Es ist beinahe trivial festzustellen, fast schon sprichwörtlich, dass eine ganze Menge von Menschen glaubt, die Welt sei mit ihnen entstanden. Vorher war nur Schlamm und Dummheit. Unser Bewusstsein räumt uns selbst die Priorität ein, die wir als Selbstwert brauchen, um in den ebenfalls sprichwörtlichen Stürmen der Welt bestehen zu können. Die Stürme der Welt sind allerdings durch die Art des Wirtschaftens, durch den Sozialstaat und durch die Demokratie zu lauen Lüften aus Frühlingsgedichten gebändigt. Vor dieser Dreiheit war der Mensch durch Missernte, mangelnde Barmherzigkeit und Willkür der Eltern, Arbeitgeber und Staatsbeamten praktisch ständig existenziell gefährdet. Wer das Wort gegen die Obrigkeit richtete, dem wurde die Zunge aus dem Mund gerissen. Merkwürdig ist nur, dass es auch heute noch Menschen gibt, die an die Abschreckung durch Unmenschlichkeit glauben. Wären das Zungeherausreißen, das Blenden, Händeabschlagen und Hängen, das Kopfabschlagen, Pfählen und Vierteilen wirksam und abschreckend gewesen, dann säßen wir heute noch in einem solchen mittelalterlichen, finsteren und äußerst prekären Staat und würden auf Eselskarren ins Nachbardorf als weitestem Ort unseres gesamten kurzen Lebens reisen.
Nicht wenige glauben, dass es prekäre Verhältnisse erst gibt, seit eine sozialdemokratische Regierung Langzeitarbeitslosen geregelte, allerdings nicht besonders üppige Dauereinkünfte gesichert hat. Und diese Sicherheit nun wird immer wieder hinterfragt. Einerseits glaubt sich jeder Steuerzahler überfordert und rechnet einmal pro Jahr nach, wieviele Menschen von seinem Einkommen, seiner Differenz zwischen Brutto und Netto, leben. Andererseits rechnen die Empfänger von Transferzahlungen wöchentlich nach, was sie mit den drei Euro und siebenundachtzig machen könnten, die ihnen zustünden, aber verweigert wurden, sei es auch Abschreckung, sei es aus Mangel an vorliegenden Gründen. Das Wort ‚prekär‘ ist aber natürlich viel älter als die Geschichte Deutschlands. Es steht in jedem Lateinwörterbuch und heißt einfach ‚unsicher‘. Unsichere Verhältnisse sind jene, in die man zu geraten vermeiden sollte, wenn man kann, ist man aber darin, so sollte man versuchen, Oberhand zu behalten und schnellstmöglich herauszukommen. Wir streben immer nach Sicherheit, obwohl wir wissen, dass Abenteuer es sind, die uns eigentlich vorwärtsbringen. In gesellschaftlichen Umbruchzeiten neigen die Menschen dann auch zu Abenteuern. Als 1989 der Ostblock zerbröselte, hat die ganze Stadt Rostock und das ganze Land Albanien, jeweils auch durch ihre Stadt- und Landesregierung ermuntert, an einem Schneeballfinanzspiel teilgenommen. Es beruht darauf, dass jeder Teilnehmer Gewinn macht, und zwar von unten nach oben. Man muss also nur jedem Teilnehmer einreden, dass er zwar am Anfang ganz unten ist, aber mit jedem gewonnenen Neuteilnehmer sukzessive nach oben gelangt. Die einfache Rechnung, dass in einem Topf nicht mehr Geld sein kann, als man hineinwirft, wird von den Teilnehmern verdrängt und schließlich vergessen. Vielleicht verwechseln die Menschen auch den Besitz von Geld und seinen Verkauf, weshalb immer wieder, von Jesus bis Silvio Gesell, und dazwischen Gottfried Feder, Ideologien aufkommen, dass der Zins der eigentliche Verderb des ehrlichen, einfachen, geraden Menschen sei. Gerade Menschen kann und darf es nicht geben, weil das Ideal und das Lot immer von Menschen gemacht wären.
