Das Brexit-Referendum in Großbritannien hat gezeigt, wohin falsch verstandenes Nationaldenken führen kann. Alleine an Börsenwerten wurde ein vorläufiger Schaden von kolportierten 5 Billionen Dollar angerichtet. Die Börsen brachen zum Teil um mehr als 10% ein, während der Euro um 3,5% und das Britische Pfund um bis zu 11% gegenüber dem Dollar nachgaben. Der tatsächliche volkswirtschaftliche Schaden ist dabei noch nicht abzusehen, da dieser von den Entscheidungen der kommenden Wochen abhängen wird. Auf europäischer und britischer Seite gleichermaßen. Als mindestens gleich großen Nebeneffekt hat der Brexit zu einer weiteren politischen Destabilisierung in Europa beigetragen. Die Lager von IN und OUT sind zwar etwa gleich stark, politische Regionen in Großbritannien, wie Schottland, Nordirland und Gibraltar haben dabei aber fast einstimmig für einen Verbleib in der EU gestimmt. Eine innerpolitische Krise scheint unausweichlich.

Premierminister Cameron hat als erste Reaktion seinen Rücktritt mit Oktober 2016 erklärt. Eine aus seiner Sicht sicher wohl durchdachte Entscheidung, da er sich in der nun kommenden schweren Zeit nicht auch noch zum Sündenbock der Nationalisten bzw. Rechtspopulisten machen lassen will. Boris Johnson soll diese Rolle für ihn übernehmen, hat dieser doch maßgeblich zum Brexit beigetragen. Doch dieser, scheinbar auch vom Ergebnis überrascht, versucht nun Zeit zu schinden. Auf einmal ist es für Großbritannien nicht mehr so eilig die EU zu verlassen. Als Opponent hat man es schließlich leicht, laut Sprüche zu klopfen, aber in dieser Position nichts von seinen Versprechen halten zu müssen. Sein „Kollege“ Nigel Farage von der rechtspopulistischen UKIP, hat sich diesbezüglich noch tiefer in falsche Versprechungen verstrickt, wollte er doch im Falle des Brexit, die an die EU geleisteten Zahlungen dem Gesundheitssystem zuführen. Sein Problem dabei – weder die von ihm kolportierten Zahlen sind richtig, noch besteht die Möglichkeit dies überhaupt in dieser Form tun zu können. Politik fern aller Realität, Populismus in Reinkultur.

Auf Seiten der EU wird spürbar noch mit dem Schock gekämpft, den das Brexit verursacht hat. Großbritannien wird nun gedrängt, so schnell wie nur irgendwie möglich, den EU-Austritt nach Artikel 50 des EU-Vertrages zu verkünden, damit man hierzulande bald wieder zu „Business as usual“ übergehen kann. Kontraproduktiv wie auch sonst, setzen viele europäische Nationalisten und Rechtspopulisten dem Ganzen noch eins drauf: Niederlande, Frankreich und sogar Österreich sollen nach deren Willen nun aus der EU austreten.

Was auch immer nun geschehen wird – der Ausgang des britischen Referendums hat gezeigt was geschieht, wenn sich in Europa „radikal-revolutionäre“ Gedanken durchsetzen. Am Ende muss die Bevölkerung darunter leiden. Und nur diese. Denn sie alleine trägt die Konsequenzen, die durch unsachgemäße Politik verursacht werden. Es ist zwar richtig, dass die EU als gemeinschaftliches europäisches Projekt in unzähligen Aspekten verbesserungsfähig ist, doch der uns hier gezeigte Weg ist der falsche.

