Robert Satovic

Ihre Heimat befindet sich in einem Drittstaat? Ihre Eltern oder Großeltern stammen aus einem anderen Land? Spricht man bei Ihnen daheim noch die Sprache des ehemaligen Heimatlandes? Bevorzugen Sie den Umgang mit Menschen, die Ihrem ehemaligen Heimatkreis entstammen? Ihr Deutsch ist, gelinde gesagt, trotz jahre-/jahrzehntelangem Aufenthalt in Österreich noch immer holprig? Sie essen Lamm- oder Rindfleisch statt Schweinefleisch, weil das in Ihrer ursprünglichen Heimat so Sitte war? Ihre Hautfarbe weist deutlich von der des durchschnittlichen Mittel-/Westeuropäers ab? Sie beten zu Allah, Jehova, Buddha oder einer anderen Gottheit, nur nicht zum Gott des Christentums?

Eine Menge Fragen die wir uns selbst stellen sollten, wenn wir von Integration sprechen. Unsere Eltern und Großeltern sind häufig über politische Ereignisse, wie dem Zusammenbruch der Monarchie, dem Prager Frühling, der Oktoberrevolution, dem Jugoslawienkrieg, oder aber einfach über die Gastarbeiterströme wie schon in den 1970igern, nach Österreich gelangt. Viele Zuwanderer haben schon in früheren Jahren um Asyl bei uns angesucht, weil sie in ihrer Heimat politisch verfolgt wurden oder weil sie sich und ihre Familien vor den Gefahren eines Krieges schützen wollten. Andere kamen, um bei uns zu studieren, zu lernen oder blieben einfach, weil es ihnen bei uns so gut gefiel (ohne jeden Zynismus).

Darum die Frage – sind Sie integriert? Können Sie mit Fug und Recht behaupten, sich den Lebensverhältnissen in Österreich soweit angepasst zu haben, dass Sie sich auch als Österreicher fühlen dürfen? Oder sind Sie eigentlich nur Österreicher, weil das in Ihrem Reisepass steht? Wenn Sie von den Eingangsfragen nur eine einzige mit Ja beantworten können, gehören Sie zum Kreis der (Nicht-)Integrierten. Es spielt in Wahrheit aber keine große Rolle, ob Sie „perfekt“ integriert sind, solange Sie die Werte Ihres Gastgeberlandes und gesetzlichen Regelungen anerkennen und auch bereit sind, Ihren Beitrag zu leisten. Warum?

Ganz besonders Ostösterreich, oder vielmehr Wien, war von je her von einer Multikulti-Gesellschaft geprägt, wie man es jetzt so gerne auf Neudeutsch ausdrückt. Kaum eine Sprache oder Religion, geschweige denn Hautfarbe gab und gibt es, die hier nicht vertreten war oder ist. Wer sich mit der deutschen Sprache auseinandersetzt, findet sogar in dieser unzählige sprachliche wie kulturelle Einflüsse – Latein, Französisch, Englisch, Jüdisch usw., die teils schon weit in die Geschichte zurückreichen. Kultur ist also kein unveränderbares Gefüge oder etwas, an das man einen Besitzanspruch richten könnte. Kultur ist etwas Vergängliches und doch sich stets Erneuerndes. Kulturelle Veränderung ist evolutionär notwendig und eine Bereicherung für jeden Kulturraum.

Das sollten wir uns vor Augen halten, wenn wir an die unzähligen Flüchtlinge denken, die seit Monaten nach Europa strömen. Unsere kulturelle Identität ist nicht in Gefahr verloren zu gehen, sondern wird um kulturelle Eigenschaften anderer Völker bereichert. Auch wenn wir das nicht gleich erkennen. Und im Gegenzug bereichern wir andere Kulturen mit unseren Werten und Eigenheiten.

Verwechseln wir also nicht kulturelle Eigenschaften mit denen des individuellen Charakters eines Menschen, wenn wir von Integration sprechen. Integration ist ein Geben und Nehmen auf Gegenseitigkeit – zu Beider Vorteil.

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melitta.müller

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julbing

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