Einem Whistleblower ist es zu verdanken, daß die Stellungnahme der Jugendanwaltschaft NÖ nun öffentlich gemacht wurde.

Originalwortlaut:

Sachverhalt

Der Ortsaugenschein in der UM-Einrichtung Drasenhofen am 30.11.2018

vermittelte den Eindruck, als wäre das Familienquartier geschlossen und komplett geräumt worden. Es hat sichtlich danach keine Grundreinigung stattgefunden. Es lagen grobe Hygienemängel vor. Die Toiletten waren verschmutzt, Nassräume ungepflegt, der Boden klebrig, die Fenster ungeputzt, etc. Die Verschmutzungen schienen bereits länger vorhanden zu sein. Die Jugendlichen werden laut Aussage der anwesenden Mitarbeiterin aufgrund der heutigen Bemängelung dazu herangezogen werden, die Reinigung des Hauses vorzunehmen.

Es wurden notdürftig einige Einrichtungsgegenstände wie Betten aufgestellt, um zumindest ein Schlafen zu ermöglichen. Die vorhandenen Spinde waren nicht versperrbar und bei weitem nicht ausreichend. Die Jugendlichen hatten nicht die Möglichkeit, ihre privaten Utensilien in Kästen zu verstauen. Ihre persönlichen

Gegenstände lagen frei verstreut im Zimmer.

Es fehlten grundlegende Ausstattungsgegenstände in den Zimmern zB Tische,Sesseln, ausreichend Kästen, ...

Die Kücheneinrichtung bestand aus einer Küchenzeile, deren Unterbau mit einer Pressspanplatte verschlossen war und daher wenig Stauraum hatte. Es befanden sich desweiteren 2 gebrauchte Elektro-Öfen in der Küche. Der Essplatz bestand aus einem Heurigentisch und 2 Heurigenbänken. Ansonsten war der große Raum leer.

Die gesamte Küche hat sich in einem mäßig aufgeräumten Zustand befunden – Teekanne mit altem Tee, unsauberes Geschirr, überfüllte Müllsäcke, Töpfe am Boden, etc.

Es konnte auch kein jugendgerechter Aufenthaltsraum vorgefunden werden – möglicherweise ist ein vorhandener großer, am heutigen Tag leerstehender Raum,dafür vorgesehen.

Die Einrichtung erweckte den Anschein, als wenn sie nicht aktiv in Betrieb wäre. Im ganzen Haus gab es Stellen, wo Demontagen sichtbar waren – dies umso mehr, da an diesen Stellen kein Ersatz der Möblierung aufgestellt wurde. Auf der Stiege löste

sich der Belag (Blasenbildung).

Ein Zaun mit Stacheldraht war im Abstand von einigen Metern um die Einrichtung aufgestellt.

Die Minderjährigen dürfen sich nur im Haus frei bewegen. Es ist ihnen laut Aussage der anwesenden Mitarbeiterin nur erlaubt, die Einrichtung ausschließlich mit Security und nur für sehr begrenzte Zeit zu verlassen (zur Tankstelle, zum Einkaufen). Dies erweckte den Anschein eines Freiheitsentzuges.

Die Küche war versperrt und wird laut dieser Mitarbeiterin nur im Bedarfsfall geöffnet.

Die Jugendlichen haben sichtlich keine Beschäftigung. Sie lagen - mit Ausnahme eines Jugendlichen - um 11 Uhr schlafend im Bett, was gegen eine übliche geordnete Tagesstruktur spricht. Seitens der angetroffenen Mitarbeiterin wurde zwar mehrfach versichert, dass Freizeitmöglichkeiten in Zukunft geplant sind. Zurzeit sind

diese nicht im Ansatz erkennbar. Der befragte Jugendliche gab am heutigen Tag an, dass er außer Rauchen keine Beschäftigung habe. Dies blieb von der anwesenden Mitarbeiterin unwidersprochen.

Es wird der Kontakt von außen unterbunden. Laut Aussage eines Jugendlichen darf er seine Vertrauensperson nicht sehen. Diese Aussage wurde in Anwesenheit der Mitarbeiterin getätigt und von dieser bestätigt. Der Jugendliche wirkte sehr deprimiert.

Es wurde auch ein finanzieller Schaden von dem interviewten Jugendlichen angegeben, der durch den unvorhersehbaren Abbruch der bestehenden Betreuungssituation entstanden sein soll.

