(Wann wird auch der Zeitpunkt kommen, wo es nur Menschen geben wird?)
jedes denken ist wunsch
jeder glaube ist irr
Das Wort ‚Irrglaube‘ beinhaltet doch schon die Konfrontation, denn es geht davon aus, dass es einen Glauben gibt, der verifizierbar und alleingültig ist und übersieht, dass es dann kein Glaube mehr ist. Genauso verhält es sich mit dem Unwissen. Es bezeichnet doch nur die Abweichung von einem definierten Wissenskanon. Kein Abiturient von heute hätte 1920 das Abitur bestehen können, kein Abiturient von 1920 würde heute das Abitur bestehen, was vielfach von denen bestritten wird, die glauben, dass früher alles besser war. Ein Dakota-Indianer vor zweihundert Jahren wusste Gigabyte mehr über die Natur als jeder heutige Nerd. Wen wir als dumm bezeichnen, kann doch mehr über ein Geheimnis wissen, von dem wir noch nie gehört haben.
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Und der Glaube versetzt Berge, steht an einem Haus in der Berliner Brunnenstraße, denn das Haus stand einst in einem anderen Land.
Leider haben die drei monotheistischen oder abrahamitischen Religionen am krassesten dazu beigetragen, aus jedem Glauben einen Irrglauben zu machen, einfach durch Denunziation des anderen. Wer annimmt oder verkündet, dass der Wesensinhalt von Glauben darin besteht, bestimmte Rituale minutiös einzuhalten, diskriminiert doch jeden, der sie nicht einhält mindestens als Sünder, weitestens als ungläubigen Feind.
Dabei hätte die Berufung auf den gemeinsamen Stammvater Abraham das Gegenteil bewirken müssen, zumal er derjenige war, dessen Geschichte die Ablösung der Menschenopfer durch die Tieropfer erzählt. Nach der biblischen Überlieferung befahl ihm eine Stimme, seinen sechzehnjährigen Sohn Isaak zu opfern. Er fesselte ihn auch tatsächlich und setzte das Messer an die Kehle seines angeblich geliebten Sohnes. Im letzten Moment greift Gott – wörtlich – ein und schiebt die mordende Hand beiseite. Beide opfern dann ein Schaf. Wenn man keiner der drei Religionen, die das feiern, angehört, dann kann die Botschaft lauten: man muss, um vermutete oder geglaubte transzendente Mächte zu beruhigen, keine Menschen, seien sie geliebt oder ungeliebt, schuldig oder unschuldig, gläubig oder ungläubig, ermorden. Stattdessen soll man sich an das fünfte Gebot erinnern und die noch frühere Forderung beachten, seines Bruders und seiner Schwester Hüter zu sein.
Das ist allgemeinmenschlicher Konsens. Es gibt keine relevante Kultur oder Religion, die dem widerspricht. Vom Tötungsverbot erlaubte Ausnahmen dienen immer nur dem Zeitgeist: Todesstrafe, Tyrannenmord, Krieg. Komplizierter als die Gewährleistung des Lebens ist die Gewährung der Freiheit. So wird in der Utopie des später hingerichteten Thomas Morus die Sklaverei als gängige Strafe eingesetzt, die Todesstrafe jedoch verboten. Die Katholiken verehren Morus, weil er Katholik blieb und ein Kontrahent Martin Luthers war, die Anglikaner verehren ihn, weil fromm blieb, die Kommunisten verehrten ihn, weil er - theoretisch - das Eigentum abschaffte, die Politiker verehren ihn wegen seines diplomatischen Geschicks. Die Feministinnen und Feministen sollten ihn hochschätzen, da seine Tochter – dank seiner Erziehung – eine der gelehrtesten Frauen Europas war. Die Liberalen schließlich feiern seine vorsichtige Demokratie und die Abschaffung der Todesstrafe. Und was hat es ihm genützt?
Abraham hat also aus heutiger Sicht das Menschenopfer verunmöglicht, so wie Ödipus den Inzest, den er nicht bewusst und willentlich einging, verdammte. Das Inzestverbot erscheint uns heute als natürliche Ordnung, obwohl es immer wieder - allerdings statistisch nicht signifikant – überschritten und in nicht in allen Ländern der Welt mit juristischen Mitteln verfolgt wird. Eine solche Erzählung scheint es gegen die Polygamie nicht zu geben, weshalb sie sich – trotz abschreckender Beispiele – als Vorstellung bis in die Gegenwart erhalten hat.
