Zum zweiten Mal am Strand. Schwarze Tinte. Sand, Fleisch und Knochen. Sonnenschirme und läutende Handys. Strandverkäufer aus Afrika, Bangladesh und China. „Want massageee!?“ „Borrrsa per la donna! Good prize!“ „No, grazie, thank you, danke.“ „Good prize!“ Jo eh. „Danke.“ Je Augenkontakt desto good prize. Das Schreibheft am Schoß. Das ist angenehm unangenehm. „Du solltest dich wieder einschmieren!“, mein Sonnenöl, meine Frau: „Kannst dich erinnern, da sind wir…“ „No, thank you, entschuldige, ja?“ Wenn meine Frau auf der Sonnenliege sich streckt, ist alles um mich Ägypten. „Good prize!“ „Grazie, thank you.“ Man freut sich über die im Sand spielenden Kinder, man freut sich aber auch schnell, dass es nicht die eigenen sind. „Good prize!“ „Thank you.“ „Per la donna!“ Na, heast… „Where do you come from?“ „Aus Sankt Pötn.“ „Italiannno?“ „Knopp daneben.“ „Good prize!“ O sole mio.

Es gibt jetzt ‚Beach-Watch-Stewards‘. Sie kontrollieren die Sandkörner, ob die auch gerade liegen. Alles Faschistoide hat praktische Hosen mit praktischen Taschen und den Flair von Fitness-Centern in der Peripherie. Es gibt Menschen, die blinken sogar beim Denken und überfahren dabei nie die Sperrlinien. Ein kleiner Lorenzo will nicht zur Mama, wirft sich auf den Boden und schmeißt mit Sand nach seinem Bruder. „Good prize!“ Jo jo. „Like?“ „Thank you.“

Ich sitze wieder im Schatten. Meine Frau hätte so gerne, dass ich zumindest ein bisschen in die Sonne gehe. Also knirsche ich den Liegestuhl rüber in die Sonne. Die Sonne ist auf zwölf Uhr und plärrt mir ins Gesicht. Meine Frau ist glücklich und schwitzt brav am Bauch. Dann kratzt sie sich unter dem Busen und raucht sich eine Zigarette an. Jetzt kommt eine Strandgeschichte aus dem Jahre 1989 in Gran Canaria oder eine Erinnerung an das nächste Autoservice. Es kommt Griechenland 1995. Kombiniert mit dem wahrscheinlich defekten Bratrohr zu Hause. „Ich bring einfach keine Hitze mehr zusammen!“ „Ja, Schatzi, na klar, also: Wahnsinn.“ „Good prize!“ Jessas.

Tretboote schlafen hellblau vor mir. Im Juli und August werden sie ächzen und stöhnen. Jetzt wär’s schön in einem Kaffeehaus im November. „Good prize!“ „Nein.“ „Look!“ „Nein.“ Ägypten geht ins Wasser, es wogt und wankt das Meer, der Bosporus schlürft mit Suez und Gibraltar um die Wette. Meine Frau ist eine Adria auf Nachos. Ihr Mann beim Wortwitz-Kleiderbauer. Ich bin fett. Schwitzend fühlt man sich fett. Fett. Meine Frau kommt aus dem Meer, lächelt und hält mir zwei kleine Muscheln stolz vor‘s Gesicht. „Da, schau!“ Ich könnt sie fressen, das ganze nasse, salzige Mädi. Jetzt wird sie trocken und wieder 47. „Good prize!“ Na kloa. „Like?“ „Nein, danke.“

Ein Kind bekommt die Brust. Ich schau heimlich hin und denke parallel dazu an ein Gedicht von Friedrich Nietzsche, um meinen Voyeurismus intellektuell auszugleichen. Meine Frau fragt mich, ob ich Kaffee will, ein Zehengänger-Beach-Steward stellt sich vor meine Mutterbrust, Nietzsche ist ein Trottel. Ebbe – Flut. Ich mache Strand-Inventur: zwölf Badegäste, 14 Beach-Stewards, 38 Strandverkäufer aus Afrika und Bangladesh, fünf Wauntmassaschiii-Frauen aus China. Noch 14 Lucky Strikes, das geht schon. „Good prize!“ Oder auch nicht. „Danke!“ „Willst ein Kipferl zum Kaffee?“ „Nein, Schatzi, danke.“ „Gestern hast ein Kipferl gegessen, und das hat dir so geschmeckt.“ „Ja. Ja eh, aber jetzt, im Moment, danke, kein Kipferl.“ „Ein halbes?“ „Ich liebe dich.“ „Good prize!“ „Thank you.“

Im Alter wird man dankbar für alles. In Afrika haben sie zu wenig Kipferl, und wir wiederum brauchen keine neuen Handtaschen am Strand. Der Mond ist abhängig von Ebbe und Flut. Kein Jesolo, kein Mond. Darum heißt es auch Luna-Park. Man kann sagen: Das Universum besteht aus Ebbe, Flut, Mond, Jesolo und Eisengehalt im Spinat. Übrigens: Weiche Eier muss man genauso abschrecken. Und: Wenn die Schwalben tief fliegen, ist viel Eisen im Spinat.

