"Juden raus nach Palästina" (1937)
"Juden raus aus Palästina" (2016)
Da sage mal einer, der Antisemitismus ginge nicht mit der Zeit...*
Grosser Auftritt des scheidenden US-Aussenministers. Wenig verwunderlich bei solchen "letzten Worten" sehr emotional.
Mr. Kerry sorgt sich um den Frieden im Nahen Osten. Klingt gut. Aber welchen Frieden, und wo, meint er damit? Was hat all das, was in diesem Nahen Osten die letzten 5 Jahre geschieht, mit ein paar Häusern mehr oder weniger in Ost-Jerusalem zu tun? Und woher die Obsession, dass ein zu entstehender Staat "Palästina" von vornherein ethnisch homogen sein müsse... oder er könne gar nicht sein?
Werfen wir hierzu einen Blick ins Wohnzimmer des "üblichen Verdächtigen", wenn die Welt auf der Suche nach dem Verantwortlichen für den Unfrieden in der Region ist, nach Israel.
20% der Israelis sind arabischer Abstammung. Die immer wieder behauptete Intention und Praxis eines "ethnic cleansings" im Verlauf des Unabhängigkeitskrieges (den n i c h t Israel angezettelt hatte) kann also nur sehr, sehr "nachlässig" umgesetzt worden sein. Was nicht heißt, dass es in der Realität dieses Krieges a priori keine Übergriffe gegeben hätte.
Aber: Wenn das Prinzip der ethnischen Säuberung erfolgreich und stringent umgesetzt wurde, dann in den arabischen Staaten: Von Marokko bis in den Irak (mithin Länder, die keinerlei Grenzprobleme mit dem neu entsehenden Staat Israel hatten) mussten die dort seit mehr als tausend Jahre ansässigen jüdischen Gemeinden `48 bis Anfang der `50er verschwinden. Die meisten davon gingen nach Israel, viele allerdings auch in die USA oder Europa, dort vornehmlich Frankreich (Dazu: Isabelle Azoulay: DeGaulle und ich, siehe unten). Entschädigungslos, von einem Rückkehrrecht war nie die Rede.
Auf Seiten Israels schon: Im Laufe des Versuchs der Konfliktlösung hatte die isarelische Regierung das Angebot finanzieller Kompensationen und eines begrenzten Rechts auf Rückkehr auf den Verhandlungstisch gelegt. Im Zuge des arabischen "Alles oder Nichts" wurde dies dann von selbigem herunter gewischt.
Die Verbindung von jüdischem Glauben und jüdischer Identität zu trennen, ist kaum möglich. Auch für säkulare Juden ist die Frage nach dem "Ich" grundiert mit religiöser Konnotation. Trotzdem, und nicht aus Zufall, lautet die korrekte Antwort auf die Frage nach der Staatsreligion Israels(welches sich als von vornherein säkular versteht): Keine. Natürlich ist das Leben für religiöse Minderheiten in einem Staat, der sich als jüdisch definiert, nicht a priori leicht. Aber es ist nicht zu bestreiten, dass es in Israel das grundsätzliche Recht und die Möglichkeit freier und von staatlicher Seite ungehinderter Religionsausübung gibt. Die Verwaltung des Tempelbergs mit der Al-Aqsa-Moschee blieb auch nach der Eroberung von Ost-Jerusalem 1967 in muslimischer Hand. Der Zugang dazu ist Juden mit religiösen Intentionen verboten. Von israelischer Seite.
Vorher sah das anders aus: Im Unabhängigkeitskrieg konnten die israelischen Kämpfer das jüdische Viertel von Jerusalem und die Klagemauer nicht einnehmen/halten...für die nächsten 20 Jahre kamen beide unter jordanische Herrschaft. Ziemlich bald wurden so gut wie alle Synagogen dort geschleift, von einem freien Zugang zur Klagemauer als wichtigstem Bezugspunkt der jüdischen Religion war nicht mal die Rede: "Für Juden geschlossen". Das stand zwar in allen Vereinbarungen zum Waffenstillstand nach `48 anders drin...es hat aber, gerade auf Seiten der Weltgemeinschaft, nie jemanden gestört.