Statt also die Urgeschichten von Abraham als Band der Gemeinsamkeit zu verstehen, wurde deren unterschiedliche Auslegung als gegenseitige Definition von Glauben und Irrglauben benutzt. In dem Sinne ist jeder Glaube ein Irrglaube: von der anderen Seite her gesehen. Aber diese Kritik betrifft nur die kollektive, institutionalisierte Religionsausübung, das, was man in Europa Kirche, im arabischen Raum Umma nennt.
Zwei Arten von Glauben können dagegen nicht irren: der Glaube als Hoffnung und der Glaube als Vertrauen.
nur wer glaubt weiß
nur wer weiß glaubt
Wer weiß, oder besser gesagt, wer glaubt etwas zu wissen, verbindet dies oft mit der Hoffnung auf die Nützlichkeit seines Wissens als Navigation, als Überlebensstrategie, als Logistik. Das setzt voraus, dass man den Vorfahren vertraut oder glaubt, dass man sich eins weiß mit Menschen, die einem auch fremd sein könnten. Die Angst vor dem Fremden, so verständlich sie auch immer sein mag, schützt uns nicht, sondern verhindert Glauben, Vertrauen und Zuversicht. Wer das Misstrauen zur Norm erklärt, versperrt dem Vertrauen den Weg. Das heißt aber nicht, dass es kein Misstrauen gibt oder geben kann und dass es nicht auch zeitweilig berechtigt sein kann. Nichts heißt alles, das Gegenteil ist ein Irrglaube der Definitions- und Herkunftsanbeter. Definitionen sind Hypothesen, manche hoffen, andere glauben, dass sie ‚richtig‘ sind, aber man sollte wissen, dass sie immer nur zeitweilig, an bestimmten Orten oder in engen, ideologiegeführten Gruppen gelten.
warum soll ich dir mehr glauben als mir
so denken alle aber so ist es nicht
Bei Lessing, in seiner schönen Urgeschichte von Nathan, dem Weisen, sind es noch die Väter, denen wir mehr oder weniger glauben. Sieht man aber genauer hin, außerhalb der Geschichte und eines engen historischen Rahmens, so betrifft es alle sich begegnenden Individuen. Da wir, die heute lebenden Menschen, uns mehr und mehr aus festgefügten Gruppen verabschieden und lieber dem Glauben anhängen, frei und unabhängig zu sein, erscheint uns unsere Existenz individualistischer, vereinzelter. Gleichzeitig nimmt aber nicht nur die Zahl der Menschen zu, sondern auch die Arten ihrer Existenz ab. Die Lebensweisen nähern sich an. Das kommt, verkürzt gesagt, durch die Mobilität der Gedanken und Dinge.
Tatsächlich haben wir wahrscheinlich Freiheit mit Mobilität verwechselt und Denken mit Kommunikation. Wir können nicht nur jeden Ort der Welt mühelos erreichen, sondern auch mit jedem der knapp acht Milliarden Menschen kommunizieren, was ja sich verbinden heißt. Niemand hat eine Botschaft für acht Milliarden Menschen, aber das Gefühl, dass wenn wir eine Botschaft hätten, sie auch mit allen unseren Mitmenschen teilen zu können, macht uns frei, hoffnungsvoll, omnipotent, alles Eigenschaften, für die unsere Vorfahren eine Projektion brauchten, ein Menetekel oder einen Gott. Die Quelle aller Hoffnung und aller Liebe war auch leider – bisher – immer die Quelle der Unterscheidung, der Angst und der Konfrontation. Wer die Begriffe Irrglauben oder Unwissen in einem selektiven Sinn benutzt, untersagt sich nicht nur Ironie, sondern auch Menschlichkeit. ‚I met God, she’s black.‘ – dieser schöne, ironische und menschliche Satz bringt so viele Menschen zur Weißglut: alle, die wissen , dass Gott ein Mann (Vater, Lord of Lords, Herrscher der himmlischen Heerscharen, König), dass er weiß oder wenigstens gelblich, wie alle Portraits, auch die afrikanischen, belegen, dass er, obwohl sie ihn gegen alle Zweifel und gegen alle Feinde behaupten, nie anzutreffen ist.
Die Gipfelpunkte des Vertrauens, das mich dir mehr glauben lässt als mir, das uns gemeinsam vorwärtszuschreiten ermöglicht, obwohl die Zeiten – wie immer – finster und aus den Fugen sind, sind die Liebe und der Fortschritt des Menschengeschlechts. Der Hunger wurde durch den Brühwürfel besiegt, die Autokratie durch das Smartphone: wir können optimistisch in die Zukunft sehen, in der es nur noch Menschen geben wird.