Laut Aussage der anwesenden Mitarbeiterin erfolgte teilweise keine

Informationsweitergabe durch die unterbringende Stelle. Sie konnte auf Anfrage nicht beauskunften, ob und welcher Jugendlichen möglicherweise psychiatrisch auffällig sind, da laut ihrer Angabe keine Übergabe der persönlichen Daten erfolgt ist (medizinische Daten, etc.).

Conclusio

Die NÖ Kinder und JugendAnwaltschaft stellt daher fest, dass Jugendliche im Asylverfahren und auch solche mit rechtskräftig negativem Asylbescheid, wie alle anderen Jugendlichen ein Recht auf adäquate den Kinderrechten entsprechende Unterbringung haben, auch wenn ihnen Fehlverhalten vorgeworfen wird. Diese adäquate Betreuung sehen wir zurzeit nicht als gegeben. Im Gegenteil - so wie sich

die Unterbringung am heutigen Tag darstellte, widersprach sie grob den Kinderrechten und gefährdete aus Sicht der NÖ Kinder und JugendAnwaltschaft akut das Kindeswohl (Freiheitsentzug, mögliche Gesundheitsgefährdung, keine pädagogische Betreuung, Stacheldraht, des weiteren siehe oben angeführter Sachverhalt).

Der NÖ Kinder und JugendAnwaltschaft ist ein entsprechendes sozialpädagogisches Konzept derzeit nicht bekannt, welches Rückschlüsse auf eine fachgerechte passgenaue Betreuung geben könnte. Auch die Umsetzung eines solchen Konzeptes war nicht ersichtlich.

Vielmehr waren vor Ort keine Tätigkeiten einer sozialpädagogischen Betreuung der Jugendlichen erkennbar. Es war aus Sicht der NÖ Kinder und JugendAnwaltschaft eine strukturlose „Aufbewahrung“ unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Die grob verschmutzte minimal ausgestattete Einrichtung war für die Jugendlichen

zusätzlich - insbesondere kinderrechtlich - nicht zumutbar, da sie gezwungen waren, so gut wie die gesamte Zeit in den Räumlichkeiten zu verbringen.

Ein Stacheldraht, sowie eine allfällige Freiheitseinschränkung ohne erkennbare Rechtsgrundlage, ist aus pädagogischer und kinderrechtlicher Sicht jedenfalls abzulehnen.

Die NÖ Kinder- und JugendAnwaltschaft gibt daher folgende kinderrechtliche

Empfehlungen ab:

Wie bereits ausführlich dargestellt widerspricht die derzeitige Versorgungsform von Jugendlichen grob den in Verfassungsrang stehenden Kinderrechten!

Vorbehaltlich zusätzlicher fachlicher Kriterien anderer Zuständigkeitsbereiche,werden die aus der Besichtigung am heutigen Tag mindestens notwendigen Veränderungen für eine Versorgung Minderjährige in dieser Einrichtung wie folgt angeführt:

- Entfernung des Stacheldrahtzaunes

- Sicherstellung einer geeigneten sozialpädagogischen Betreuung

(Tagesstruktur, Beschäftigung, etc.), zumal es sich um eine Gruppe von Jugendlichen handelt, die genau zu diesem Zweck in diese Sondereinrichtung verlegt wurden

- Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitseinschränkungen bzw. des fehlenden Kontaktes nach außen

- Übergabe der betreuungsrelevanten Informationen der zugewiesenen

Jugendlichen vor Zuweisung

- Abklärung einer eventuell vorangegangenen medizinischen Betreuung und fachgerechte Fortsetzung notwendiger medizinischer Behandlungen

- jugendgerechte Ausstattung der Räumlichkeiten bzw. Adaptierung der allgemeinen Räumlichkeiten, Möglichkeiten einer sinnvollen Tagesgestaltung

- Fortsetzung allenfalls begonnener Ausbildungen

- Grundreinigung zur Beseitigung der groben Hygienemängel, die eine

Gesundheitsgefährdung nicht ausschließen lassen

- Abklärung, ob Baumängel vorliegen (Belag auf den Stufen, etc.)

- Verständliche Hausordnung in den erforderlichen Sprachen

- Externe Vertrauensperson durch die NÖ kija

Es sind betroffene Zuständigkeiten abzuklären und einzubinden.

Die NÖ Kinder und JugendAnwaltschaft beobachtete innerhalb ihres

Zuständigkeitsbereiches schwere Kinderrechte missachtende Mängel wie beschrieben, sieht diesbezüglich akuten Handlungsbedarf und fordert daher die zuständigen Stellen auf, ihre Verantwortlichkeiten unverzüglich wahrzunehmen.

Für die NÖ Kinder und JugendAnwaltschaft

Mag. Gabriela P.

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