Reise(n) nach Jerusalem

Wir haben einen neuen Aussenminister.

Der bisherige Aussenmeier wird zum Präsidenten befördert, der neue, von der Last der möglichen Kanzlerkandidatur befreit, rückt nach. Den Job des Letzteren wiederum hat derweil der übernommen, der nach dem Wechsel auf dem Stuhl des EU-Parlamentspräsidenten "über" war. Also keine "Reise nach Jerusalem" -- sondern für jeden einen gutdotierten Sessel.

Anlass für einen kurzen Blick auf die Bilanz des bisherigen Aussenmeiers: Wortreiches Makeln in der Krim-Krise genauso wie in Syrien. Beides gleichermassen "erfolgreich". Letzteres kulminierte in kaum verdeckter Kumpanei mit Putin: Während dessen Luftwaffe zielgerichtet Krankenhäuser und Hilfskonvois bombardierte, schwadronierte der "ehrliche Makler" vom Wiederaufbau Aleppos an der Seite Russlands. Will heissen: wenn dessen Zerstörungswerk dort vollbracht sei. Dafür gab`s sogar die "Ehre", beim Putin-Funk "RT" in diesem Sinne gesondert zitiert zu werden (1).

Von diesen "Erfolgen" abgesehen, hat sich Steinmeier vor allem durch das Mit-Einfädeln des dubiosen Iran-Deals in die Geschichtsbücher eingeschrieben. Für die windelweiche Zusage* eines 10-jährigen Moratoriums wurde den Mullahs in Teheran das lang ersehnte Geschenk gemacht: die Aufhebung der Sanktionen. Dass der Iran seitdem in vollem Verstoss gegen die Abmachung mehrmals ballistische Raketen (mit der aparten Aufschrift "Israel muss ausgelöscht werden";), natürlich atomwaffentauglich, testete, tat der Freude keinen Abbruch. Ebensowenig die unverhohlen weitergehenden Vernichtungsdrohungen an die Adresse des "zionistischen Gebildes". Und seitdem wird iranisches Öl en masse auf den Markt geworfen, um die Kassen zu füllen.

Mit gutem Erfolg, wie man angesichts der massiven Intervention von Iran im Irak und (nicht nur) mittels Hisbollah in Syrien "bewundern" kann.

Dies alles, wie ein Steinmeier schwadronierte, als "Freund Israels" zum Wohle Israels. Blöd nur, dass Israel das bis heute nicht verstehen will. Der dumme Netanyahu halt...

Der allerdings muss sich angesichts einer dann tatsächlichen "Reise nach Jerusalem" nicht allzuviele Gedanken über oder gar Hoffnungen auf den Nachfolger eines Steinmeier machen:

-- So, wie der mit "Tips" aufwartete -- die man sich keinem anderen Staat gegenüber erlaubt hätte -- der Rede von "ein jüdisches, demokratisches Israel" nach der beschworenen 2-Staaten-Lösung **...ganz so, als sei Israel bislang nicht demokratisch,

-- so hat der "Neue", natürlich auch selbsterklärter "Freund Israels", selbiges schonmal des Apartheid-Regimes geziehen(2).

-- Und auch der 3. im Bunde, der, falls es mit Kanzler-Werden nicht klappen sollte, dann vielleicht neuer Aussenschulz werden könnte, haut in die gleiche Kerbe, vgl. seine skandalösen Einlassungen bei seiner Rede vor der Knesset: angebliche 17 Liter Wasserverbrauch auf palästinensischer Seite vs. "vollem Rohr" auf israelischer Seite mit angeblichen 70 Litern(4).

Alles mithin "wahre Freunde" Israels, und in ehrlicher Sorge um selbiges emsig bemüht, die Lügen und Aktivitäten seiner Feinde zu verbreiten und zu unterstützen.

Wie aber kommt es zu dieser "besonderen Aufmerksamkeit" und der ungefragten "Hinwendung" zu Israel? Man könnte doch meinen, dass die schlimme Geschichte zu selbstauferlegter Zurückhaltung in Sachen Urteil oder gar Verurteilung gegenüber dem gebieten würde, was mit das Ergebnis deutschen Vernichtungswahns ist: Israel, als dem "bewaffneten Asyl gegen das Pogrom".

