Schönheitschirurgie? "Ich mag mich nicht so wie ich bin."

Heute sei es für keine ältere Frau mehr unmöglich, jugendlich auszusehen – so oder ähnlich hörte ich es Beauty-Doc Dagmar Millesi anlässlich ihres 60. Geburtstages sagen. Eh klar, dass sie Werbung für Ihr Schönheitsinstitut macht, warum auch nicht: auch Friseurinnen prunken oft jede Woche mit einer anderen Haarfarbe und Pop- und andere Sternchen sind auch Werbeträgerinnen für ihre Outfits, Düfte und was auch immer, Veggies etwa.

Und es ist auch normal, d. h. üblich geworden, den Anlass einer Geburtstagsfeier gleich für TV-Werbung zu nutzen. Das ist höchstens eine Grenzfrage der Ethik oder des sogenannten guten Geschmacks...

Mit großer Lust erinnere ich mich an einen TV-Spot als Farbfernsehen noch nicht Allgemeingut war, in dem der unvergleichliche und „starke“ Felix Dvorak den spindeldürren Pianisten Heinz Neubrand am Klavier sitzend mit dessen Werbespot „Butter kann durch nichts ersetzt werden – Sie sehen es an meiner Figur!“ in gleicher Pose parodierte: seine Variation lautete „Butter kann durch nichts ersetzt werden – außer durch a Grammelschmalz – Sie sehen es an meiner Figur!“

Ja, damals war es noch nicht bitterer Ernst für all diejenigen, die Barbie (übrigens auch der Name des „Schlächters von Lyon“!) oder Cher – die sich angeblich sogar zwei Rippen entfernen ließ, um ätherisch schlank auszusehen – nacheiferten, sich unters Messer zu legen. Heute lassen sich junge Mädchen schon Schönheitsoperationen zur Matura schenken. Negativvorbilder wie Michael Jackson wirken eben auch. Alles ist machbar, Frau Nachbar.

Im Endeffekt heißt die Botschaft immer: Ich mag mich nicht so wie ich bin. Dass das ab und zu mal vorkommt, besonders nach durchfeierten Nächten, wenn einem König Alkohol aus dem Spiegel entgegenlacht, ist Warnung und nicht Endzeitdrama; aber wenn solch ein Gefühl chronisch wird, wäre Psychotherapie das Heilmittel und nicht kosmetische Chirurgie. Denn die Wurzeln dieser Selbstablehnung finden sich in der Kindheit – oft nicht erst bei spottender Mitschülerschaft sondern schon vorher bei den Eltern, die nicht ertragen, dass das ihr Kind nicht der Superstar ist, oder dass das Kind gar einem verhassten Anverwandten ähnlich sieht. Mir hat etwa meine Mutter oft gesagt „Schau nicht drein wie die Großmutter vom Sterneckplatz!“ (ihrer Schwiegermutter), und als ich wagte zu replizieren „Dann hättest Du halt einen anderen Mann heiraten müssen!“,  bekam ich eine Tracht Ohrfeigen. Wer will schon die Wahrheit hören ... In Psychotherapie kann man sich in kleinen Schritten den Verletzungen der Vergangenheit oder Gegenwart annähern und den Schmerz und die Sehnsucht aus-drücken  - wie eine Eiterpustel, denn beides heilt, wenn es an der Luft austrocknet und nicht, wenn es unter Pflastern und Verbänden versteckt wird.

Es gilt eher, sich selbst in jeder Lebensphase neu zu „erfinden“ (und nicht über Madonna zu spotten, wenn sie hier vorbildhaft experimentiert), und das geht auch ohne chirurgische Eingriffe (entstellende Unfallfolgen ausgenommen) und Nörgler und Spötter in Schranken zu weisen. Wir tragen nämlich unsere Biographie im Körper, Gesicht inklusive, und das ist unsere persönliche Wahrheit, und die ist zu respektieren. Körperlügen sind das nicht.

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

Darpan

Darpan bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

2 Kommentare

Mehr von Rotraud Perner