EU vs Nationalismus

Jeder von uns, in jedem einzelnen Land der EU, hat das Recht, auf bestimmte Errungenschaften und Leistungen seines Landes oder seiner Region stolz zu sein. Bis vor einigen Jahrzehnten entsprach dies dem Nationalstolz. Doch letztendlich sind wir es, die Menschen, die diese Leistungen vollbracht haben. Wir haben uns so eine regional geprägte Identität geschaffen, die wir uns natürlich erhalten wollen. Das soll auch so sein. Aber so wie es früher Stämme, später Stadtstaaten und unzählige Königreiche gab, geht nun auch die Ära der Nationen zu Ende, ohne dass dies den Verlust unserer Identitäten bedeutet. In einer globalisierten Welt, die räumlich immer näher zueinander rückt, wo Entfernungen dank moderner Kommunikationstechniken und Verkehrsmittel nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, in der wir Konsumgüter aus aller Herren Länder als ganz selbstverständlich in unseren Regalen wahrnehmen, sind Nationen nur noch Relikte einer Vergangenheit, die anderen Regeln gehorchen musste.

Ein anderer Grund – und im Moment vielleicht der Wesentlichste das Projekt EU weiter voranzutreiben, ist die globale wirtschaftlichspolitische Entwicklung (Stichwort: TTIP). Nicht nur, dass sich Europa aus einem kontinentalen Verständnis heraus, als großer Wirtschaftsraum positionieren kann, der in alle Richtungen gesehen, potentielle Handelspartner vorfindet, kann sich Europa durch seine geschichtliche Erfahrung und seine Wertvorstellungen, auch als zivilisatorische Leitfigur zwischen Ost und West etablieren und so für eine dauerhafte politische Stabilität sorgen.

Nationalisten bzw. Populisten hingegen geht es nur um die Rechtfertigung zum Erhalt alter Strukturen, lediglich mit dem Ziel, lokal persönlich Macht auszuüben, da ihnen dies in einer EU nicht möglich wäre. Getrieben von einem geradezu pathologischen Narzissmus und Profilierungswahn. Die Menschen ihrer Länder sind für sie nur Stimmvieh, das über gezielt gestiftete Unruhen, verzerrte Wahrheiten und eine ausgeklügelte Demagogie, nach Herzenslust manipuliert wird. Genau darum sollten wir diese Personen als Staatsfeinde betrachten, da ihre „Politik“ nur polarisiert, Unfrieden stiftet, aber keine Lösungen produziert. Es ist weder die Grundlage der Demokratie noch der Meinungsfreiheit, die staatliche Sicherheit in Gefahr zu bringen. Hören wir weiter auf sie, folgen wir nicht nur dem Beispiel Großbritanniens, sondern machen Europa auch noch schlachtreif für andere Wirtschaftsmächte.

Europa muss sich nun einmal mehr seines Gründungsgedankens besinnen. Annähernd 70 Jahre Frieden und Wohlstand haben bewiesen, dass dieses Konzept funktionieren kann. Gleichzeitig sollten wir daran denken, welche Umstände ursächlich für unsere heutigen Probleme sind – Banken- und Finanzkrise, Immobilienblase, die Flüchtlingskrise als Folge der Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens und der von der NATO neu inszenierte kalte Krieg mit Russland. Alles Probleme die eigentlich nicht auf dem Mist Europas gewachsen sind, mit denen wir aber zurechtkommen müssen. Wir müssen endlich verstehen, dass Europa in dieser Welt große Gegenspieler hat, denen wir nur etwas entgegensetzen können, wenn wir unsere nationalen Potentiale in ein kontinental organisiertes Projekt einbringen. Zumal wir auch nur so der einströmenden neoliberalen Ökonomie, mit einem besseren Wirtschaftskonzept die Stirn bieten können.

Angesichts der aktuellen Entwicklung sollte die EU Großbritannien eine Frist zugestehen, in der die Regierung entscheidet, ob sie aufgrund des enormen weltweiten wirtschaftlichen Schadens, das Ergebnis des Referendums überhaupt akzeptieren kann, und im Interesse Großbritanniens lieber eine „antidemokratische“ Entscheidung trifft. Denn schließlich war es Winston Churchill der da einmal sagte: „Das beste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit dem durchschnittlichen Wähler.“ (Quelle: de.wikimannia.org)

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