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SPIEGLEIN SPIEGLEIN IN DER HAND
Einer etwas orientierungslos gewordenen Menschheit scheint ein universelles Spielzeug in die Hand gegeben zu sein, das gleichzeitig global und intim, allwissend und omnipotent ist.
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Die Befriedigung der Grundbedürfnisse ist an eine allgemeine Versorgung delegiert, die auch in der sogenannten dritten Welt im allgemeinen funktioniert. Nur noch ein siebtel der Menschen hungert, und auch das liegt nicht an - einem früher normalen – Nahrungsmangel, sondern an Bürgerkrieg, Korruption oder Willkür der Behörden. Freiheit ist ein schönes Ziel und ein schöner Zustand, aber sie erhöht nicht die Sicherheit. Vielleicht sind diese beiden tiefsten Grundwünsche in die menschliche Seele eingehaucht: Freiheit und Ordnung. Aber sie schließen sich in gewisser Weise auch aus. Durch Recht wird nichts richtig oder gerecht. Ein weiterer Destruktionsfaktor ist die Mobilität. Die Fremde ist konkret geworden und für eine deutliche Mehrheit von der Metapher zum wirklichen Ort mutiert. Die Welt wird zwar nicht schöner, wenn man an einem eng begrenzten Ort bleibt, aber durch Reisen oder Flucht erhöht sich jedes Risiko.
Das Zeitalter der Industrialisierung drängte, ohne dass es vorher erkannt werden konnte, auf die Individualität. Der Mensch sollte und wollte sich aus seiner Gruppe lösen können. Noch heute kann man in einer Kleinstadt nachvollziehen, wie kontrolliert das Leben in früherer, durchgehend kleinstädtisch geprägter Zeit gewesen sein kann. Je unabhängiger der Mensch von seinen materiellen Bedürfnissen wurde, je mehr sich sein Bildungshorizont weitete, desto mehr konnte er sich einkapseln. Hinzu kommt die fast ungeheure, vor hundert Jahren unvorstellbare Zunahme an Wohnraum und Freizeit. Seit Walter Benjamins berühmtem Buch beobachten wir die Wirkung der Reproduktionsfähigkeit der Kunst, der Texte und vor allem der Bilder auf uns.
Und nun sind alle Geschichten und Drogen in ein kleines rechteckiges Gerät gewandert, das man bequem in der Hosen- oder Handtasche tragen kann, das manche gar nicht mehr aus der Hand legen wollen. Was früher Monolog oder Selbstgespräch war, ist jetzt ein Dialog mit sich selbst, denn man kann sich antworten. Sicher, manche Menschen spielen nur damit, nur dass in diesem ‚Nur‘ die größte Arroganz liegt, in die man sich sich selbst gegenüber versetzen kann. Wo gibt es bedeutenderen Dialog als im Schach-, Fußball- oder Theaterspiel? Spiel ist ein Dialogkonzentrat.
Aber so wie der Computer nicht die erweiterte Schreibmaschine war und ist, so ist auch das smartphone nicht nur ein Spiegel. Man kann sich löschen, man kann sich manipulieren, man kann sich bearbeiten. Das alles kann man in der so genannten Realität auch, aber dort dauert es seine Zeit, manchmal ein Leben lang. Hier aber, in unserem kleinen Taschenautomaten, kann das alles im Sekundentakt geschehen. Dazu kann man Lexika und Foren befragen, Experten und Schamanen. Über die Echokammern, die in Gruppen entstehen, die sofort entstehen, wenn man nur ein Wort veröffentlicht, ist schon viel gesagt worden. Die verheerende Wirkung dieser Art von Freiheit ist wesentlich bedrückender als alles, was früher eine Zensur anrichten konnte.
Deshalb muss in den Elternhäusern, Kirchen, Clubs und Schulen nicht mehr nur das kleine Einmaleins gelehrt werden, nicht das Konsumieren, sondern das Produzieren. Unsere Welt gleicht einer großen Mall, in der Waren und Geld rotieren, aber der Sinn verlorenging. Niemand braucht ihn. Wir schalten statt dessen irgendein Gerät an, das uns bedudeln und behudeln kann und wird. Am schädlichsten wird wohl, wegen seiner Komplexität, das Fernsehen bleiben, dicht gefolgt vom smartphone.
Vor Jahrhunderten gaben unsere Ahnen ihren Häusern Namen und Sprüche mit auf den Weg, denn jedes Haus ist immer im Fluss. Aber dieser Name und dieser Spruch war doch kein Kennzeichen der Individualisierung, sondern zu jedem Haus gehörte aktuell eine große Gruppe Menschen, die durch Familie, Handwerk und Dienstleistung miteinander verbunden war. Zudem standen die Häuser einige Jahrhunderte, so dass die Gruppe auch historisch wuchs. Auf der anderen Seite erstarkt das Zusammenwachsen, von uns euphemistisch Globalisierung genannt. Zwar wächst der Wohlstand der Welt kontinuierlich, aber – für die ärmere Seite – zu langsam. Deshalb erscheint die Globalisierung eher als Bedrohung und Verrohung statt als Chance. Jeder will sich die Rosinen herauspicken, ohne den Gesamtkuchen zu beachten. Kuchen schafft nicht nur eine Schokoladenseite, sondern auch eine verwüstete Küche.
Sollte das smartphone der neue Talisman werden, so sollten wird darauf achten, dass er uns zu neuen Inhalten führt, nicht nur zu neuen Orten. Lasst uns aus Schlürfern und Surfern wieder Tüftler werden, nicht vom Welterfolg träumen, sondern vom Erfolg für unser offenes Haus.