Jäger sind schon ein eigener Menschenschlag. Geben Sie mir da recht?

Da haben wir dem Neandertaler schon Einiges voraus. Eigentlich nicht voraus, sondern hinterher. Tierliebe war dem Neandertaler absolut fremd. Er verstand sich als Leben, das leben will inmitten von anderem Leben, das auch leben will. Die Bedeutung, die er dem Tier gab, war daher eindeutig: fressen! Entweder aktiv oder passiv: Um am Leben zu bleiben, musste er Tiere töten und sich dabei der Gefahr aussetzen, auf der Hasenjagd selbst vom Säbelzahntiger gefressen zu werden. Das nennt man heute wohl Berufsrisiko.

Wir hingegen sind kultiviert, kultiviert genug, um den Acker zu kultivieren und müssen daher keine Tiere mehr töten, um als Leben inmitten von Leben, das leben will, zu überleben. Das heißt, wir müssten es nicht, aber wir tun es trotzdem. »Weidmannsheil«. In bester Snipermanier, am Ansitz gut getarnt auf das ahnungslose wehrlose Opfer lauernd. Die Steyr Mannlicher SM12-SX-Präzisionsbüchse am Rucksack aufgelegt, mit 308 Winchester H-Mantel-Munition geladen. Eine Patrone in der Kammer, vier im Magazin, entsichert und eingestochen. Die Zeiss-Optik auf eine GEE (Günstige Einschussentfernung) von 180 Meter eingeschossen. Den Infrarot-Restlichtauf heller, wenn auch nicht weidmännisch, aber dem Wild zu Liebe doch montiert. Ein reifer Bock im Absehen, 150 Meter Schussdistanz. Der Atem still, der Herzschlag ruhig, der Finger am Abzug zieht ruhig durch. Der Bock geht hoch und liegt Sekunden später im Feuer. Blattschuss, ein Schuss ins Leben. Sofort durchgeladen, das Stück noch immer im Absehen. Stille. Warten. Das Leben ist gegangen. Erst nach zehn Minuten verlässt der Schütze den Stand. Der Jäger bedankt sich und zollt dem Bock Respekt mit dem »letzten Bissen«.

Ein glückliches Leben in Freiheit findet ein jähes Ende und landet in der Pfanne. Jäger sind schon ein eigener Menschenschlag. Geben Sie mir da recht?

Töten ist ja wirklich etwas Unschönes. Darum töten wir die Tiere, die wir essen, nicht selbst, weil es ja was Unschönes ist. Wir lassen sie töten. Aber nicht von einem Jäger, denn das wäre zu aufwendig und auch zu teuer, denn wer täglich sein Schulterscherzerl um 3,99 per Kilo zur Verfügung haben möchte, muss sich eine andere Strategie überlegen als die blutige Jagd. Mastbetriebe, Schlachthöfe.

In diesen in unserer WIR-klichkeit vollkommen normalen und selten hinterfragten Tier-KZs wird dann unendliches Tierleid und zum Himmel schreiendes Unrecht vom kollektiven WIR-Bewusstsein zu Tierliebe transformiert. Denn wir lieben unsere tägliche Wurst, wir lieben den Leberkäs, wir lieben das Grillkotelett, den Schweinsbraten, das Pangasiusfilet, die Truthahnbrust und bringen unseren Kindern so früh wie möglich die Liebe zu Chicken McNuggets bei. Vielleicht wäre für unsere Kin- der eine Schul-Exkursion in einen Schlachthof kulturell wert- voller – weil sie sehr viel mehr über die Verlogenheit unserer Gesellschaft erzählen würde – als die lehrplanmäßige Exkursion zu den Lipizzanern der spanischen Hofreitschule.

Aber eigentlich sind diese dummen Viecher ja selber schuld, dann dürften sie halt ganz einfach nicht nach Fleisch schmecken. Und der Mensch ist halt nun einmal ein Fleischfresser, das werden wir nicht ändern können.

Sind wir das? Ist unsere Spezies Fleischfresser? Haben wir einen kurzen Verdauungsapparat wie Raubtiere oder einen langen Darm wie Pflanzenfresser? Haben wir Fangklauen und Reißzähne? Überkommt uns ein Heißhunger, wenn wir im Park ein Eichkätzchen locken, haben wir Glücksgefühle, wenn wir bei Nacht und Nebel ein Reh mit dem Auto erlegen, laben uns an Ort und Stelle an der noch warmen Rehleber, nagen wir am Träger (dem Hals) und schlecken wir das Blut von der Straße? In der Regel wohl nicht.

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