Elegant, flink und kunstvoll baggerte der Maulwurf ein Loch in den harten trockenen Boden. Für die Nacht waren Unwetter zu erwarten und er hatte den Auftrag für die Schildkröte eine Grube zu graben, in der sie vor dem Sturm geschützt war: „Sonst dreht mich der Wind noch auf den Rücken und ich muss jämmerlich verdursten und verhungern.“ hatte sie gescherzt.

„Sturm,“ dachte der Maulwurf verächtlich, „so eine Grube kann ja jeder Hoppelhase bauen, da hätte sie doch nicht mir den Auftrag geben müssen. Es hat doch sicherlich einen Grund, warum sie diese Aufgabe nur mir zutraut. Ich stelle mich der Herausforderung, mit all meinem Können, das wird ein einzigartiger Schutztunnel werden!“ ereiferte er sich und errichtete einen breiten Tunnel mit stabil abgestütztem Dach, damit die Schildkröte von oben nicht nass werden konnte und grub einen Kanal rundherum, damit kein Wasser von unten eindringen konnte.

Gerade wollte er zum krönenden Abschluss den einzigartigen Erdhügelschutzschild anbringen als er die Schildkröte erblickte.

„Ich bin noch nicht ganz fertig, aber es dauert nicht mehr lange. Das Graben war ganz schön hart bei dem Boden. Wie findest du deinen Schutztunnel?" haspelte der Maulwurf. „Es ist eine sehr schöne Grube geworden, herzlichen Dank, lieber Maulwurf, da kann ich diese Nacht ruhig schlafen und den Sturm unbeschadet überstehen,“ sagte die Schildkröte freundlich.

„Sturm!“ rief der Maulwurf erbost, „dieser Schutztunnel wirkt auch gegen den Regen!“ „Wozu, glaubst du, haben Schildkröten einen Panzer?“ wollte die Schildkröte wissen. Der Maulwurf kniff die Augen zusammen: War da ein Grinsen in ihrem Gesicht zu sehen?

Diese Frage hatte er sich nie gestellt, aber sie war auch nur ein belangloses Detail. „Du kannst den Tunnel nicht nur diese Nacht benutzen, er hält noch 100 Unwettern stand,“ rückte er sein Werk wieder ins rechte Licht. „Das ist sehr nett von dir, lieber Maulwurf. Morgen ziehe ich weiter und werde nie wieder hierher zurückkommen,“ antwortete die Schildkröte.

„Aber,“ stammelte der Maulwurf jetzt „warum hast du dann diesen Auftrag mir erteilt?“

„Ich habe dir den Auftrag nicht erteilt. Ich habe euch alle gebeten mit zu helfen. Du als einziger hast es getan, du hast mir einen Schutztunnel gebaut,“ sagte die Schildkröte und bewegte sich inden Schutztunnel hinein um ihn zu begutachten: „Du hast das ganz hervorragend gemacht. Es ist wirklich eine sehr, sehr schöne Grube. “ nickte sie anerkennend.

Jetzt war der Maulwurf fassungslos: „Was hast denn du geglaubt? Ich bin der beste Tunnelbaumeister in der gesamten Gegend. Ich war so stolz auf diesen Auftrag, weil nur ich alleine kann Tunnelsysteme errichten, die wind- und regensicher sind und das garantiert drei Jahre. Es geht doch um die Einzigartigkeit, alles andere ist doch unwichtig,“ brüllte er gegen das herannahende Gewitter.

„Wichtig ist, das Ziel zu kennen und die, die es erreichen können, so zu lenken, dass sie es erreichen,“ antwortete die Schildkröte ganz sanft und ruhig.

Der Maulwurf rang nach Luft, grub sich ein, verstand die Welt – wieder einmal – nicht, und wollte nie wieder an die Erdoberfläche sondern nur mehr trauern, dass es nicht der einzigartige Auftrag war.

Die Schildkröte verbrachte eine erholsame Nacht im Schutztunnel und zog am nächsten Tag weiter.

Der Maulwurf vergaß seinen Groll recht schnell und kam wieder an die Erdoberfläche, denn nur dort konnte er sein Talent unter Beweis stellen, auch wenn es noch oft weh tun würde.

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Silvia Jelincic

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Kar_Ma

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fischundfleisch

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