Das Recht zu leben, die Pflicht zu leben. Warum freiwilliges Sterben für Viele noch immer ein Tabu darstellt.

Als bei meiner geliebten und treuen Diensthündin "Tessa" vor ein paar Jahren Leberkrebs festgestellt wurde und die Krankheit nicht mehr zu bezwingen war (Es hatte sich schon Blut im Bauchraum gesammelt), war für mich die Entscheidung selbsverständlich, sie nicht leiden zu lassen. Sie signalisierte mir mit ihren Augen, dass es Zeit für sie war, zu gehen.

Ich fuhr mit ihr zu meiner Tierärztin, die sie jahrelang betreute und begleitete sie auf ihrem letzten Weg. Ich saß auf dem Boden, ihr Kopf lag in meinem Schoß und während ihr die Ärztin die Injektion gab, sah sie mich an. Kurz bevor sie einschlief, leckte sie mir die Hand, so als wollte sie mich trösten und mir danke sagen, dass ich bei ihr war und sie nun gehen ließ.

Währenddem ich diese Zeilen schreibe, laufen mir (wieder) die Tränen hinunter. (Wie jedesmal, wenn ich an sie denke) - Ich liebte diese Hündin abgöttisch. Sie rettete mir mehrmals das Leben, war meine Partnerin und Freundin auf Augenhöhe. Trotzdem war diese Entscheidung richtig, denn nichts hätte ihre Krankheit heilen können.

Wenn ein Tier unheilbar krank ist, ist es für den Menschen selbstverständlich und legitim, dieses von seinem Leiden zu erlösen. Das Tier ist nach dem Gestz eine "Sache" und keine "Person", daher gilt hier der "hippokratische Eid" nicht, der besagt, dass (menschliches) Leben um jeden Preis erhalten werden muss.

Wenn es nun um das Leben, bzw. das Sterben eines Menschen geht, scheiden sich aber die Geister - so "human" der Mensch mit seinem Tier in Sachen Leiden umgeht, so "inhuman" agiert er bei seiner eigenen Art. Ich verfolgte Endlosdiskussionen, über das Für und Wider des freiwilligen Suizids und begriff und begreife bis heute nicht, Warum man dem Menschen diese ultimative Form der Würde und Selbsbestimmung abspricht und versagt, die wir dem Tier zu geben bereit sind.

Vor ein paar Jahren bat mich eine Freundin um einen Freundschaftsdienst. In ihrer Familie wurde mehrfach Krebs diagnostiziert und mehrere Familienmitglieder (unter anderem auch ihre Mutter) starben daran. Sie bat mich nun, sollte es soweit kommen und sie unheilbar an Krebs erkranken und möglicherweise ins Koma fallen, ich veranlassen sollte, die Lebenserhaltungssysteme abzuschalten. Keinesfalls wollte sie komatös dahinvegetieren - am Leben gehalten, um jeden Preis. Ich versprach ihr das und sie vermerkte das in ihrem Testament. Der Grund: Sie wusste, dass ihre Familie niemals dazu bereit sein würde, daher bat sie mich. Es ist meiner Meinung nach der größte (Freundschafts)Dienst, den man an einem Menschen tun kann.

Kürzlich hat wieder ein Fall von freiwilligem Suizid die Gemüter erregt und neue Diskussionen angefacht. Brittany Maynard aus Kalifornien zog mit ihrem Mann nach Oregon, um dort ihr Sterben zu verkürzen. Bei ihr wurde ein inoperabler Hirntumor diagnostiziert. Sie hatte große Schmerzen und schlaganfallähnliche Symptome. Die Ärzte gaben ihr noch sechs Monate zu leben (dahinsiechen, denke ich, trifft es eher). In Kalifornien ist Sterbehilfe verboten, in Oregon aber nicht. Dort kann man das vom Arzt verschriebene, tödliche Medikament einnehmen. Die Regel lautet, man muss es ohne fremde Hilfe tun, ein Arzt, oder Familienmitglied darf nicht helfen, sonst macht man sich des Mordes strafbar. Brittany Maynard schied mit 29 JAhren, drei Wochen vor ihrem 30. Geburtstag freiwillig im Kreise ihrer Liebsten aus dem Leben. Sie hatte ihren Suizid öffentlich geplant, um darauf aufmerksam zu machen, das die Würde und Selbstbestimmung eines Menschen, den Todeszeitpunkt selbst bestimmen zu dürfen, nicht eine Angelegenheit von Politik und Gesetz sein darf und ich gebe ihr Recht.

Hierzulande gibt es zwar Einrichtungen zur "würdigen Sterbebegleitung", aber WER wollte bestimmen, WAS für den Einzelnen würdig ist? Ist es WÜRDIG zu sagen, "wir geben ihm Medikamente, er hat keine Schmerzen"? Kann man sich nicht vorstellen, dass ein sterbenskranker Mensch, der in früheren Jahren vielleicht sportlich und agil das Leben meisterte, es nicht erträgt, nun siech und "wertlos" (im Sinne von nichts mehr beitragen zu können), es vorzieht, sterben zu wollen und damit sein Leiden zu beenden? Wer gibt uns das Recht bestimmen zu wollen, WANN der Mensch das Recht hat zu sterben? Vor allem, wenn er schon darum BITTET, sterben zu dürfen?

Es mutet schon seltsam an: Im alten Ägypten war der Tod mitnichten ein Tabu, vielmehr gehörte er zum Leben - wenn der göttliche Pharao starb, sorgte er - aufgestiegen als Gott - schließlich für die Menschen, das war seine Pflicht und jeder eiferte darum, dass der Tod des Pharao so "gut" wie möglich war - hing doch schließlich auch die eigene Existenz davon ab.

Auch in anderen Kulturen wird der Tod "gefeiert" und hat nichts Böses an sich. Sogar das Christentum feiert das Versprechen der Wiederauferstehung und doch wird dem Menschen noch immer dieses Versprechen versagt. Weltliche Gesetze und starrköpfige Politik machen das möglich.

Mir deucht, der Mensch hat viel Erbarmen, wenn es um das Leid seines Tieres geht. Mit dem Erbarmen an seiner eigenen Art ist es jedoch nicht weit her - da muss er, denke ich - noch etwas an sich arbeiten......

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Silvia Jelincic

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