Es gibt was Neues von Hermann Kinder: "Portrait eines jungen Mannes aus alter Zeit".
Vom Grösser- und Älterwerden, die Erzählung einer letztlich vergeblichen Reise zu sich selbst. http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/lesezeichen/hermann-kinder-portrait-eines-jungen-mannes/-/id=12944736/did=16882100/nid=12944736/rafou2/index.html
Besser war sie nicht, schon gar nicht schöner, die alte Zeit...diese Jahre "danach".
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Die "ehrlicheren" Zeiten zum Gross-/Menschwerden waren sie aber vielleicht doch, die 50er/60er. Mit letzteren meine ich (auch) meine Kindheit auf einem kleinen pfälzischen Dorf, wo natürlich "Nachkrieg" auch schon vorbei, aber überall noch präsent war.
Später war dann der fast alles entscheidende Moment der Erwerb des Führerscheins Klasse 5: für das "50ccm Zweirad mit Hilfsmotor bis 40 km/h", was de facto eine runtergekommene Göricke mit Sachs-Motor bedeutete. Wurde damals auf dem Pausenhof für einen 50-er gehandelt.
Damit konnte man "weg". Nachmittags/abends.
Ein "Wohin" gab es eigentlich nicht.....das war auch nicht das Entscheidende.
Ich erinnere ganz tief drinnen diesen "Geschmack der Freiheit" beim "sich-Erfahren" (im wahrsten Sinne des Wortes). Denn nur ohne vorgegebenes Ziel gibt es ein "Weiter", nur dann kann es eins geben.
Die "68" hatten schon viel zu viel mit Mode, mit "Lifestyle" zu tun. Der Triumph der Buntheit über das bis dato Grau fand nur an der Oberfläche statt. Kluge Köpfe haben nicht erst retrospektiv erkannt, was sie, die "68er" eigentlich bedeuteten: den Sturmangriff des Kapitalismus in Richtung materialistische Hedonie, sprich Öffnung/Schaffung neuer Märkte. Das bisschen Ideologie, was sie transportierten (oder dies zu tun glaubten, das dann allerdings pompös) war die Tünche/Schminke.
Pasolini, der genau darunter, unter dieser Zurichtung zum Konsumismus, wo die Warenwelt dem Menschen zur "zweiten Natur" wird, unsäglich, wie ein Tier litt, sagte schon damals: Ich finde mein Italien eher wieder in den Gesichtern der Tagelöhnersöhne aus dem Süden, das sind die unter den Polizeihelmen, als in den -- heute würde man sagen "korrekten" -- Gesichtern der Studenten.
Die hellsichtige Abwehr, den Überdruss an dieser Tünche der Ideologie findet sich in Kinders Buch in der Reaktion des "jungen Mannes" während der Lektüre von Bloch und dessen eindimensionaler "kritischer" "Ursachenbeschreibung": E, der Bruder, hat Blochs "Prinzip Hoffnung geklaut... "Er blätterte, zunehmend wütend werdend. Er mochte diese permanente Schelte von Bloch nicht, von dem im Westen so viel die Rede war. Ihn ärgerte, dass Ernst Bloch das ‚bürgerliche Sein‘ ‚einer niedergehenden alten Gesellschaft wie der heutigen im Westen‘ allein verantwortlich machte für Angst, Furcht, die ‚Ausweglosigkeit‘. Das ‚Leergewordene‘, ‚das Unaushaltbarste‘, das ‚Unerträgliche‘, während der Osten wohl die Patente für die ‚ursächliche Abstellung der Furcht-Inhalte‘ besaß. E holte sich noch einen Teller Erbsensuppe und blätterte weiter. In Ostberlin hatte er niemanden gesehen oder getroffen, auf den Blochs Propaganda gepasst hätte.“ (Aus Ernst Köhlers Besprechung des Buchs: https://www.seemoz.de/kultur/portraet-eines-jungen-mannes-aus-alter-zeit/
Die "SBZ" ww. "DDR" war ganz klar das härtere Pflaster, aber oft sicherlich das günstigere Biotop, um sich selbst zu finden: nicht, dass es der von vornherein "bessere" Entwurf einer Gesellschaft gewesen wäre....vielmehr, in der Abgrenzung zum verordneten "geraden Weg", die Suche nach "Anderem", im besten Falle "sich selbst" in Bastelkellern und Subkultur.
