Unterwegs mit meinem Bruder Peter auf der Rota Vicentina im Südwesten Portugals

Kurz und Wissenswert

Die Rota Vicentina ist ein Netz von Wanderwegen im Südwesten Portugals. Der Fischerpfad führt über 120 km in 5 Etappen entlang der Küste, der Historische Weg über 230 km in 12 Etappen durch das Landesinnere. Die Wege sind ausgezeichnet markiert.

Der Historische Weg wurde 2016 von der Europäischen Weitwandervereinigung zum Leading Quality Trial – Best of Europe ausgezeichnet und darf sich seither zum exklusiven Kreis der besten Weitwanderwege Europas zählen.

Ein Auszug aus der Philosophie des Vereins der Rota Vicentina

„Mit dem Bewusstsein, dass es sich bei dieser Region um eines der letzten und gefährdeten Wildgebiete der südeuropäischen Küste handelt, sind Unternehmer, Institutionen und Bevölkerung fest entschlossen, ihre Einzigartigkeit zu erhalten und sich dafür auch einzusetzen. Es motiviert, zu einer Entwicklung beizutragen, die sich an den naturgegebenen und kulturellen Werten orientiert. Eine solche Entwicklung sichert den ganzjährigen Betrieb kleiner lokaler Geschäfte und öffnet Menschen aus aller Welt den Zugang zu einer lebendigen, ursprünglichen Lebensform mit ausgeprägtem Charakter.“

Reiseverlauf

Flug: Wien Lissabon mit TAP Airlines, Weiterfahrt am selben Tag mit dem öffentlichen Bus von Lissabon nach Porto Covo

Wanderstrecke

1. Tag: Porto Covo nach Cercal do Alentejo 18 km

2. Tag: Cercal do Alentejo nach S.Luis 21 km

3. Tag: S. Luis nach Odemira 25 km

4. Tag: Odemira nach S. Teotonio 19 km

5. Tag: S. Teotonio nach Odeceixe 17 km

Unsere Wanderung führte zu 98 % auf Naturwegen und Waldpfaden.

Die Anreise in Schlagzeilen

Verspätung TAP.Ankunft viel zu spät in Lissabon-Airport.Zu langes Warten auf das Gepäck. Die Schlange am Taxistand machte uns sofort klar: „Das schaffen wir nie und nimmer“. Da kam uns das Insiderwissen von Peter, der schon öfters in Lissabon war, zu Hilfe. Wir schummelten uns durch das Flughafengebäude zur Abflughalle durch und schnappten uns das erste ankommende Taxi. Mit einem Höllentempo rasten wir durch die Stadt zur Wohnung. Dem Taxifahrer schien das einen Mordsspaß zu machen, denn er überschritt jede Geschwindigkeitsbegrenzung und hupte sich durch. Vor dem Haus wartete schon die von mir per SMS informierte Vermieterin, der wir unsere beiden Köfferchen überließen,um mit halsbrecherischem Tempo zum Busbahnhof weiterzufahren. Rushhour! Unser Taxler schlängelte sich hupend durch den Abendverkehr und wir schafften es rechtzeitig, kurz vor der Abfahrt des letzten Busses. Es folgten entspannte drei Stunden Fahrt nach Porto Covo, wo wir um 22 Uhr im Hostal Ahoy einlangten. Der Besitzer Nicolau empfing uns mit einem herzlichen „No Stress“.

Ab sofort No Stress

Bild: Porto Covo

Bom dia: Gemütlich frühstückten wir am ersten Morgen unserer Trekkingtour in einem Cafe‘. Der Espresso kostete 90 Cent und dieser erfreuliche Umstand an niedrigen Preisen, begleitete uns in den nächsten fünf Tagen.

Die ersten fünf Kilometer wanderten wir auf dem Fischerpfad, entlang der Atlantikküste. Die Sonne und der Wind, die Meeresbrandung, die Flora und die bizarren Ausformungen der Küste, das Geschrei der Möwen und der Duft der Kräuter verschlug uns die Sprache. Es war berauschend.

Beim Kastell drehten wir dem Atlantik und dem Fischerpfad den Rücken zu, um auf dem Historischen Weg weiterzuwandern. Zum Abschied noch ein Glas Weißwein auf der Terrasse einer Strandbar.

Überhaupt hatte es uns der Portugiesische Weißwein angetan, der meist aus Plastikflaschen ausgeschenkt, überraschend frisch und leicht war und gut schmeckte.

Auch war uns bald klar, warum die Rota Vicentina zu den schönsten Weiterwanderwegen Europas gehört. Die Landschaft, die wir durchwanderten war weitgehend unberührt. Hauptsächlich genutzt für Schaf- und Ziegenweiden. Die Orangenbäume trugen schwer an den schon überreifen Orangen. Ein unvergleichlicher Genuss, frische Orangen direkt vom Baum zu essen. Tief beeindruckten uns die majestätischen Korkeichen. Dunkle riesige Bäume, manche in der Größe eines Einfamilienhauses, die eine ganz besonders friedliche Stimmung ausstrahlten. Ein riesiger Kamelienbaum in voller Blüte erwartete uns am Ortseingang von Cercal do Alentejo.

Ein traumhafter erster Wandertag lag hinter uns. Boa noite.

An den nächsten Tagen führten die Wege sanft auf und ab über Hochebenen, von denen wir immer wieder das Meer erblicken konnten, entlang von Wiesen und auf Wegen, die gesäumt waren von einer Vielfalt an Kräutern, Blumen und Wildsträuchern. Jeder Tag hatte eine andere schöne landschaftliche Überraschung bereit.