Deren Gewissen wurde bekanntlich erst nach `67 rege:
-- Für deGaulle war der israelische Sieg der willkommene Anlass, in der französischen Nahost-Politik umsteuern zu können und sich ab da zum Vertreter der arabischen Sache in Szene zu setzen. Mit recht unguten Folgen: Auch und gerade von solchen "Helfern" der arabisch/palästinensischen Seite wurde die von seiten Mosche Dayans formulierte Intention "Land für Frieden"(was im Falle Ägyptens ja funktioniert hat: Für einen - wenn auch kalten - Frieden hat Israel den Sinai geräumt...und sich damit aus über 90% der `67 eroberten Gebiete zurückgezogen) torpediert...indem sie deren "Alles oder Nichts"-Standpunkt stärkten.
-- Die UN als Ausdruck dieses "Weltgewissens" überbietet sich seitdem mit Verurteilungen Israels. Jüngstes Beispiel: Nach dem jämmerlichen Versagen des UN-Sicherheitsrats in Sachen "Syrien" findet der qua einstimmiger Verurteilung Israels, kurz vor Weihnachten, zu alter Stärke zurück(siehe auch: https://www.fischundfleisch.com/rully/die-leiche-lebt-29750)
-- Und jetzt besagtes "Abschiedsgeschenk" Kerrys an Israel und die Palästinenser:
"Haltet ein (zukünftiges) Palästina judenrein!"
Ist die Intention solcher Forderungen tatsächlich der Frieden?
*: Dazu Amos Oz:
"Vor fünfzig Jahren war ganz Europa mit Graffiti überzogen, in denen es in allen Sprachen hieß: Juden, geht nach Palästina. Heute steht überall: Juden, raus aus Palästina. Dasselbe Europa. Was vermutlich bedeutet, dass wir nirgendwo erwünscht sind, weder dort noch hier. Das ist eine ernüchternde Lektion."
http://www.zeit.de/2003/04/Interview_Oz
PS: Nocheinmal:
Über die Siedlungspolitik Israels kann man sehr geteilter Meinung sein. Sogar eine Mehrheit der Israelis würde einen Rückzug aus den umstrittenen Gebieten befürworten. Die grosse Frage ist nur das "Wie"; zumal nach den Erfahrungen von Gaza, wo man sich ja auch schlicht zurückgezogen hatte...und dafür mit Liebesgrüssen aus Hamastan bedacht wurde und wird. Vom Wohl, besser Weh` der dortigen Bevölkerung ganz zu schweigen.
Die israelische Siedlungspolitik hat zudem viele Facetten:
Ost-Jerusalem, mit dem jüdischen Viertel und der Klagemauer haben einen anderen Stellenwert als irgendein Out-post im Westjordanland(auch wenn die UNESCO letztens ja "festgestellt" hat, dass es am Tempelberg auuschliesslich ein muslimisches Interesse gäbe...). Dies alles aber über den gleichen Kamm zu scheren und dieses - letztlich - Detail des Gesamtkonflikts zum Grundproblem hochzujazzen...für was steht das?
Empfehlung:
Isabelle Azoulay: »De Gaulle und ich« Eine Geschichte aus Casablanca, 192 S., Elfenbein Verlag
"Über das Buch:
Marokko in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts: Marcel erinnert sich an seine Kindheit in Casablanca. Er erzählt aber nicht nur die Geschichte eines Jungen, der dabei ist, sich von seiner Familie zu lösen, und mit den Tücken des Erwachsenwerdens zurechtkommen muss. Er erzählt auch die Geschichte einer jüdischen Familie in permanenter Aufbruchstimmung: Während die Großeltern noch ganz im Mellah, dem alten jüdischen Viertel der Stadt, verwurzelt sind, leben die Eltern im Geiste bereits im ersehnten Frankreich, und die ältere Schwester bricht schon auf ins Gelobte Land. Und schließlich erzählt er von den letzten Minuten des marokkanischen Judentums vor dessen Exodus: Die überwältigende Mehrheit der zweihunderttausend Juden Marokkos wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Israel aus; diejenigen jedoch, die ein bürgerliches Leben anstrebten, gingen – wenn nicht nach Amerika – nach Frankreich, zu »ihrem« Charles de Gaulle."
Und, als teaser, Leseprobe:
Einmal brachte Alia(die Schwester des Ich-Erzählers) ihn(Pierre, ihren Schwarm) mit nach Hause – mit anderen zusammen natürlich. Meine Mutter fragte ihn schlicht: "Was bist du?"
"Mormone."
Diese Antwort machte alle perplex. Mormone. Das hatte man noch nie gehört. Da keiner wusste, was das bedeutete, blieb jeder Kommentar im Halse stecken.
"Mormone oder nicht Mormone – ist mir egal", verkündete meine Mutter. "Wenn er Jude ist, ist es mir egal."