Stundensatz des Unternehmers weit höher sein wird, als jener, den man selbst mit dem DG vereinbart hat
- Zusatzklauseln, wie z.B. Verschwiegenheitsverpflichtung oder Konkurrenzklausel, können den FDV sehr leicht aushebeln
- Ein auch noch so gut formulierter Dienstvertrag bietet keinen Schutz bei einer Prüfung. Wie es mir immer entgegen klang: „es kommt darauf an, wie das Dienstverhältnis gelebt wird.“ Bedeutet im Klartext: es liegt am Prüfer ein Dienstverhältnis als solches oder solches zu erkennen. Als DG kann man aber diesbezügliche Einwände beim VwGH bzw. dem Sozialgericht vorbringen.
Doch wo Schatten, da auch Licht. Es gibt in der Judikatur eine Entscheidung (VwGH 96/08/0202), die zumindest etwas Rechtssicherheit aufkommen lässt. Bei konsequenter Anwendung wird die persönliche Abhängigkeit ausgeschlossen, was wiederum ein bestimmender Bestandteil des FDV ist.
In Summe sind die aufgezählten Risikofaktoren ein echtes Manko für einen Bewerber, auf Basis des FDV einen Job zu bekommen. Nicht allzu viele Arbeitgeber werden sich auf dieses Risiko einlassen. Womit ich zum zweiten Punkt komme:
Vorteile des FDV für Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Sozialabgaben und Steuereinnahmen
Ungebrochen hoch ist die Arbeitslosigkeit in Österreich. Eine Verbesserung nicht in Sicht. Besonders ältere Arbeitnehmer (wobei dies oft schon Menschen ab 40 betrifft) sind von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Kollektivvertraglich hohe Lohnkosten durch lange Versicherungszeiten, zwar oft sehr erfahrene Mitarbeiter, aber nur schwer (über Schulungen) integrierbar, höheres gesundheitlich bedingtes Ausfallrisiko, bekommt man zu hören, um nur einige Faktoren zu nennen. Abgesehen davon bedeutet eine länger andauernde Arbeitslosigkeit auch die Abwertung von Qualifikationen, zumal keinerlei Zugang mehr zu betriebsinternen Weiterbildungsprogrammen besteht.
Vor einigen Jahren hat man versucht, die Arbeitslosigkeit damit zu bekämpfen, in dem der Zugang zur Selbständigkeit durch das AMS gefördert wurde. Viele sind dieser Euphorie gefolgt, um ihre Karriere als „Neue Selbständige“ meist schon nach kurzer Zeit vor dem Handelsgericht zu beenden. Sehr viel Eigenkapital wurde dabei vernichtet. Geblieben sind unzählige gescheiterte Existenzen, deren Jobsuche heute auch noch durch laufende Exekutionsverfahren behindert wird. So muss es nicht sein.
„Wird der FDV richtig eingesetzt, ergeben sich eine ganze Reihe von Vorteilen.“
Für die Wirtschaft: Unternehmen holen sich erfahrene Mitarbeiter ins Haus. Für Projekte, Beratung, Spitzenzeiten oder Schulung des Mitarbeiternachwuchses. Dies bei exzellent kalkulierbaren Risiken und Kosten. Kleine Unternehmen können so ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Der Personalmarkt behält sein Niveau, Mitarbeiter sind motivierter und gute Kräfte holt man sich vielleicht ganz ins Unternehmen. Abgesehen davon heben steigende Beschäftigungszahlen die Kaufkraft. Eine Win-Win-Situation
Arbeitsmarkt, Sozialabgaben und Steuereinnahmen: eigentlich selbsterklärend. Sinken die Arbeitslosenzahlen, sinken auch die Transferkosten. Haben Arbeitskräfte einen Job, kosten sie kein Budget, sondern tragen etwas dazu bei. Die Wirtschaft profitiert und so auch der Wirtschaftsstandort Österreich.
Der FDV benötigt jedoch eines um zu funktionieren. Er muss politisch in Gang gebracht werden. Es braucht einen verbindlichen Rechtsrahmen, der sich an den heutigen wirtschaftlichen Erfordernissen orientiert, ohne, wie Arbeitnehmervertreter zu Recht befürchten, zur Ausbeutung von Arbeitnehmern zu führen. In der Zwischenzeit muss es eine Lockerung für die Einschätzung von Dienstverhältnissen geben oder gar eine Übergangsregelung.
Daher richte ich mit diesem Artikel auch einen Appell an unser Sozialministerium, die Sozialversicherungsträger und natürlich an die Bundessregierung, diese Idee aufzugreifen und deren Verwirklichung anzustreben.
Quellen für den FDV:
ASVG (jusline.at; gesamt) - https://www.jusline.at/Allgemeines_Sozialversicherungsgesetz_(ASVG).html
AK - https://www.arbeiterkammer.at/beratung/arbeitundrecht/arbeitsvertraege/Freier_Dienstvertrag.html