Ich habe jetzt das Sonnenschirmtischchen Nr. 326 zum Schreibtisch umfunktioniert. Meine Lesebrille und das Schreibheft sind voll Sonnenöl und Sand. Wenn man mit der Lesebrille einer Frau auf den Hintern schauen will, sieht man so gut wie gar nichts, und das ärgert einen sehr. Ich werde mit meinen Enkerln Boccia spielen und Tretboot fahren. Auf die Enkel muss ich noch warten, Kreuzweh hab ich schon. Ebbe und Flut, Enkel und Busen. Sigmund Freud war sicher in Jesolo.

Jetzt glitzert die Sonne, sie kitzelt das Meer. Ich würde mich gern an dieser Boje festhalten und jung zum Horizont schwimmen. Kurz weht der Wind kühler und stärker. Ein Vogel, silberweiß mit schwarzem Kopf, fliegt vorbei. Meine Frau niest.

Zwölf Drachen an einer Schnur folgen einem schwarzen Mann. Der oberste Drachen ist der Batman. Batman ist für mich der Inbegriff an Eleganz und Männlichkeit. Superman ist eine peinliche Erfindung aus Obergrafendorf. Superman ist ein Seitenscheitel. Batman ist Debreziner und Kraft. Mädchen um die 16 schälen sich endlos lange aus den kurzen Jeans. Man will sterben. Oder ein Sandkorn sein und zwischen ihren Zehen sich verstecken.

Oder Batman und Tsunami, geht auch. Batman rettet alle Mädchen in Jesolo. Dann essen sie alle gemeinsam Debreziner auf der Piazza Aurora. Die Mädchen reichen ihm Senf und Semmerl. Die Mädchen bewundern Batman, weil er so viele Debreziner essen kann, und versprechen beim nächsten Mal auch Ketchup mitzubringen. Batman sagt leise: „Das passt schon, es ist okay so.“ Jetzt steigt er in sein Batmobil, und eines der Mädchen beginnt leise zu weinen. Dann weinen alle. Überall Tränen und Senf und Pappteller.

Das Batmobil heult auf: „Roaaarrr!“ Dann Standgas: „Ötl, ötl, ötl, chr, chr, ötl, ötl.“ Nun beginnt eines der Mädchen zu leuchten, es ist schwanger, und ihr Bauch wächst ganz schnell. Batman sieht das gerade noch, er springt noch einmal aus seinem Batmobil, reißt das leuchtende Mädchen an sich, und sie fliegen mit dem Batmobil davon. Richtung Venedig. „Good prize!“ „Schatzi, gehst mit in den Swimmingpool?!“ „Ich … wah!“ „Der ist geheizt!“ „Per la donna!“ „Na geh.“ „Good prize!“ Es juckt mich am Kinn, und ich stecke mir meine Füllfeder eineinhalb Meter tief in mein Kinn. Das ist sehr angenehm.

Mädchen und Frauen. Vitello tonnato. Man glaubt nicht, dass das zusammengehört. Aber in der richtigen Mischung schmeckt das sehr gut. Meine Frau liegt jetzt mit leicht gespreizten Beinen frontal zur Sonne. Das schaut aus wie eine Sphinx auf Speed in Bad Schallerbach. Man hat auch Angst vor der nächsten Frage. Das liebe Strandcafé mit der lieben Signora ist noch ausständig. Ich sage: „Schau, Schatzi, die Frau da drüben ist irgendwie brauner als du.“ Meine Frau hört mich nicht, aber sie wippt so komisch mit den Zehen. Meine Frau hat Kondensstreifen und viele Gates. Man kann Tag und Nacht einchecken, und Handgepäck ist überall möglich. Meine Frau kennt den Tiber nicht, aber sie kann aus der Gölsen einen Tiber machen. Mit meiner Frau streiten, ist wie bei der Computertomographie schummeln wollen, man fühlt sich wehrlos und durchleuchtet.

„Costa poco! Nix teuer! Good prize!“ Uhren aus Gold und Diamanten. „Danke!“ Meine Frau ist alleine zum Swimmingpool, die Oben-Ohne-Frau links vor mir hat sich auf den Bauch gedreht. Vielleicht ist das Universum doch ein Regie-Theater. „Good…“ „Nein!“ Das Einzige, was ich aus Afrika brauche, sind Kokoskuppeln. Bananen gibt’s eh beim BILLA. Ein zart überwutzelter Leopardenbikini macht mich glücklich. Lange, dunkelblonde Haare bis zum Arsch. Ich denke an Käsekrainer, und es spritzt das Fett. Man sollte am Strand onanieren dürfen, als EU-Regelung sozusagen. Meine Frau kommt nass vom Swimmingpool und macht mit der Liege sehr laut „knacks!“ „Good prize!“ „Ah, Handtücher, sehr interessant, no, grazie, thank you, yes, holidays, from Austria, yes, yes, thank you, sänk ju!“

