Vor 14 Tagen erhielt Carolin Emcke den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Belobigt wurde damit ihr Buch "Gegen den Hass", auflagenträchtig (immerhin war es ja der Preis des Buchhandels) und "korrekt": Rassimus allerorten, "kalter" und "heisser" Hass als dessen Resultat, jeden Tag als "hate-speech" nachzuweisen.
"Wutbürger" als Inbegriff einer Gattung, die sich durch ungehemmtes Ausleben ihres Ressentiments endgültig von der Realität verabschiedet hat. Verortet, vorhersehbar und wenig überraschend, "rechts". Wir erinnern uns an die ikonischen Bilder vom Galgen für Merkel und Gabriel. Tatsächlich widerlich.
Jetzt aber, wo der Ausgang der US-Wahlen das "milieu-juste" derart kalt erwischt hat, artikuliert es seine Enttäuschung, sein "I hate Trump" durchaus auch "tatkräftig" auf der Strasse. Nun ist man im Englischen/Amerikanischen schnell dabei mit "I hate this or that", aber wenn in New Orleans eine Trump-Puppe unter dem Gejohle der Mitdemonstranten abgefackelt wird, dann erhält "hate" durchaus seine eigentliche Bedeutung.
"Wutbürger" also tatsächlich nur auf der "richtigen", also der rechten Seite? Oder heiligt die zugrundeliegende "gute" Gesinnung die Mittel?
In der Tat feiert der Hass seit Jahren schon fröhliche Urständ. Und es gibt jemanden, der ein profundes Buch mit dem gleichlautenden Titel über "Hass" geschrieben:
Andre Glucksmann war`s, der sich mit der "Rückkehr einer elementaren Gewalt" auseinandersetzte.
Antiamerikanismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit sind für ihn "3 Seiten der gleichen Münze" und das, was (zu)vielen in der heutigen Welt den "Lebenssinn" stiftet: "Ich hasse, also bin ich".
Der Unterschied zum Essay von Emcke: Hass ist nicht das "Privileg" der Ecke in der politischen Landschaft, die man nicht mag. Das unseelige "Kleeblatt" lässt sich, die "3 Seiten der gleichen Münze" lassen sich (mindestens) im rechten wie im linken Lager nachweisen. Gerade für den Antiamerikanismus sind diese Tage der traurige Nachweis -- das "gute" Deutschland erhebt sich in moralischer Überheblichkeit über die doofen Amis. Das nächste Mal wählen am besten die Deutschen für die Yanks, dann wird`s sicher richtig...
-- Dass "America" an so ziemlich jedem Übel auf dieser Welt irgendwie schuld ist, darüber sind sich rechts und links durchaus einig.
-- Über den verderbenden Einfluss des Juden ww. Israels sowieso.
-- Und ob die Frau als Reproduktionmaschine nun an den Herd oder unter den Schleier gehört (gerade von linker Seite akzeptiert man den Araber, fälschlicherweise unter "der Muslim" subsummiert, nur in seiner reaktionärsten Variante -- denn nur so ist er authentisch und glaubhafter Verbündeter gegen den Imperialismus und Zionismus), das ist letztlich nur ein marginaler Unterschied.
So ist es wenig verwunderlich, dass sich eben rechts und links in der Querfront vereinigen, solange es nur gegen den "richtigen" Gegner geht.
Bei der Gegenüberstellung der beiden Büchern geht es nicht nur um den Unterschied zwischen einer profunden Analyse und dem letztlich läppischen, wohlfeilen "Outcry". Bemerkenswert ist der Hintergrund der ehrlichen Selbstanalyse im französischen intellektuellen jüdischen Milieu: Glucksmanns Freund Alain Finkielkraut hatte in "Der eingebildete Jude" die erstmal naheliegende, bequeme, auf den Leib geschneiderte Rolle als "ewiges Opfer" für sich und seine community herausgearbeitet und für alle Zukunft abgelehnt. Also keine Teilnahme an der Rallye um die meist beachtete Opferrolle.
Frau Emcke hingegen inszeniert sich nach der Preisverleihung in ihrer Dankesrede, mit „Feldgottesdienst der Zivilgesellschaft“ (Thomas Schmid) trefflich beschrieben, in der doppelten Opferrolle: als Lesbe und Journalistin.
Quelle difference.....
Empfehlung:
Andre Glucksmann: Hass. Die Rückkehr einer elementaren Gewalt. 286 S. Nagel & Kimche