Beatryx Chabeso Pirchner hat mich anlässlich ihres Artikels "Der Hofer-Wixer" gebeten, ich möge doch mehr über meinen beruflichen Alltag schreiben, den ich in 10 Jahren Sicherheitsdienst erlebt habe.
Ich komme ihrem Wunsch nun mit einer Geschichte nach, die mir sehr lange nicht aus dem Kopf ging......
Maturaball in Mödling ist eine sehr anstrengende Geschichte. Ein Haufen Kids auf der Schwelle zum Erwachsenwerden halbwegs bändigen zu wollen, stellt einen Sicherheitsdienstler vor Herausforderungen, von denen man im "normalen" Leben gar nicht denkt, das es sie gibt.
Wir kamen schon am Vormittag zur Begehung des Objektes an; 20 Innenbereichsleute, 8 für die Zugangs- und Taschenkontrolle, 10 für den Aussenbereich und 3 Hundeführer.
Das alte Gebäude, in dem sich die Schule befindet, ist ein uralter, dreflügeliger Kasten - drei- oder viergeschoßig, mit einer riesen Grünfläche drumherum. Ich hatte wieder die Leitung der Hundestaffel und war für den Aussen- und Innenbereich zuständig.
Das größte Problem bei so einer Veranstaltung ist der Alkohol. Im Gebäude selbst und auch draußen herrschte Alkoholverbot, daher versuchten die Kids natürlich, Selbigen reinzuschmuggeln. Ein weiteres Problem war, dass man auch öffentlich Karten für diesen Event kaufen konnte und was wir daher am Nachmittag vor den Türen stehen hatten, waren 12- bis 14jährige Kinder. Die Maturanten selbst zogen es vor, später zu erscheinen.
Einlass war um 14 Uhr und gleich darauf der erste Tumult im Eingangsbereich. Der Junge war vielleicht 12, oder 13 Jahre alt, sternhagelvoll und völlig ausser Kontrolle. Wir mussten ihn von der Poizei wegbringen lassen. Das blieb nicht der einzige Fall dieser Art - mir war es teilweise schleierhaft, wie diese Jugendlichen a) zu dermaßen viel Alk kamen, den sie hineinschmuggeln wollten und b) war ich schockiert, wie viele von ihnen schon am Nachmittag völlig betrunken daherkamen.
Gegen 22 Uhr hatten wir den Einlass so ziemlich überstanden und es war relativ ruhig - ein paar Geplänkel, aber nichts ernstes. Im zweiten Stock hatten sie den Klassenraum eines unbeliebten Lehrers aufgebrochen und sämtliche Tische und Stühle durch die Fenster auf das darunterliegende Vordach geworfen - aber wie gesagt - sonst nichts ernstes.
Gegen 2 Uhr morgens machte ich mit dem Hund die Aussenrunde, als der plötzlich anschlug und losrannte. Im Gebüsch fanden wir ein Mädchen. Sie war bewußtlos und untenrum nackt. Ich verständigte über Funk sofort Rettung und Polizei und leistete Erste Hilfe. Es war saukalt und sie war schon ganz blau. Irgendwo hinter mir hörte ich verzweifelt ein Mädchen rufen. Die Sanitäter und der Notarzt trafen ein und ich ging zu dem Mädchen. Es stellte sich heraus, das es die Freundin des bewußtlosen Mädchens war, die sie seit Stunden suchte. Sie hatten Jungs kennengelernt und sich dann aus den Augen verloren. Offensichtlich hatte man die Kleine abgefüllt, vergewaltigt und sie dann wie Müll im Gebüsch abgeladen. Der größte Schock für mich aber war: Das Mädchen litt an Diabetes und befand sich daher in Lebensgefahr. Hätten mein Hund und ich sie nicht gefunden....
In dieser Nacht hatten wir noch drei weitere, bis ins Koma betrunkene Jugendliche zu versorgen - der Jüngste davon war 14 Jahre alt. Der Begriff "Komasaufen" hatte sich mir an jenem Tag sehr deutlich erschlossen - ich war erschüttert, WIE VIELE dieser Kids sich eigentlich bis zum Umfallen betrinken wollten. Und irgendwie hatte man den Eindruck, dass dies nicht aus Spass geschehe, sondern vielmehr ein fiebriger Zwang dahintersteckte - ein MUSS - ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben könnte.
Das Mädchen hatte Glück - oder was man halt in ihrem Fall als "Glück" bezeichnen konnte; sie überlebte und konnte das Spital nach einer Woche verlassen.
Die beiden Burschen, die sie abgefüllt und vergewaltigt hatten, nahm man zwei Tage nach der Tat fest. Einer davon war wegen ähnlicher Delikte amtsbekannt - ein Österreicher mit Migrationshintergrund.
Dieses Erlebnis hat das erste Mal seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden und ich weiß nicht, ob ich über Weitere hier schreiben will, oder soll. Im Beruf des Sicherheitsdienstes hat der Mitarbeiter - zum Unterschied von Exekutive, Feuerwehr, Rettung, oder Polizei - nicht die Möglichkeit, eine Supervision in Anspruch zu nehmen, da dies von den Unternehmen nicht angeboten wird. Du kommst also mit dem Erlebten klar, oder nicht. Es fiel mir sehr schwer, diesen Artikel zu schreiben ( und es gäbe noch Hunderte davon), aber ich dachte mir, dass ein Einblick in diesen Beruf auch anderen nahe bringt, WAS wir eigentlich tun und wie schwer er manchmal auszuüben ist.....
Mein Beruf hat mich viel schlimmes erleben und sehen lassen und doch hat er mich auch oft stolz gemacht, wie im Falle des Mädchens, dessen Leben mein Hund und und ich gerettet haben.....