Wir Menschen streben also nicht nur nach einer sicheren Menge von Geld, ungeachtet ihrer Größe, weil wir Geld für das Äquivalent von Glück halten. Bestenfalls ist es aber der Gegenwert von Brot, Kleid und Dach. Immer wieder werden hinter den komplizierten menschlichen Verhältnissen, darunter den ökonomischen und außenpolitischen, einfache Lösungen vermutet, die aber aus Dummheit, Böswilligkeit oder Berechnung nicht zum Einsatz kommen. Statt langsam zu glauben, dass es keine Wahrheiten gibt, sondern nur Varianten, wird immer wieder zurückgeblickt: Aber hinter uns liegt doch die gleiche Gemengelage von Erfolg und Scheitern, das gleiche Wechselspiel von Glück und Unglück, das uns auch nicht verunsichern sollte. Das geistige Prekariat sind also Leute, die glauben, dass allzu einfache Lösungen die komplizierten Probleme lösen können. Dass die Welt und ihre Erscheinungen im Gegenteil komplexer werden und dadurch die Lösungen immer differenzierter werden müssen, wird wohl kaum ein denkender Mensch bestreiten können. Allerdings wird schon bestritten, dass man denken muss, wenn man glaubt, dass die abgegriffenen Lösungen der Vergangenheit tauglich wären für immer komplexere Probleme. Dabei sind viele Probleme schon sozusagen eingezäunt worden: es gibt – außer Malaria und AIDS – keine der Pest oder der Cholera in bezug auf Mortalität und Verbreitung vergleichbaren Krankheiten. Diese beiden weltweiten und mit ungeheurer Wucht tödlichen Krankheiten haben sich ins sprichwörtliche Leben und Fühlen der Völker eingegraben, so dass man heute noch ein Dilemma mit der Wahl zwischen Pest und Cholera beschreibt, und das sollte man einmal an der Shell-Tankstelle in 89058 Scilla* gedacht haben. Zwar haben wir im Süd-Sudan und Somalia gerade eine Hungersnot und rund 800 Millionen Menschen hungern weltweit noch, aber jeder weiß, dass dieser Hunger leicht zu besiegen wäre. Wir liefern zwar Lebensmittel in solche Regionen, aber wir liefern auch Waffen. Wenn sich alleine Deutschland dazu entschließen könnte auf ein Prozent seines Exports, nämlichen den Waffenexport, zu verzichten und die dadurch verlorene Geldmenge in gleicher Höhe aus anderen Quellen in die Entwicklungshilfe zu geben, gleichzeitig die Ausgaben für Rüstung statt zu steigern zu senken, und die dadurch gewonnene Geldmenge in die Bildung zu stecken, dann wäre nicht nur ein Zeichen gesetzt, sondern auch tatsächlich geholfen. Der bedauerliche und höchst überflüssige Bürgerkrieg in Syrien wird leider von einigen Mächten als Projektionsfläche ihrer Machtspiele genutzt, aber wer wollte ihn ernsthaft behaupten, dass dieser Krieg dem zweiten Weltkrieg oder dem Vietnamkrieg ähnlich sei? Es ist der Menschheit gelungen, große Probleme zu lösen (Pest, Hunger, Krieg). Die Weltlage ist nicht prekär und wird es auch nicht durch Trump, Petry und Le Pen. Prekär kann die Welt nur werden, wenn man jenen glaubt, die glauben, dass es einfache Lösungen geben könnte. Die Frage ist ja noch, ob sie es wirklich glauben. Wir können diese Frage ebenso wenig beantworten, wie die Frage, ob derjenige oder diejenige, die sagen, dass sie uns lieben, uns lieben, oder vielleicht vielmehr Kompromisse eingehen, um geliebt zu werden. Diese prekären Personen und Parteien sind also mehr missgünstigen Nachbarn zu vergleichen, die morgens um zehn bei dir klingeln und dir sagen, sie hätten gesehen, wie dein Liebster/deine Liebste IN WIRKLICHKEIT jemand anderen liebt. Prekär ist es, einen Gedanken für die Wirklichkeit zu halten. Ist jedes ANTI ist ein Mangel an PRO?
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