Die Reichskristallnacht: 9. auf 10. November 1938. Niemals vergessen!

Die Pogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung zur systematischen Verfolgung

Mein Großvater erzählt: Sie sind von der Schmelz gekommen, braune Hemden, die komischen Hosen und das Kapperl, eine Bande von hirnlosen Randalierern, zusammengefangen in der SA. Richtige Schlägertrupps waren das und gleich hinein zum Nemeth, dem Wirten am Eck, ein Ungar und weil er ein Ungar war, haben sie das Bier nicht bezahlt. Laut waren die, ich hab die Kleine versteckt, man wusste ja nicht und nach dem Gebrüll ging es los. Das jüdische Ehepaar haben sie geholt, geprügelt, ihm die Haare geschnitten, den Hut zertrampelt, und alle waren wir still. Es gab genug Männer im Haus, nur die Rache hat jeder gefürchtet, wir haben so einiges gehört, von Dachau und Buchenwald, das hat stumm gemacht.

Die Drogerie Gajdusek, ein jüdischer Böhme, zugezogen nach dem Ersten Weltkrieg, auf den waren sie scharf. Die Rollladen haben sie aufgebrochen, hochgeschoben und mit Hurra die Scheiben zertrümmert, Affen, ferngesteuerte Affen ohne Hirn waren sie, das braune G'sindel. Der Gajdusek hat ja woanders gewohnt und ist erst in der Nacht gekommen, hat die Glassplitter zusammengekehrt, die Rollläden wieder herabgezogen, resigniert hat er ausgesehen und ängstlich, er hat dauernd den Kopf hin und her gedreht.

Die braune Bagage hat beim Mele, dem Wirten, weitergesoffen, auf Kosten des Wirtes, dann haben sie ihn zusammengeschlagen, die Auslage des Juweliers zertrümmert und sich bedient, ich glaube der war gar kein Jude.

Kauft nicht bei Juden, haben sie plakatiert und sie haben dann die Sachen der Juden gestohlen, getreu dem Grundsatz nicht zu kaufen. Die waren so ohne Hirn, deswegen auch so gefährlich, nur Marionetten, die wirklichen Schufte ließen sich feiern, gaben keinen Befehl, alles haben sie in der Möglichkeitsform angeordnet, hat mir der Hribernig erzählt, der war auch dabei, ist aber dann an die Front gekommen und das hat ihm das Nazi-Sein gründlichst ausgetrieben.

Sie haben die Synagogen angezündet, bei uns in Ottakring gingen sie auf das Arbeiterheim los, aber der Zynismus pur war die nachträgliche Bezeichnung dieser Nacht als REICHSKRISTALLNACHT.

2016

Heute zünden die Deppen Asylantenheime an, heute wie damals schreien sie sinnlose Sätze, sind abhängig von den Worten einiger Hetzer, von Rassisten, von Menschenverachtern. Sie folgen auch heute blind, weil sie denken, sie kämen weiter und vergessen, dass sie die ersten sein werden, die bei so einem Regime draufzahlen.

An einem Tag wie heute kann man nur sagen: Wir sind viel zu nahe an der Wiederkehr solch einer Macht, zu nahe an Verfolgung und Vernichtung, zu nahe an einer neuen Reichskristallnacht.

Sujetbild, Chased by youth armed with clubs, woman fleeing from a "death dealer" whose left leg can be seen at the left-hand edge of the photograph https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lviv_pogrom_(June_-_July_1941).jpg

Urheber des Fotos: unbekannt, erstveröffentlicht in Polen, vor 1994

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