FinisNoXx
Als wir Chief zum ersten Mal sahen, hatte uns sein Anblick schlichtweg bezaubert. Wir, das waren sein künftiges Frauchen und ich, die die Aufgabe hatte, einen geeigneten Hund für sie auszuwählen. Das Frauchen - zu jener Zeit erst 18 Jahre alt - bezog gerade ihre erste eigene Wohnung und sie wünschte sich einen Begleiter, den sie liebhaben konnte und der sie auch beschützen sollte.
Da lag also in der Box ein junger Hund, ca. sechs Monate alt, zusammen mit anderen Welpen und seine umwerfend strahlend blauen Augen sahen uns unschuldig an. Er war das Ergebnis einer nicht gewollten Verbindung zwischen seiner Mutter, einer reinrassigen Rottweilerhündin und einem sehr charmanten Huskyrüden, der sie zu bezircen wusste - sehr zum Missfallen ihres Besitzers.
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Aus dem ganzen Wurf war Chief der einzige, der an uns Interesse zeigte und aufmerksam ruhig näherkam, um Frauchen zu beschnuppern. Ich befand, dass dieser Hund genau der Richtige war und so kam er mit uns. Chief war einzigartig. Während seiner Ausbildung, die ich zusammen mit Frauchen durchführte, zeigte sich schon sehr früh sein Beschützerwesen. Er war von Anfang an "der Chef", der sein geliebtes Frauchen verteidigen wollte, weshalb er auch den Namen "Chief" erhielt. Was mich verwunderte war, dass der Hund offenbar genau wußte, wann er einzugreifen hatte und wann nicht. Er zeigte keinerlei der üblichen Dominanzgebaren, die Rüden oft zu eigen sind und seine Ausbildung bereitete uns viel Freude.
Eines Tages ging Frauchen mit Chief spazieren und plötzlich zog er - ganz untypisch - heftig an der Leine. Frauchen zerrte an der Leine, aber Chief wehrte sich und wollte sich nicht beruhigen. Schließlich gab Frauchen nach und ließ sich von ihm zu ein paar Müllcontainern führen. Daneben lag ein Karton und Chief schnüffelte aufgeregt daran. Als sie den Karton öffnete, fand sie darin vier winzige Katzenbabys, die jemand einfach dort entsorgt hatte. Chief musste ihr klägliches Miauen gehört haben. Frauchen brachte die Kätzchen in die Tierklinik, wo sie bestens versorgt wurden. Am nächsten Tag rief sie mich an und erzählte mir davon. Sie sagte, sie sei sehr stolz auf Chief, den "Kätzchenretter" und ich stimmte ihr zu.
Sechs Jahre später, in der Nacht vom 18. auf den 19. April wurde Chief noch einmal zum Retter. Er beschützte sein Frauchen und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Dies ist die Würdigung eines Lebens, das einfach so zerstört wurde. Ein fröhliches, lustiges Leben. Ein Leben voller Liebe. Ein Leben, das nicht weniger wert war, als jedes andere.
Ein Leben, zertrampelt unter den Stiefeln einer Horde Männer, die als geschützte Gäste in diesem Land nichts Besseres zu tun wussten, als dieses Leben zu zerstören.
Ohne Mitleid.
Sein Name war Chief. Er war ein Hund, der seinem Mensch aufrichtig zugetan war. Für den er bis zu seinem letzten Atemzug kämpfte. Er konnte nicht verhindern, dass sein Mensch bewusstlos geschlagen wurde. Ausgeraubt wurde. Vergewaltigt wurde. Sein armes Frauchen. Verwundet, verängstigt, allein.
Ohne ihn. Ihren tapferen Freund. Der noch eine Nacht kämpfte, so wie er für sie im Park gekämpft hatte. Er hat den Kampf verloren.
Aber nicht in unseren Herzen.
Du warst nur kurz auf dieser Welt, Chief. Doch du hast Spuren hinterlassen, größer und beeindruckender als die so vieler Menschen, die dich "nur" einen Hund nennen.
Unseren Respekt hast du....
Sabine Altmann und Bianka Thon