Im Sommer 2015 durfte ich als Pilgerführerin eine Pilgerwallfahrt nach Rom begleiten. Ein junger Priester, der mit uns im Bus saß, begann jeden Morgen mit einer Andacht. Beim ersten Mal verdrehte ich innerlich die Augen, wurde jedoch bald eines besseren belehrt.

Mit einem klaren und einfachen Gebet erbat er für den "heutigen" Tag Schutz. Am Ende des Tages bedankte er sich für diesen vergangenen Tag und gab ihn an Gott zurück. Dieses schlichte Ritual hinterließ einen tiefen Eindruck in mir.

In fast allen Kulturen wurde der Tagesbeginn und das Ende in Form von Ritualen zelebriert.Rituale, die ein wichtiger Anteil unseres Menschseins sind,gehen in unserer Konsumgesellschaft zunehmend verloren. Selbst für ein ruhiges Frühstück bleibt keine Zeit.

Die Dämmerung wird bei Naturvölkern als heilige Stunde verehrt. In buddhistischen Klöstern Japans und Tibets reinigen die Mönche zuerst ihren Meditationsplatz, bevor sie den Tag mit ihrer Meditation beginnen.

Die Rückschau am Ende des Tages dient zu Reflexion und kann uns vieles lehren.Vor allem Dankbarkeit. Eine weise Frau, die mit 80 Jahren noch immer voller Energie und Tatendrang ist, antwortete auf die Frage, was ihr Geheimrezept für ihre Energie sei: "Mein magischer Kalender". Sie hat sich vor langer Zeit einen Kalender angefertigt, in dem an jedem Tag des Jahres ein positives Ereignis, das irgendwo auf der Welt stattgefunden hat, verzeichnet ist. Bevor sie den Tag beginnt, schaut sie in ihren magischen Kalender.

Auch wir können uns einen magischen Kalender anlegen.

Nach dieser Romreise beginne ich jeden Morgen mit meinem ganz persönlichen Morgenritual.Ich begrüße ganz bewusst den „heutigen“ Tag und gehe einige Minuten in die Stille, atme bewusst und tief den neuen Tag ein. Dieses Ritual schließe ich mit folgendem Satz ab:

„Ich schicke in diesen kommenden Tag Freude und Friede voraus. Freude und Friede erwarten mich, wohin ich heute komme“.

Abends vor dem Einschlafen lasse ich den vergangenen Tag Revue‘ passieren. Schaue mir noch einmal an, was ich alles erlebt habe. Das Schöne, aber auch das Lehrreiche. Ich bedanke mich für den Tag und gebe ihn an Gott zurück.

Dieses Ritual hat eine wundersame und heilende Wirkung auf mich. Es befreit von Ängsten und Sorgen, es macht mir bewusst, dass jeder Tag eine neue Chance ist. Es lässt mir das „Heute“ als Geschenk erfahren.

Leider wird das Wort „Heute“, durch Begriffe wie: „Jetzt“, „Hier und Jetzt“, „im Jetzt leben“ ersetzt. Doch ist dies für mich nicht dasselbe. Im „Jetzt“ bin ich zu sehr auf mich konzentriert. Das „Jetzt“ schmeichelt vor allem das Ego. Das „Jetzt“ lenkt vom Du ab, weil es viel zu sehr mit dem Ich beschäftigt ist.

Deshalb ist mein Wort das "Heute". Im „Heute“ habe ich immer wieder die Chance etwas zu verändern und anders zu gestalten. Kann ich etwas (wieder)gut machen. Im „Heute“ gelingt es, das Leben besser zu spüren, weil man es im Kontext erlebt werden kann. Das „Jetzt“ ist auf Genuss aus, auf größtmöglichen Lustgewinn. Im „Heute“ hingegen, sehe ich mich als Teil eines großen Ganzen.

Aus dem Herzen heraus leben heißt, im Einklang mit allem, was uns umgibt, leben.

„Heute blühte in mir ein Zweig der Hoffnung auf. Heute, als du mir sagtest, wie sehr du mich liebst. Heute kehrte für mich der Frühling zurück“ (Annegret Kronenberg)

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.02.2016 15:49:24

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