Wichtiger Hinweis

Bei Regenfällen kann es durchaus vorkommen, dass die Flüsse Hochwasser führen. Mangels Brücken wird eine Durchquerung zur echten Herausforderung und es kann vorkommen, dass man bei der Durchquerung bis zum Bauch im Wasser ist. Doch wir hatten Glück, es nieselte nur einmal einen halben Tag lang und wir konnten trockenen Fußes die Flüsse durchqueren. Wir begegneten kaum Menschen. Einzig das Zwitschern der Vögel begleiteten uns und ab- und zu sahen wir verfallene Anwesen und verlassene kleine Dörfer und immer wieder Ziegen- und Schafherden.

Die Architektur der Ortschaften präsentierte sich aus schmalen und niedrigen, eng aneinandergebauten Häusern, die alle gut renoviert aussahen. Eine Hauptstraße führte in die Ortsmitte mit der Kirche, kleinen Geschäften und Bars.

Nicht schön waren vereinzelte Wegstrecken durch Eukalyptuswälder. Wo ein Eukalyptuswald ist, da ist alles tot. In einem Eukalyptuswald wächst nichts anderes mehr und man spürt keinerlei Leben. Eine bedrückende Stimmung. Zweimal mussten wir über einen Berg, wo man diese Eukalyptuskulturen rodete. LKW‘s, Bagger und anderes schweres Gerät zerstörten alles. Wir merkten regelrecht, wie uns die Kraft rausgesaugt wurde. Unser Vermieter am Abend sagte uns, dass man Brandschneisen zum Schutz der Orte bauen muss und erinnerte uns an die verheerenden Waldbrände 2017 mit vielen Toten. Eukalyptus brennt wie Zunder und es gibt bereits Initiativen zur Aufforstung von Korkeichen, die den Bränden besser widerstehen.

Can i help you

Die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Menschen begeisterten uns. Wenn wir in einem Ort suchend herumschauten, kam sofort ein freundliches „Can i help you“? Abends, wenn wir unser Ziel erreicht hatten, war unser erste Weg in eine Bar zu unserem verdienten Weißwein, natürlich aus der Plastikflasche, dazu Erdnüsse.

Saures und Salziges bringt den Elektrolythaushalt wieder ins Gleichgewicht.

Unsere Quartiere haben wir im Voraus über Booking.com gebucht, was ich sehr empfehlen kann, denn Unterkünfte sind eher spärlich in den kleineren Orten. Über die Homepage der Rota Vicentina kann man außerdem Quartiere vorreservieren.

So früh im Jahr kann es sein, dass man zu den ersten Gästen gehört, was mit sich bringt, dass die Quartiere kalt und feucht sein können.

Unsere waren es ausnahmslos. Die Lösung stellte für den Architekten und der Baubiologin keine große Herausforderung dar: Abwechselnd heizen und lüften. Sich erwärmende Luft nimmt eine große Menge Flüssigkeit auf, die dann über das Stoßlüften abtransportiert wird. Also hieß es, wollten wir nicht in kaltfeuchten Betten schlafen, bei der Ankunft zunächst aus allen Rohren abwechselnd heizen (mit der Klimaanlage und mitunter auch mit Föhn) und stoßlüften. Nach einer Stunde waren die Zimmer und die Bettwäsche einigermaßen trocken. Das beste Quartier und ein üppiges Frühstücksbuffet fanden wir in S. Luis, zwei Kilometer außerhalb des Ortes vor. Der Besitzer vom Monte Pedras holte uns mit dem Auto von der Bar im Ortszentrum ab. Bis auf ein Norddeutsches Pärchen, Ole und Anna, begegneten uns keine anderen Wanderer auf dem Historischen Weg. Die meisten Wanderer,vorwiegend junge Menschen, gehen den, an der Atlantikküste entlangführenden Fischerpfad.

Die Städtchen Odemira und Odeceixe sind die Höhepunkte der Wanderung. In Odemira befindet sich das Büro der Rota Vicentina und hat neben einer bezaubernden Innenstadt auch großartige Gastronomie zu bieten. Das Hostal WOW Alentejo im Stadtzentrum von Odemira ist das ideale Quartier für Wanderer. Liebevoll eingerichtet und sehr zweckmäßig ausgestattet. Mit Küche, Waschmaschine und Wäschetrockner.

Der letzte Tag führte uns wieder durch abwechslungsreiche Landschaften und in Odeceixe war unser Weg leider zu Ende. Wir waren wieder an der Atlantikküste angekommen.

Beeindruckende Bilder am Strand von Odeceixe. Der Schönste, den ich je gesehen hatte.

Das Hotel Casa Antiga verfügt über eine gute Küche, jedoch lohnt es sich in Richtung Leuchtturm zu wandern, wo ein weiteres hervorragendes Restaurant zu finden ist.

Die Rückfahrt gestaltete sich äußerst angenehm. Von Odeceixe fährt um ca. 9 Uhr Vormittag ein Bus nach Lissabon am Ortseingang ab. Tickets unbedingt vorher im Ortszentrum kaufen.

www.rotavicentina.com

Weitere Wander- und Reisegeschichten unter:

http://www.mutkompetenz.at/category/rucksackgeschichten/

Fotos: Peter und Ingeborg Hofbauer

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