Übrigens: Sand hält besser, wenn man vorher Sonnenöl aufträgt. Seiten blättern von alleine um, wenn der Wind reinbläst. Dem Meer ist das alles egal. Es ist da. Und wellt. Die Liebe ist eine Welle, man kann sich von ihr tragen lassen. Wenn man aber während der Liebe die Liebe erklärt, hat man den Mund voll Salzwasser. Dann tut man so, als wär das lustig. So eine Welle hat ganz schön viel Kraft. Man weiß auch nie, wann die nächste kommt, aber man schreit: „Schau, da kommt eine! Ah nein, doch nicht, hat so ausgschaut.“ Im Meer glaube ich immer mehr zu wissen und wenn ich wieder draußen bin, habe ich alles vergessen. Dann rauche ich eine Zigarette und denke an den Badeanzug meiner Mutter aus dem Jahre 1974. Da waren wir in Jesolo.

Meine Mutter ist eine Mischung aus Mortadella, grünem Paprika und Renault 16. Ein Muttermal hat sie auch, am Oberschenkel, gleich neben der Mortadella. Der Renault 16 hatte eine Lenkradschaltung. Beim Schalten hat meine Mutter immer gesagt: „Man muss die Gänge ordentlich ausdrehen.“ Dann klappte sie ihre schönen Hände am Lenkrad auf und zu und zündete sich eine Zigarette an, eine DAMES. „Good prize!“ „Mama?“ „What?“ „Thank you.“ Die Afrikaner können nicht so komplex denken, außer sie spielen Basketball. Interessant wäre, wenn alle Präsidenten der Welt afrikanische Frauen wären. Vielleicht war das einmal so. Und dass der Batman die Situation dann irgendwie gestört hat. Wär möglich. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich habe aber auch Glück, weil links von mir liegt eine schwangere Frau mit einem ganz großen Busen. Man sollte nur am Strand über die Welt nachdenken, dass man es nicht übertreibt.

Auf meinem Schreibheft ist der Eiffelturm drauf. Das Heft ist aus POD BREGOM 8, 10255 D. STUPNIK, ZAGREB. In Paris haben sie den Eiffelturm, in Zagreb Schreibhefte und in Afrika Handtaschen, Uhren und Sonnenbrillen. Und Handtücher! Der Batman ist aus Bangladesh. Komisch, den hätte ich nach New York getan. „Ray Ban! Gucci! Prada! Good prize!“ „Danke, haben sie auch ein Zapferl von Ferrari?“ „What? Good prize!“ „Yes, no, thank you.“

Meine Frau raucht und röstet in der Sonne. Es nachmittagt und schenkelkratzt. Ich denke an Rosmarin und Grillhendl. Philosophen haben eine sehr einseitige Ernährung. Ich bin aber Dichter und esse auch Pommfritt. Für Dichter sind wichtig: Schmalz und Salz. Schmalz macht träge und verleitet zum Schreiben. Gemüse und Obst sind die Vertreibung aus dem Paradies. Preiselbeeren: geht. Salz braucht man für den Zorn. Ständig leichter Juckreiz ist von Vorteil – und ein merkwürdiges Ziehen in der Brust. „Willst jetzt ein Kipferl?“ „Nein, Schatzi, ich hab ja grad drei Brote gegessen.“ „Ja, aber die waren so klein.“ „Später vielleicht.“ „Na gut.“ Meine Frau.

Meine Frau ist so breit wie der Strand und so schwer wie die Sonne. Meine Frau hat Zehen wie ein elfjähriges Mädchen und die Hände einer Märchenfee. Wenn meine Frau lacht, leuchten zweiunddreißig 1000 Watt Scheinwerfer. Meine Frau hat schwarze Augen aus dem Mariannengraben. Meine Frau hat schwarze Haare und eine schwarze Seele. Meine Frau trägt ihr Herz offen. Meine Frau ist immer geil und immer gefährlich. Meine Frau ist schneller wütend, als sich ein Japaner verbeugt. Meine Frau hat immer ein paar Kekserl. Meine Frau kann zum unpassendsten Moment alles passend erklären. Meine Frau verkauft einem Eskimo Eiswürfel. Meine Frau macht mich so rasend, dass ich rase. Meine Frau macht mich so wahnsinnig, dass ich wahnsinnig werde. Meine Frau ist die schärfste Salami der Welt. Meine Frau hat in ihren Kniekehlen Bergepanzer versteckt. Meine Frau kann auch auf Gouda eifersüchtig sein. Meine Frau ist ein Gorgonzola Turbo Carrera. Meine Frau winkt den Bäumen, und sie winken zurück. Meine Frau wird von allen gegrüßt und wiedererkannt. Und alle wollen meine Frau umarmen. „Good prize!“ „Ja, allerdings.“ „What?“ „Thank you.“ „Magst du den Schluck Kaffee noch austrinken, Schatzi?“, sagt meine Frau. „Ja.“

Roul Starka

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