In der prallen Sonne stand die Gruppe vor der Burg Antonia, einer hielt ein Kreuz hoch und alle Blicke richteten sich auf einen Punkt an der Burg. Dort soll, so erzählt es die Überlieferung, Jesus verurteilt worden sein, von dort soll der Spruch des Pontius Pilatus gekommen sein.
Ist das der Ausgangspunkt der Anbetung Christus oder werden seine Leiden angebetet, so genau kann ich das nicht erkennen. Wird sein Tod als Grundlage der Verherrlichung verwendet, ich weiß es nicht.
Die Gruppe hat ihre Gesänge beendet, fällt in ein monotones Murmeln frommer Gebete und ich wische den Gedanken, die Frage, wie eine lästige Fliege aus dem Hirn.
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Ein rundes Gebäck lenkt mich ab, ein Sesamring, trocken und ohne das grüne Gewürz eigentlich geschmacklos, auch sinnlos abzubeißen, aber ich muss ihn versuchen.
Die Gruppe wird zu einem Keil, der durch die Menschen drängt, sie beiseite schiebt. Andere kommen nicht vor, sind nur Hindernisse auf dem Weg zur höchsten Verehrung des Jesus in der Grabeskirche. Immer diese Ungläubigen, die fotografieren hier am heiligen Weg, in der Via Dolorosa und auch am Ende des Kreuzweges.
Ich bin enttäuscht, keine Spur von Ergriffenheit in mir, nur Ablehnung dieser Christen, die, wäre es nicht etwas übertrieben, auf den Knien hinrutschen würden. Was ist dran an der Religion, weshalb beten sie ein Kreuz an, ein Instrument des Tötens, weshalb versuchen sie nicht die Lebendigkeit der Botschaften Jesus zu leben, Nächstenliebe, nicht Hass und Zorn gegenüber Andersgläubigen.
Ein Mann nimmt ein schweres Kreuz auf die Schulter, will er Jesus sein oder ihn nur nachspielen, gegeißelt wird er nicht, soweit geht die Nachstellung dann doch nicht.
Sind sie Suchende, haben sie Zweifel und wenn ja, dann wohl nur an ihnen, sie fühlen sich sündig und erhoffen eine Reinigung, wovon? Vom Leben, dass sie gelebt haben oder leben mussten. Für mich besteht Sünde, auch ihre Sünde, darin, sich nicht selbst treu gewesen zu sein.
Den Hügel in der Grabeskirche erspare ich mir, Golgatha soll es sein und wieder drängen alle hinauf, was soll ich dort, auch der Annahme huldigen, dass Jesus hier gekreuzigt wurde?
Der Palästinenser im kleinen Laden verkauft gekühlten Nescafe in der Dose, Nestle oder wer auch immer sind überall, auch an solchen Orten oder gerade deswegen. Ein Schluck, eine Zigarette, Schatten und dem Treiben zusehen, ein Genuss für einen Atheisten, nicht ganz, denn es macht nachdenklich, so viele Unterwürfige, pardon Gläubige, zu sehen. Gut hier ist ein Ort an dem sie zusammenströmen, einander treffen aber kaum austauschen, ihr Ziel ist die Anbetung. Was beten sie an, die Leiden Christi? Wenn es so wäre, dann bräuchten sie den Beistand der Kirche, der Religion und nicht eine Gasse die noch mehr Leiden aufdrängt, hier ist er unter dem Kreuz zusammengebrochen. Aus, Ende, ich denke es nicht mehr weiter, es ist einfach für mich nicht zu verstehen und die ewige Seligkeit werde ich mit meiner Haltung eh nicht erreichen. Und trotzdem, es lässt mich nicht los, wieso behaupten alle, durch diese Gassen habe Jesus sein Kreuz getragen, warum denken alle, dass das die Wahrheit ist? Ist das hier nicht eine einzige große Bühne um die Frommen zu ködern, sie auszunehmen, ja auszunehmen. Spende für die Renovierung, für die Mönche, kauft Devotionalien, heilige Erinnerungen, die Mutter Gottes ist auch sehr gefragt. Geld, um Geld dreht sich auch hier alles. Hat nicht Jesus im Tempel die Bänke der Wechsler umgeschmissen, sich gegen die Opferungen gestellt. In der seligen Frömmigkeit dürfte das keine Rolle spielen.
