Ich hatte einmal einen Onkel, zufällig hieß er Karl. Er war der Onkel Karl und er war ein verschlagenes, bösartiges Nazimanderl. Er war einer von der Sorte, die die eigene Arbeit lobte und fand, dass er ungemein fleißig und selbstlos war, er nannte das immer idealistisch. Er sei idealistisch und nicht egoistisch, sagte er immer. Er war einer, der immer meinte, das zu sagen, was man ja heute nicht mehr sagen darf. Eigentlich sagte er dauernd Dinge, von denen er gleichzeitig immer behauptete, man dürfe sie nicht sagen. Dabei hatte er so einen leicht trotzigen und hinterlistigen Blick. Er dachte jedoch, er blickte schlau und verschwörerisch. Die Dinge waren immer die Gleichen, die alte Nazimanderl so von sich gaben. Hitler sei von den Juden in den Krieg gezwungen worden, wobei er offen ließ, ob er die kapitalistischen Juden in Amerika oder die kommunistischen boschewikischen Juden meinte. Es war ihm wahrscheinlich egal, Hauptsache Juden. Von Israel sprach er, wenn überhaupt, von Palästina, mit ganz besonders schlauem Gesicht. Eher hätte er sich einen Knopf in die Zunge gemacht als den den Namen Israel auszusprechen.
Nun ist Günther Grass gestorben und meine Trauer hält sich in Grenzen, wie auch damals bei meinem Onkel. Grass war noch ein bisschen schlauer, er war Sozialist nach dem Krieg, das National hat er einfach weggelassen. Ich hab nichts von ihm gelesen, hab nur die Blechtrommel gesehen, wie wir alle damals, und natürlich hab ich gefunden, dass es ein sehr guter Film war. Heimlich hab ich ihn abstoßend gefunden. Grass der Sozialist ist dann im hohen Alter draufgekommen oder hat es aus ihm herausgedrängt, sich zu outen, der Welt zu offenbaren, dass er sich als Junger freiwillig zur SS gemeldet hat. War es Mut, Übermut, Ehrlichkeit oder Überheblichkeit? Ich glaub es war das selbe wie bei meinem Onkel, er war es, er wollte sich nicht mehr verstecken und verstellen, er musst raus mit der Wahrheit. Ganz durchgezogen hat er es ja dann doch nicht, mit seinem Anti-Israelgedicht war er dann endgültig beim Niveau meines Onkels angekommen. Man wird ja wohl noch sagen dürfen, ich sag jetzt was, mit meiner letzten Tinte, was man ja eigentlich nicht sagen darf, trotzdem trau ich mich, einer muss es ja tun.......lächelte verschwörerisch und schau........
So ist es. Ein großer deutscher Intellektueller, ein Nobelpreisträger sieht den Weltfrieden bedroht, nicht etwa von einem Regime im Iran, wo faschistoide Mullahs alle Wochen laut und deutlich ankündigen das zionistische Krebsgeschwür zu vernichten, nicht vom Bürgerkrieg in Syrien, nicht von der weltweiten Bewegung des Jihadismus, nein, in Israel hat er den Feind, den Bedroher des Weltfriedens erkannt. Ich weiß gar nicht, hat er Israel oder Palästina gesagt oder geschrieben?
So war er zuguterletzt doch noch ein authentischer Mensch.......oder schon senil?