Yad Vashem
Die Hitze in Tel Aviv ohrfeigt mich, stößt mich in einen Schweißausbruch und ich denke "Willkommen in Afrika". Israel ist in Afrika und ich wollte nach Israel, keine Ahnung warum, es hat mich angezogen, hingezogen, zu sich gezogen.
Auf den Straßen leichtes Chaos, egal, der Bus hat Klima und wenn er steht, gibt es mehr zu sehen, nicht nur flüchtige Bilder, nein, Nahaufnahmen eines Ortes, einer anderen Kultur, die unserer sehr ähnlich ist. Tel Aviv ist sehr europäisch.
Jaffa besuchen wir so im Vorbeigehen, Altes für Touristen auf alt renoviert, nichts Aufregendes, nichts was eine besondere Minute des Ansehens erforderte, einzig die Blätterteigtasche mit Schafkäse gefüllt verdient es genannt zu werden.
Die eigene Schrift in Israel ist ergänzt durch englische Untertitel, auch kein Problem.
Wir sitzen wieder im Bus, fahren nach Haifa. Diese Stadt interessiert mich, liegt doch dort die Exodus am Pier, jenes Schiff mit dem die Zionisten ins Land kamen und begannen den Staat Israel zu realisieren.
Akkon, da gibt es einen Bezug zu Österreich, hätte ich mein Wissen stets aufgefrischt wüsste ich jetzt welcher Österreicher hier war. Diese Vergangenheit ist mir ziemlich egal, ebenso die Karawanserei errichtet auf den Knochen vieler Arbeiter. Das gibt es überall.
Dann ein Rundfahrt durchs Land, Wüste, keine Sandwüste eine Steinwüste mit grünen Büscheln bei denen die Ziegen der Nomaden stehen.
Man will die Nomaden in Häuser unterbringen, sie mit Meldezettel und sonstigen Verwaltungspapieren ausstatten, man will und das ist die hinterfotzige Kehrseite, ihr Nomadendasein beenden, warum? Nicht mehr zeitgemäß, was für ein stinkender Grund, warum sagen sie nicht, wir wollen euch nicht. Dazu bräuchte es Mut, aber Politiker und Mut, lieber den Umweg.
Dunkeläugige schöne Mädchen in Militäruniform, die UZI umgehängt sind fast überall zu sehen.
Abstecher zum Toten Meer. Außer mir gehen alle kurz baden, ich trinke Kaffee und esse Eis im klimatisierten Cafe. Als die Gruppe zurückkommt stinken sie alle wie eine alte Petroleumlampe und endlich geht es nach Jerusalem.
Wie viele Jahre Geschichte sind hier vereint, egal. Ich sehe mit Staunen wie sich die Gläubigen durch die Via Dolorosa wälzen, ein Kreuzweg der besonderen Art, jede Station wird angebetet, die Steine berührt, hier ist Jesus unter dem Kreuz gestürzt und dort, nicht hinsehen, ich gehe einfach weiter, dieses erbärmliche Schauspiel von falsch ausgelegten Glauben reizt mich zur Gegendemo und ich zünde mir am Eingang der Grabeskirche ein Zigarette an, zwei reden mich in einer Sprache an, die ich nicht verstehe. In der Kirche küssen die Gläubigen den Salbungsstein in totaler Verzückung. Dies habe ich schon abgeschwächt in Moskau beim Leningrab erlebt, die wahre Gefangenschaft passiert im Kopf.
Ich sehe mich um, wo gibt es hier kaltes Wasser?
Jerusalem ist für einen Atheist ein Erlebnis, was für ein Erlebnis muss es erst für Gläubige sein?
Am Abend ein gutes Eis in der Neustadt und schlafen bis zum Weckerläuten am nächsten Tag.
Wir fahren nach Yad Vashem, der weltgrößten Gedenkstätte über den Holocaust. Bis jetzt habe ich alles mit ziemlicher Gelassenheit betrachtet und erlebt, ich befürchte dass es dort damit vorbei sein wird. Dieses Genozid an den Juden beschäftigt mich schon lange und Pogrome ziehen durch die Geschichte der Menschheit als Schuldenlast.
Ein Park nimmt mich auf, sanft ansteigend, Bäume, Gras, Denkmäler und links abgehend ein Weg in den Stein geschlagen, der sich immer tiefer absenkt und einen Quergang erreicht. Ein Relief eines Kindes zeigt wohin es gehen soll, zum Haus der Kinder. Schwarzes Glas gefasst zu einer Tür, die sich langsam öffnet und uns einlässt in eine schwarze Finsternis, die scheint ein Vorbote des kommenden zu sein. Ein Spalt in dem schwarzen Vorhang geht auf und ich betrete einen Raum in dem eine Kerzeninstallation über Spiegel ein Kerzenlichtpunktfirmament erzeugt. Eine Stimme verliest den Namen eines Kindes mit dem Ort und dem Tag seiner Ermordung, alle 30 Sekunden ein neuer Name. Es geht mir unter die Haut, tief, sehr tief, denn es nicht zu fassen, dass 1,5 Millionen jüdische Kinder einfach ermordet wurden. Ich gehe langsam, hinter mir ein neuer Name. Es braucht 3 Monate bis alle Namen verlesen sind, sagt Ranan, der Reiseleiter. Wie viele Jahre hat es gebraucht um die Kinder zu ermorden?