Komm runter, rate ich mir, das macht für dich keinen Sinn, aber für die vielen Anderen schon.
Ein neues Bild. Der mit dem Kreuz am Buckel taucht auf, dahinter ein dichter Zug an Gläubigen, die Einheimischen rücken ihre Schemel in das Lokal, die Gewalt des Zuges ist enorm, sie sind friedlich, beten, singen und trotzdem sind sie gewaltig. Kurz frage ich mich, was haben die mit Gott am Hut? Und bevor ich versuche, mir eine Antwort zu geben, ziehe ich eine Zigarette aus der Packung, zünde sie an, Dampf ablassen über diese Papier-Tabakrolle.
Ist Gott nah, immerzu nahe oder doch nicht, ist er schwer zu finden, ist Gott nur eine Vorstellung und weshalb habe ich keine, weil ich unter Sozi und Atheisten aufgewachsen bin?
Gott, denke ich, angesichts der wogenden Frommen, Gott braucht diese Frommen nicht, sie entwickeln ihn nicht, sie blockieren ihn, sie denken, Gott findet sich in den Kirchen, an Orten der Heiligung und in stundenlangen Gebeten. Gott hat uns, wenn ich schon mal so denke, Gott hat uns die Verantwortung für uns und die Anderen übergeben, wir müssten sie nur leben, uns befreien aus den Schlingen der religiösen Erziehung. Die Gesänge kommen näher, halten an, wieder eine Station wo Jesus litt oder sonst irgendetwas vorfiel, ich weiß es nicht, es ist nicht wichtig, irgendwie fühle ich mich trotzdem Gott näher als dieser Zug sich fremd gewordener Menschen.
Der Zug zieht weiter und ich bin mir nicht sicher, ob dieser Zug nicht eine feine Spur von Angst erzeugt, neue Kreuzritter auf dem Weg zur Eroberung ihres Heiligtums und vielleicht auch bereit, alle die nicht wie sie sind, zu vertreiben. Es ist nur ein Gefühl in mir, ein Gefühl das hier an diesem Platz entstanden ist, sich woanders nicht hätte einstellen können.
Endlich erreichen sie die Grabeskirche und unter den Frommen, den Gottgläubigen hebt ein Stoßen, Drängen und Rempeln an, jeder will der Erste bei dem Altar auf dem angenommenen Hügel Golghata sein, will dort den Schrein des Todes küssen, um Gott zu zeigen wie sehr er seinen Menschensohn liebt. Jesus würde schreiend flüchten angesichts einer derartigen Ignoranz seines Wirkens. Und Gott?
Gott zeigt seine Macht hier deutlich. Verschiedene Religionen, die von sich behaupten, sie sind die wahren Vertreter Jesus (dabei braucht Jesus gar keinen Vertreter) beheimatet die Grabeskirche und sie alle stehen in Streit miteinander, Neid und Missgunst gegenüber den Anderen herrscht hier und lähmt alle. Dieses wunderschöne Bauwerk, Kulturdenkmal zerfällt zusehends, Gott richtet nicht durch sich, nein, durch seine Anwesenheit in den Köpfen richtet er und zeigt auf die notwendige Versöhnung hin. Die Priester und Popen sehen seine Hand nicht, sie sehen nur sich und ihre mahnend erhobenen Zeigefinger, sehen nur ihre Ansicht von Richtigkeit und allumfassend wird durch sie ein leeres Predigtwort.
Ich wende mich von diesem unwürdigen Spektakel ab und gehe in ein palästinensisches Kaffee, mir reicht der Kreuzweg, diese Institution der Kirchenmacht, diese Gassen und frommen Heuchler. Später höre ich die Mitreisenden diskutieren und ich denke, ich war an einem anderen Ort als sie.