Macht ist ein Attribut des Denkens. Der Staat ist ein Instrument, kein Ziel. Trotzdem erleben wir soeben eine Wiedergeburt extremer Staatsgläubigkeit, die aber immer ihren eigenen Untergang mit einschließt. Egalitäre Gesellschaften werden von außen usurpiert, elitäre Gesellschaften zerfressen sich selbst. Daraus ist der falsche Gedanke der wehrhaften Demokratie entstanden, ein Konstrukt, das sich selber ausschließt. Wenn leben Risiko heißt, dann gilt das auch für Gesellschaften. Wer etwas beginnt, muss mit seinem Ende rechnen. Zu mehr Frieden würde also eine nicht wehrhafte Demokratie weitaus mehr beitragen.
Wenn eine ungeheure Straftat begangen wird, ein Terroranschlag zum Beispiel, dann rufen auch die weichsten, linkesten und alternativsten Politiker ganz laut, dass jetzt die ganze Härte des Rechtsstaats die Täter treffen möge. Das sagen sie aber nur, um mit den härtesten, rechtesten und gewöhnlichsten Politikern gelichzuziehen. Denn jedes Kind lernt in der Schule, dass der Rechtsstaat gerade die Abschaffung der Härte und die Einführung des Zweitechancesystems ist. Dadurch sinkt die Kriminalität. Trotzdem kann niemand, weder das friedfertige Schweden noch das streitsüchtige Pakistan, Terroranschläge ausschließen.
Vielmehr haben Terroranschläge und Staatsgläubigkeit etwas gemeinsam: sie glauben, dass sie Recht haben das Alte mit Gewalt zurückholen zu sollen. Terroristen und Staatsgläubige berufen sich ausdrückliche auf die angeblich bösartige Natur des Menschen, nur um ihre Bösartigkeit zu begründen. Einerseits wollen sie eine ahistorische, segregationistische Ordnung, andererseits berufen sie sich darauf, dass das, was sie wollen, schon immer so war. Da wir immer noch Gesellschaften von Jägern und Sammlerinnen beobachten können, sehen wir, dass es nicht schon immer so war. Wenn immer nur die stärksten überlebt hätten, würde die Menschheit nicht wachsen, sondern schrumpfen.
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Einer der Denkfehler der Staatsgläubigen liegt darin anzunehmen, dass jede neue Ordnung die Fortsetzung der alten mit anderen Mitteln ist.
Da die Weltordnung der letzten vierhundert Jahre immer durch Hegemone durchgesetzt wurde, sucht man sich einfach einen neuen Hegemon, um neue Angst vor der Zukunft schüren zu können. Solange wir, die Europäer, oder sie, die US-Amerikaner, die Welt beherrschten, war alles gut, aber jetzt kommt China ohne Rücksicht. Rücksichtslosigkeit ist in der Weltpolitik nicht mehr zu toppen. Vor vierhundert Jahren wurde aber auch der Westfälische Frieden geschlossen, in Münster und Osnabrück fand die erste große und erfolgreiche Friedenskonferenz statt. Der Versailler Vertrag und das Potsdamer Abkommen samt Marshall-Plan, Völkerbund und UNO sind seine Abkömmlinge. Der Versailler Vertrag von 1919 ist von den Siegern wie von den Verlierern allerdings als Mittel der Demütigung angesehen worden: altes Denken schadet immer. Dagegen ist der Marshall-Plan die verbesserte Schlussfolgerung aus diesem Fehler.
Allerdings kann man Demokratie im Gegensatz zur Autokratie nicht exportieren. An der falschen Vorstellung von einem Weltpolizisten kann man leicht einsehen, dass eine Gesellschaft nicht als erstes eine Ordnung und deren Polizei, sondern das Ideal der Freiheit braucht. Erst wenn jede Segregation geächtet ist – ganz eliminieren lässt sie sich leider wohl nicht – kann ich eine Ordnung und eine Polizei installieren, sowohl in einer begrenzten Gesellschaft als auch in der Weltgemeinschaft.
Es gibt kaum eine schönere Metapher für diese Staatsordnung als die Tafeln mit den zehn Geboten. Für die Masse der Menschen kommen die Gebote von außen. Jeweils eine Minderheit setzt sich darüber hinweg. Man darf jedoch nicht übersehen, dass im Dienste der Segregation das zentrale Tötungsverbot von Religionsgemeinschaften und Staatsgebilden außer Kraft gesetzt wurde. Daraus folgt im Umkehrschluss: keine Religionsgemeinschaft ist ‚richtig‘, keine Nation ewig oder besser und kein Staat steht über den Menschen, denen er helfen soll.
Jeder kennt die Antwort* Friedrichs II. auf den dummen Satz Ludwigs XIV. Aber da antwortete nicht ein Deutscher einem Franzosen, sondern ein Demokrat einem Autokraten. Natürlich konnte Friedrich, als Sohn eines jähzornigen Autokraten, kein lupenreiner Demokrat sein, Adenauer konnte es nicht, weil er als alter Mann erst zur Demokratie kam, Brandt konnte es nicht, weil er, wie sein Sohn sagt, von Pappnasen umgeben war, und Merkel kann es nicht, weil der Wind der Autokratie gerade eben über die europäische Steppe bläst. Niemand ist ein reiner Demokrat. Aber daraus folgt nicht, dass es keine Demokratie gibt oder geben kann. Daraus folgt nicht, dass Härte siegt oder Militär irgendeinen Nutzen außerhalb der Geldverbrennung hat. Daraus folgt nicht, dass Güte oder Barmherzigkeit Attribute der Schwäche sind. Und daraus folgt vor allem nicht, dass die Welt an den Bösen, die immer die anderen sind, untergehen wird.
Merkwürdig ist, dass die Staatsgläubigen nicht ganz ohne Demokratie auskommen können. Sie glauben sich von vornherein in der Mehrheit. Sie seien, sollen wir ihnen glauben, das Volk, das Rache üben und ebenjenen Staat für die Dauer ihrer Gewaltaktionen außer Kraft setzen kann, den sie danach wieder anbeten. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Freiheit das Skelett jeder Ordnung ist. Der freie Mensch ist das Ziel jeder Ordnung. Dagegen ist die Ordnung nie das Ziel freier Menschen. Ordnung ist ein Attribut, keine Substanz. Die Substanz ist der Mensch jeder Herkunft, jeder Religion, jeder Ansicht, überall, immer. Wir können eben nicht die ‚Feinde‘ der Demokratie ausschließen, weil wir dann den ersten Schritt in Segregation und Autoritarismus wanken, wanken, denn von aufrecht gehen kann in diese Richtung keine Rede sein.
Weil irren menschlich ist, braucht jeder von uns immer wieder eine Chance, aus dem Meer des Zweifels aufzutauchen. Das Organ des Irrtums ist der Staatssekretär, weil er etwas durchsetzen kann, was er nicht verantworten muss, weil er glaubt, es durchsetzen zu müssen, obwohl er weiß, dass er es nicht verantworten kann. Erbitterung schlägt oft in Verbitterung um, deshalb ist es besser freudig von Freiheit und Demokratie zu träumen, als sich ständig vom Untergang und von Feinden verfolgt zu sehen. Der Staat ist dafür da, die Verwerfungen zu betreuen. Noch kürzer gesagt: die Energie, die man für ein Nein verschwendet, sollte man lieber in JA investieren, denn in der Gesellschaft passiert nicht, was wir nicht machen.
*Le prince était le premier serviteur de son état. F II.
L‘Etat c’est moi. L XIV.