Treue wird oft in sexuelle und soziale differenziert. Die soziale sollte eigentlich selbstverständlich sein – sie entspricht der „Firmenloyalität“: es ist ein Zeichen für tiefe Konflikte und mangelnde Wertschätzung, die Partnerperson öffentlich bloßzustellen ebenso wie insgeheim zu hintergehen. Was redlich ist, kann beredet werden, was nicht redlich ist, sollte man gar nicht ausdenken. Ausdenken heißt für mich: Gedankenimpulse, wie sie ja immer wieder auftauchen, zu mentalen Mordversuchen auszuschmücken. Sie sind nur ein Hinweis, dass man etwas nicht will und sollten in Information „veredelt“ werden – und das kann man lernen. Gehörte eigentlich schon in die Vorschulpädagogik ...
Sexuelle Treue ist dort, wo man „ein Fleisch ist“ – was selten genug vorkommt – selbstverständlich. Wenn man einen anderen Menschen tief in sich spürt – wie das Dichter und Liedermacher besingen – hat eine weitere Person keinen Platz mehr. Auch Kinder nicht. Aber wo man sich nicht ineinander tief verwurzelt hat, bleibt man im Zustand der Oberflächlichkeit – und da kann man zu vielen Personen kurze Begegnungen mit Tiefenwirkung erzielen, oder langzeitig mehrere kaum tiefer gehende, ja sogar reine Kontaktspiele erleben – im Endeffekt ist es eine Frage, was man will und was man sich zutraut oder zumutet. Ich habe in meiner langjährigen Beratungspraxis etliche seltsame Krankheitsfälle erlebt, die zufälligerweise genau dann auftraten, wenn Zweitbeziehungen zu viel Stress auslösten.
Ich sehe die Problematik nicht im juristischen begriff von Treue, sondern in der Unfähigkeit vorausschauend zu denken, wenn die Lebensenergie nur mehr im Unterleib pulsiert. Oder wenn man glaubt, Lebensqualität nur in fremden Betten erfahren zu können. Oder wenn man seine Selbstsicherheit nur aus der Identität als Sexmachine oder Sexy Hexy bezieht. Meist ist Fremdgehen das lustvollste Antidepressivum gegen verleugnetes Unglücklichsein.
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