Welche man auch eher suchte denn hatte....und genau deshalb "näher dran" war.
Kleiner Zeitsprung vor und gleich wieder zurück: Letztens nochmal "Down by law" angeschaut, Kult- und Erstlingsfilm von Jim Jarmusch aus der Mitte der 80er.
Erstaunlich, wie "anders", wie weit entfernt das Lebensgefühl, das dort aufschien, von dem heutigen ist. Nicht nur, weil er schwarz-weiss, langsam ist oder die Protagonisten nicht auf Displays starren: er ist frei von zwanghafter "korrekter" ideologischer Befrachtung. Der Film "will" (zumindest auf den ersten Blick) erstmal nichts.
Was in keinster Weise bedeutet, dass er deswegen keine Aussage haben könnte.....ganz im Gegenteil.
Der Unterschied zu "heute" wurde zumal richtig klar im Kontrast zum "aktuellen" Kurzfilm vorab, der sich auf hanebüchene "aktivistische" Art am Thema "Kopftuch" abgearbeitet hat....man hört es förmlich das "Jetzt machen wir mal was Kritisches...hat schon jemand den Antrag auf Fördergelder gestellt?"
Wer hat es gewahr, dass "l´art por l´art" als Bewegung keineswegs den Rückzug in die ästhetisierende a-politische Irrelevanz wollte, sondern vielmehr die Befreiung, besser: wiedermöglich-Machung von Kunst, befreit aus dem Würgegriff von Politik und Ideologie, welche letztlich nur Propaganda zulassen können? Und damit im wahren Sinne des Wortes genuin politisch war?
Dazu: ist doch erstaunlich (aber nur auf den ersten Blick), dass bei Shakespeare "das" "aktuelle", zeitenwendende Ereignis seiner Epoche, der Untergang der spanischen Armada, in keiner Zeile/keiner Szene vorkommt.....Shakespeare aber einer der "aktuellsten" ist, auch 400 Jahre später? Und als solcher zum Beispiel einen "Othello" geschaffen hat, in den er selber die "Stopschilder" eingebaut hat, diesen eben nicht als wohlfeiles eindimensionales "aktivistisch"-didaktisches Rühr- und Agitationsstück "Gegen Rassimus!" misszuverstehen....sondern viel, viel tiefer gräbt? "Rough am I in my speech" beschreibt Othello sich selber. Und meint damit nicht etwa ein schlechtes Englisch, das er als "armer Ausgegrenzter" nie hätte korrekt erlernen können, sondern reflektiert sein a priori, ureigenes "Nicht-zuhause-Sein" in dieser Welt. Die daraus resultierende Störung seiner Kommunikation mit dieser Welt ist es, die seine Rede "rough" macht. Leider kann sie, diese Stopschilder, zumal heute, kaum jemand lesen.
Noch eine Assoziation zur "alten Zeit", die ganz bestimmt nicht die "bessere" war, aber auch nicht von vornherein zwingend die schlechtere(im Sinne, dass die heutige unbedingt die "bessere" sein müsse)?
Ein Gespräch mit einem älteren, aber sehr wachen Senyor, den ich damals in einem spanischen Krankenhaus als einen meiner Patienten getroffen hatte. Der sich dafür interessierte, wieso ich denn nach Spanien gekommen sei.
Auf meine "engagierten" Einlassungen: "Spannende Zeit jetzt, die Überwindung des franquismo" meinte er -- nach einer Pause -- sehr souverän(will heissen, er war eben k e i n franquista):
"Damals konnten Sie eigentlich alles machen, nur nicht über Politik reden. Heute können Sie eigentlich nichts mehr machen, ausser über Politik reden".
Natürlich hat er nicht recht, im tieferen Sinne aber doch....
Eine der Begebenheiten, die ich beim Nachdenken über die "Zeitläufte" immer wieder erinnere...