St. Pölten, Städtisches Sommerbad.

Bin jetzt in der Badehose vor dem Spiegel gestanden. Ich bin zu fett, es ist furchtbar. Ich geh erst in 20 Jahren wieder baden. Und bis dorthin sperr ich mich im Keller ein. Meine Frau ruft an: „Schatzi! Heute gehen wir ins Kaltbad, unbedingt, ich will ein paar Längen schwimmen, wird dir auch gut tun, ich komm gleich heim, mach heut schon früher Schluss!“ „Wah! Superidee! Eh so heiß. Na, da freu ich mich. Und wenn wir mit dem Hund zur Traisen gehen? Hm? Nein, du hast recht, da hat’s nichts davon, geeenau, viel zu heiß, in der Wohnung hat sie es schön kühl. Und wir zwei gehen ins Bad, so super! Bussi! Baba!“ „Baba!“

Bah. Na geh, heast. Des is doch, des, fah! Jo. Na jo. Fir fahren fins Fad, fön. Ta wasch hich mhich, ta wasch hich mhich, hna haklar. Wurscht. Puppi freut sich, Augen zu, durch. Na, da rauch ich noch, nein, da rauch ich keine mehr. Hie Hliegestütz, hie Hliegestütz, her Hoberkörper, hie Hüften. Äs äst zo schbääät. „Kimi, Kimischatzi! Gehen wir zwei zur Traisen, ja, sag amal, gehen wir zwei, das Herrli und die Kimi, ja na freilich, gehen wir zwei zur Traisen und tun das Frauli am Handy überraschen, hm?! Kimi? Kimmi! Kämmä!“ Der blöde Hund liegt im Bett und schläft. Sommerschlaf, sie wedelt so ein bissl. Sonst schlägt sie Saltos bei ‚Babagehen‘. Frauen. Fah he.

Meine Frau und ich sind im „Städtischen Sommerbad St. Pölten“. Sie müssen sich das als schräge Lateinschrift vorstellen. Mit viel Schwung! Es riecht nach Chlor, nach Coca Cola und nach Pommes mit Ketchup. Nasser Beton. Zwischen dem Kindergeschrei hört man tiefe Alkoholstimmen, die seit 400 Jahren Schach spielen und sich den Oberschenkel kratzen. „A-iii, a-ooo, a-äää, a-ööö, a-ooo, a-u-aaa.“ Darauf sagt der andere: „Iii-a-ooo, a-ööö.“ So in etwa klingt das.

Beim Eingang sitzt eine Krankenschwester, genau wie früher, so weiß gekleidet, hinter der Kassa. Da schaut man durch ein Loch brav rein und sagt: „S’gtt, a Tougeskoatn, bitte.“ „Nau, kennan’S Ihna scho a Hoibtoggs nemma, waradn’S jo bled!“ „Ah ja, na klar, na kloa, jo, na … issa kloa. Schatzi, Schatzä! Genügt uns ä a Hoibtoggs.“ „Geh weida, heast, und tua ned so deppert.“, sagt meine Frau. Wir sind drin, so drin, ganz drin.

Der Asphalt, der schwarze neben den Duschen. Auf uralten Tafeln steht schwarz auf weiß: Brausen für Männer, Brausen für Knaben, Brausen für Frauen, Brausen für Mädchen. „Schatzi, so schön!“, sag ich zu meiner schönen, kräftigen, selbstbewussten Frau. Ich Krampfer zieh den Bauch ein und höre auf zu atmen.

Dann werde ich fast so cool wie damals und spüre meinen angespannten Latissimus-Muskel, die Brust wölbt sich, Menschen kommen mir entgegen, es wird gegrüßt und gesprochen wie damals:

„Seawas.“ „Seawas.“

„Sass.“ „Sass.“

„Grüß Dich, servus.“ „Servus, Grüß Dich.“ Der Karli.

„Haaallo…“ „Haaallo…“ Das ist ja…

„Kumm, Schatzi.“, meine Frau.

„Seawas, griass di.“ „Griass di, seawas.“

Wir gehen weiter, meine Frau sagt: „Das war ja die, jo, kenn i vo friara, also er war der Dings, der war doch mit der, nein, also zuerst hat er mit der, jessas, die haben doch dieses behinderte Ki… nein, Blödsinn, was red ich, i waaß scho, das war der, den kennst ja eh, na sicher…“ Ich schau auf die Pingpongtische, gehe über Ängste und Waschbeton.

„San dä Brausn jez rebbariad?“, schenkelklatscht und schenkelkratzt der erste Bademeister zu einem die Beckenbrausen reparierenden Umbauarbeiter und dreht einen zirka zehn Kilogramm schweren Schlüsselbund klirrend ein Mal im Kreis.

Wie ein Zeitrad, so ähnlich.

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Roul Starka

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sisterect

sisterect bewertete diesen Eintrag 12.10.2016 16:25:34

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