Es ist ein Krimi der Sonderklasse. Unweigerlich erinnert diese Geschichte in ihrer Dimension an Affären wie Watergate. Und es ist ein Meisterstück des investigativen Journalismus. Es ist eine Story, die durchaus aus der Feder eines Robert Ludlum oder John Le Carré stammen könnte.

Während im TV eine Sondersendung die nächste jagt und sogar die Flüchtlingskrise zeitweilig in den Hintergrund gedrängt wird, sitzen Politologen, Juristen, hochrangige Ermittler und Experten der Finanzwelt in Diskussionen und ergehen sich über Hintergründe und Tragweite dieser Offenbarung. Bekannte Namen von Staatsmännern und Wirtschaftstreibenden fallen und man fragt sich, sind sie Opfer oder Täter. Die moralische Legalität von Briefkasten- bzw. Scheinfirmen wird hinterfragt, da die Motive eine solche zu gründen, im Nebel einer gesetzlichen Grauzone liegen. Denn die Motivationen der Steuerhinterziehung sowie der Steuervermeidung stehen als Hauptgrund im Fokus.

Doch wie groß ist das aufgedeckte Geheimnis wirklich? Wissen wir doch schon seit Jahrzehnten von der Existenz von Geheimkonten in Nassau auf den Bahamas, der elitären Finanzwelt der Cayman Islands und von Nummernkonten in der Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg. Vielleicht ist es die Tatsache, dass diese Welt erstmals ein reales Gesicht bekommen hat. Die literarische Romantik, die dieser nur schemenhaft erfassbaren VIP-Gesellschaft anhaftet, verblasst im Licht der Fakten zu einem schmutzigen Sumpf.

Was hier aufgedeckt wurde, wird sich erst in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten in voller Größe zeigen. Doch schon jetzt beginnt sich eine gigantische Schattenwelt des Unternehmertums und der Hochfinanz abzuzeichnen. Es geht um Summen die staatlichen Etats entsprechen. Gelder, die durch Korruption, organisierte Kriminalität und Machtmissbrauch entstanden sind. Gelder, die kein Staat je besteuert hätte, da sie unredlich erworben wurden. Es ist eine Parallelwelt, in der unbemerkt von Nichteingeweihten, Finanztransaktionen zu Geschäften ablaufen, von denen redliche Bürger nichts wissen müssen. Waffenhandel, Bestechungen auf höchster Ebene, Drogenhandel und so ziemlich jede Form der kapitalkräftigen Kriminalität, haben hier ihr zuhause. Niemand fragt welche Arten von Geschäften hier abgewickelt werden, woher Gelder kommen und wohin sie gehen. Scheinfirmen sind eine Geschäftswelt für sich und von keinem Gesetzgeber in der Ausübung ihrer Geschäfte behindert. Strohmänner werden wie Marionetten bewegt. Firmen entstehen auf dem Papier so schnell wie sie wieder vergehen. Die meisten der tatsächlich wirtschaftlichen Nutznießer werden dabei durch Firmen- und Kontengeflechte geschützt.

Wird diese Aufdeckung Konsequenzen haben? Dies hängt zum einen von den Fakten und Zusammenhängen ab, die die Berichterstattung in nächster Zeit noch zu Tage fördern wird. Weiter von Justiz und Politik, wie sie diese Fakten nutzen werden. Wird kurzsichtig gedacht, wird es seitens der Finanzbehörden ein Halali auf jene „kleinen“ Unternehmer geben, denen jetzt die eine oder andere Steuersünde nachgesagt wird. Weitsichtige Staatsanwälte würden jedoch international Ermittlungen aufnehmen, um diesen Sumpf zumindest an einigen Stellen auszutrocknen. Für die wirklich mächtigen Akteure in diesem Spiel wird es hingegen kaum Konsequenzen geben. Zu erwarten sind aber in nächster Zeit eine Vielzahl von bedauerlichen Todesfällen im Kreis möglicher Zeugen und Informanten. Viele Journalisten werden sicher bedroht werden, Juristen und Ermittlungsbeamte werden vielfach unter Druck geraten. Geld kennt keine Samthandschuhe.

Wie in Krimis gilt: „Folge dem Geld“. Erst die Aufrollung der Netzwerke und Transaktionen wird, abgeglichen mit scheinbar harmlosen Ereignissen und Geschäftsfällen, das wahre Ausmaß des Skandals ans Tageslicht bringen. Zu hoffen bleibt, dass wir uns diesmal nicht nur darüber empören, sondern in Form von Gesetzgebung und Exekutive entsprechend dazu lernen.

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