Sie repräsentieren die Mittelschicht und schwanken zwischen Angst und Hoffnung? Angst vor der schleichenden Verarmung und Hoffnung auf die plötzliche Verreichung. Nur Gierige und Idioten spielen Lotto. Ich selbst spiele nicht Lotto, bin aber manchmal durchaus gierig und öfter als man meinen sollte ein fester Trottel. Armut und Reichtum im materiellen Sinn sind mir, ebenso wie Ihnen, fremd. Wir beide müssen, um uns unseren Lebensstil leisten zu können, arbeiten und andere für uns arbeiten lassen. Kinder in Bangladesch zum Beispiel, um unseren Kindern eine Freude zu schenken, die wir uns leisten können. Ist das gerecht? Sind Armut und Reichtum an sich nicht schon ungerecht? Jedenfalls kann das eine ohne das andere nicht, beides existiert nur durch den Vergleich und die diesem Vergleich innewohnende Ungerechtigkeit. Denn natürlich ist es ungerecht, in einer reichen Welt arm zu sein und inmitten von Armut reich zu sein.
Wie kommt denn ein armer, hart arbeitender Mensch dazu, dass er für sein Bier genauso viel zu bezahlen hat wie ein hochbezahlter Wirtschaftsmanager, ein de facto reicher Arbeitsloser? Der arme Arbeiter muss doch für ein und dasselbe Bier (eigentlich das gleiche und nicht dasselbe Bier. Man sagt das nur so ...) länger und schwerer arbeiten. Wäre also die Lösung für diese himmelschreiende Ungerechtigkeit nichts anderes als der prozentuelle Preis? Wäre dies nicht der Weg zu einer gerechteren und daher besseren Welt?
Nehmen wir einmal an, ich wäre ein armer Schlucker und schlucke deshalb gerne Bier. Dann sollte für mich ein großes »Glas heller Freude« (eine nicht wirklich treffende Bezeichnung für ein in Fässern abgefülltes Narkotikum) von nun an 30 Cent kosten. Zugleich nehmen wir an, Sie wären eines von diesen reichen Arschlöchern, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Verantwortung für meine Armut zu tragen hätte, aber nicht tragen will, dann hätten Sie von nun an für ein Glas Bier 30 Euro zu bezahlen. Trotzdem hätten Sie damit noch immer eine helle Freude, denn Sie können es sich ja leisten. Es ist für eine gestopfte Sau wie Sie scheißegal, wie viel ein Bier kostet. Für ein Kalbsschnitzerl mit Pommes und Salat hätte ich von nun an lediglich 70 Cent locker zu machen, Sie hingegen werden für ein Wiener vom Schwein, ohne Beilage, 70 Euro hinblättern müssen. Und weil Sie mich gerade so dämlich von oben herab angrinsen: Ein Liter Sprit kostet für mich von nun an einen Cent. Das ist für einen armen Teufel wie mich bei weitem wichtiger als Essen und Trinken, denn dabei geht es um meine Mobilität, um die Möglichkeit, heutzutage ohne große Anstrengung zur Nahrungsmittelkette zu gelangen. Und Sie mit Ihrem dicken, fetten »SUV, 250 PS, 2,7 Tonnen, 20«-Rädern, Lederausstattung, pearlschwarz mit Klimaautomatik. Also nichts für ungut, aber schwarzes Auto mit Klimaanlage, da tickt es ja nicht mehr richtig in Ihrem kranken Hirn, Sie Klimadrecksau, Sie! Für Sie schlägt der edle Sprudel von nun an mit hundert Euro pro Liter zu Buche, und Sie hätten dann endlich einmal ein Gespür dafür, wie sich so ein armer Schlucker wie ich fühlt, wenn er zu Fuß gehen und sich von Wasser und Erdäpfeln ernähren muss. Und dann, wenn es sich eines Tages für Sie auch nicht mehr ausgeht, Sie selbst zu Fuß gehen werden und sich über Wasser und Erdäpfel freuen müssen, genau dann haben wir endlich eine Umverteilung erreicht. Aber keine Wischiwaschipseudoverteilung, sondern eine mit bloßem Auge erkennbare: Von nun an wären alle G’stopften dünn, fit, vital und lebensfroh, und arme Schlucker wie ich wären fettleibig, alkoholkrank und mit fünfzig ein Pflegefall. Das wäre für mich persönlich zwar nicht schön, aber es wäre sozial gerecht. Nachdem wir aber in einer ungerechten Welt leben, ist es leider genau umgekehrt: Es gibt unglaublich viele schlanke, körperlich trainierte und lebensfrohe Arme, und nur die wirklich Reichen sind fett und unansehnlich und bekennende Alkoholiker!
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Danke!
Schwachsinn!
Vergessen Sie’s! Vergessen Sie blitzartig, was Sie da gerade gelesen haben. Was für ein himmelschreiender Schwachsinn! Aber angefangen hätte es gar nicht so schlecht, ich meine jetzt einmal grundsätzlich, von der Idee her ... oder?
Aber so ist das oft mit den guten Ideen. Schnell werden sie zu Ideologien und richten schneller als man es sich versieht Schaden an und verursachen Konflikt und Leid. Dringende Sachfragen bleiben auf Kosten von ideologiotischen Weltbildern unbeantwortet. Menschliches Verhalten ist eben nicht berechenbar, kalkulierbar, und wer weiß ...
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