Weit gefehlt: es ist gerade die angebliche, weltweit gefeierte besondere Erinnerungskultur, die zu diesem grotesken Ergebnis führt: während das "gute Deutschland" dank ständiger moralischer Selbsterforschung stets frisch geläutert aus der schlimmen Geschichte hervorgeht, lässt das staatliche Pendant auf jüdischer Seite doch sehr zu wünschen übrig...Das dergestalt purgierte Deutschland, die Nachkommen der Täter also als eifersüchtige*** Bewährungshelfer für Israel, dem Land der Nachkommen der Opfer.

Denn, sehr schade: "Der Jude hat aus Auschwitz nichts gelernt" (5, 6) und ist leider sichtlich unbeeindruckt aus der "Besserungsanstalt" hervorgegangen. Zum "moralischen Patt", also 1:1 im Sinne von "Die Israelis treiben es heute mit den Palästinensern (mindestens) genauso schlimm wie damals die Nazis mit den Juden" ist es da nicht mehr weit.

Deswegen ist der Gedenktag am heutigen 27. Januar anlässlich der Befreiung von Auschwitz wichtig und richtig.

Aber: er darf nicht zum Alibi eines dann umso unverdrosseneren Israel-bashings im Sinne von "toter Jude hui, lebender Jude pfui" verkommen.

Denn das wäre der Ausdruck von -- was wohl?

PS: Wem das "toter Jude vs. lebendiger Jude" zu grell erscheint, der sei nochmal zu einem kurzen Gedankenspaziergang eingeladen:

Man sehe dem Autor die Unverfrorenheit nach, dazu eine d e r Ikonen deutschen Erinnerns heranzuziehen:

Anne Frank. Gelesen, besprochen, gesehen.

Welche Aufmerksamkeit würde ihr in eben diesem „neuen“ Deutschland zuteil, wenn sie die Shoa überlebt hätte, nach Israel emigriert wäre, und dort, hochbetagt, nach ihrer "Reise nach Jerusalem" dieser Tage von einem palästinensischen Messerstecher mit dem Ruf „itbah al yahud“ (Schlachtet die Juden) erstochen würde? Kurzes Schulterzucken wäre schon viel. Ansonsten wäre von "normale Reaktion", "Spirale der Gewalt", "Ausdruck von Perspektivlosigkeit" (alles Originalzitate deutscher Medien zu Messerattacken in Israel) alles drin.

________

* Dem Iran werden, selbst wenn sich alle am 5+1-Abkommen Beteiligten darüber einig wären(was angesichts der Beteiligung von Russland und den USA ausgeschlossen erscheint), nach Ankündigung einer Inspektion satte 3 Wochen Zeit eingeräumt, um die Spuren von eben doch weiterer nuklearer Aufrüstung zu beseitigen. In guter deutscher Tradition lässt sich von der gepriesenen Abschlussvereinbarung natürlich keine Version in deutscher Sprache finden...wozu auch? Dem Michel muss es reichen, wenn sich sein Aussenminister für seinen entscheidenden Beitrag zum (vor allem für die deutsche Wirtschaft) so erfolgreichen Deal loben (lassen) kann. Deswegen hier also zum englischen Text, dort siehe Seite 43, Punkt 78. Alles in allem gute 3 Wochen...

** Einer "Lösung", die bis auf weiteres das Ende Israels bedeuten würde, siehe 3

*** Wer meint die eifersüchtige Fixiertheit auf Israel sei mehr Behauptung, also Macke des Schreibers denn Tatsache, der gehe auf duden.de und suche nach "saudiarabienkritisch":

"Leider haben wir zu Ihrer Suche "saudiarabienkritisch" keine Treffer gefunden." Schade; aber nicht aller Tage Ende, denn der Duden versucht zu helfen: "Oder meinten Sie israelkritisch ?"

Klappt übrigens auch mittels Suche nach "irankritisch" oder "irakkritisch".

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pirandello

pirandello bewertete diesen Eintrag 28.01.2017 04:44:08

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