Gestern früh auf dem Weg zur Arbeit -- die Nachricht vom Anschlag in Berlin war noch ziemlich frisch -- die Frage, welche der Stationstasten drücken am Autoradio: U oder E? Unterhaltung oder Ernst?
Angesichts des gerade Geschehenen fiel die Wahl auf E: SWR2.
Dort um Viertel vor acht die Redakteurin Striegl im "Kulturgespräch"(1) mit Albrecht von Lucke (Die Gedanken des unbedarften Zuhörers dazu kursiv...):
"Es droht eine Polarisierung der Gesellschaft". Aha.
Das Ereignis sei unvorhersehbar gewesen - obwohl "wir alle gewusst haben, dass so etwas eines Tages eintreten würde." Ein in der Tat gänzlich neuer Aspekt.
Und die Angst als "...ein wirklich schleichendes Gift, was in der Gesellschaft immer mehr um sich greift." Potzblitz, da hat er Recht. Was aber ist das Problem: Unsre Angst oder das, wovor wir Angst haben?
Und weiter: "...setzt sich der Eindruck durch wir haben es heute nicht mehr mit normalen Zeiten zu tun." Könnte es sein, dass dieser Eindruck zutrifft?
"Und dieser Terrorakt auf einen Weihnachtsmarkt ist natürlich das denkbar weichste Ziel, was man sich vorstellen kann..." Hier die pflichtschuldige Unterbrechung durch die Redakteurin: "Wir wissen ja noch nicht, ob es ein Terrorakt war." Beim Nachrichten-Zappen vorher beim Frühstück war allerdings bereits zu lesen, dass die Polizei von einer terroristischen Motivation ausgehe. Die beflissenene Antwort: "Das ist völlig richtig, da haben Sie völlig recht...aber man muss es ja wohl annehmen...und das muss man unter den Begriff Terror fassen." Sind ja vielleicht doch zu was gut, solche Experten.
Dann das Lob des Berliner Bürgermeisters, der hatte verlauten lassen, es sei alles unter Kontrolle. Nun ja.
Schon wegen der "Notwendigkeit, den Menschen deutlich zu machen, dass es keine Angst geben muss. Denn Sie müssen sich vorstellen, es war natürlich ein Stückweit auch die Situation von München,wo anschliessend die Sorge war mögliche Attentäter könnten in der Stadt herumlaufen, diese gab es in kleinem Umfang in Berlin natürlich auch... Und der Bürgermeister musste den Menschen ein Signal der Beruhigung geben..." Sehr beruhigend, in der Tat.
(Heute abend wissen wir ja, dass es genauso gewesen ist. Der, wenn nicht die Attentäter sind nicht gefasst und laufen frei herum.)
Im Weiteren dann die Redakteurin: "Die Frage stellt sich natürlich, wie damit umgehen. Ein weiterer Scharfmacher sitzt bald im Weissen Haus. Auch Donald Trump hat sich sofort zu Wort gemeldet und gesagt, unschuldige Zivilisten wurden auf der Strasse ermordet, als sie sich gerade anschickten, die Weihnachtsferien zu feiern. Schuldig war ganz klar der Islamische Staat." Wahrscheinlich war es in der Tat eher der IS als christliche Fundamentalisten, die so die Profanisierung der Adventszeit rächen wollten.
(Auch hier die Zumutung eines genaueren Blickes: Was hat Trump gesagt? Seine Twitterbotschaft (2): "Innocent civilians were murdered in the streets of Berlin as they prepared to celebrate the Christmas holiday. ISIS and other Islamist terrorists continually slaughter Christians in their communities and places of worship..." In diesem Zusammenhang macht Striegls Übersetzung von "holiday" mit "Ferien" nicht viel Sinn, "Weihnachtsfeiertag" wäre treffender. Und: Trump behauptet nicht definitiv, dass es IS war. Was er sagt, ist, dass IS Christen fortwährend angreift. Man muss ihn, Trump, nicht mögen, aber diese Aussage entspricht den Tatsachen.)
Und Striegl weiter: "Man kann sowas ja nicht einfach ignorieren und gar nicht darüber berichten." Schade eigentlich. Denn das wär`s natürlich. Vielleicht sind wir beim nächsten Anschlag ja schon weiter. Man beschweigt solche Dinge, und anderslautende "Gerüchte" disst man als fake-news."
Den Rest des "Kulturgesprächs" habe ich mir erspart und das Radio ausgeschaltet.
So um 5 vor acht dann aber doch wieder angemacht: Da kommt in SWR2 immer das "Wort zum Tag". Vielleicht ja doch noch irgend ein valenter Gedanke -- oder ganz einfach Trost.
Aber ich lausche vergebens: Dort, wo Pastorinnen und Pfarrer sonst wortreich erklären, das nix mit nix was zu tun hat, ist heute Schweigen. Der Beitrag fällt aus. Kommentarlos.
Totalausfall im E-Sender.
Quellen:
(2) https://twitter.com/kylegriffin1/status/810990108472184832
PS: Weihnachten als Fest der Zeichen und Wunder?
"Was Politiker nicht zu sagen wagen: Der Typ ist ein Drecksack. Nicht nur Täter, sondern Drecksack, mitsamt seiner mörderischen Ideologie. Warum sagt das keiner? Weil Politiker mit anderem beschäftigt sind - mit dem Üblichen. Zum Beispiel, dass die Tat nur den Rechten nutze. Der Bürger sollte auf den Weihnachtsmarkt gehen und die Blockflöte zum Fest hervorholen."
Und sowas aus der Landesrundfunkanstalt...