Schicksalshunde...... "Bär"

Ein Sprichwort sagt: "Das Schicksal ist ein mieser Verräter!" Das trifft in vielen Fälle zu - und auch ich kann ein paar Lieder davon singen. Manchmal aber......manchmal aber schnippt das Schicksal einfach mit den Fingern und lässt den Zufall einen guten Freund sein.

August 2012: Ich bin in Csáfordjánosfa (spricht sich Tschafordjanoschfa) - Ungarn, meinem zweiten Domizil - gerade in meinem Garten beschäftigt, als mich mein Nachbar Lollo aufgeregt ruft. Total verschwitzt und verdreckt gehe ich also hinüber und sehe ihn mit ein paar Leuten zusammenstehen, die einen Welpen an der Leine führen. Voller Freude erzählt er mir, dass diese Leute auch Österreicher wären und er sie mir unbedingt vorstellen möchte. Wir kommen also ins Gespräch und die Leutchen sind sehr sympathisch. In der Zwischenzeit hat sich der Welpe erschöpft auf die Seite fallen lassen und erregt dadurch meine Aufmerksamkeit. Ich besehe mir den Kleinen etwas näher und merke sofort: Da stimmt was nicht! Er wirkt apathisch, ausgelaugt und irgendetwas stimmt was mit seinen Proportionen nicht. Ich mache die Leute darauf aufmerksam, weise daraufhin, das auch die Haut des Kleinen "lose" am Körper "hängt" - was auf akuten Mangel hindeutet und erfahre eine Geschichte, die mir einen Schauer über den Rücken jagt und Wut in mir aufsteigen lässt.

Die beiden erzählen mir, daß das nicht ihr Hund ist, sondern der von ihrem Nachbarn - unweit von mir - nur ein paar Häuser entfernt. Der Welpe stammt aus einem Wurf, den man im März mitten im Wald gefunden hatte, als noch Schnee lag. Die Augen der insgesamt sechs Welpen waren noch geschlossen und man hatte sie einfach entsorgt. Fünf der Welpen fanden in Deutschland ein zu Hause, den sechsten wollte sich unbedingt besagter Nachbar der Österreicher behalten - der hatte nämlich keinen.

Jetzt muss man wissen, dass die (am Land lebenden) Ungarn eine sehr ambivalente Beziehung zu ihren Tieren hegen; soll heißen: Man HAT sie, aber mehr auch nicht. Leben sie, ist´s gut, sterben sie, auch gut. Die Nutztiere sind teilweise genau so arm dran wie Hund und Katze, aber HUNDist in Ungarn ein ganz eigenes Thema. Ich werde in einem anderen Artikel näher darauf eingehen.

Ich erfahre also, das Ànton (der Besitzer) den Welpen in der schlimmsten Kälte draußen ließ; er wird angekettet (was in Ungarn völlig normal ist) und da Ànton auch ein "kleines" Alkoholproblem hat, wird der Welpe in seinen wiederkehrenden Aggressionsschüben zu seinem bevorzugtem Opfer, das er nach Herzenslust durch die Gegend zu kicken pflegt. Da die (am Land lebenden) Ungarn auch nicht unbedingt etwas von ausgewogener, oder gar ausreichender Fütterung, oder medizinischer Versorgung halten, veranlasst dies die Österreicher, sich um den Hund zu kümmern. Sie bringen Futter und Medikamente und gehen mit dem Hund spazieren, damit er nicht an der Kette hängen muss. Das ist natürlich toll - das Problem dabei ist nur: Der Hund bekommt weder das Futter, noch die Medikamente, denn das pflegt "Schatzilein" Ànton zu verhökern. Als ich den Österreichern das klarmache - was auf den Zustand des Hundes zu folgern war - sind sie todungllücklich, denn sie haben keine Ahnung von Hunden und erkannten die schlechte Verfassung des Welpen nicht.

In diesem Moment treffe ich eine Entscheidung. Ich will diesen Hund. Ich mache den Österreichern einen Vorschlag und beziehe meinen Nachbarn Lollo mit ein. Er soll Ànton sagen, ich biete ihm 50 Euro, wenn er mir den Hund sofort überläßt (Eine Summe, die ihn sicher wochenlang mit Alk versorgt).  Zwei Tage später kommt eine Abordnung von 20 Leuten. Ànton, das hunde-kickende "Schatzilein" führt den Welpen. Ich nehme den Hund, der noch apathischer wirkt, als das letzte Mal und stelle ihn meinem Rudel vor. Das kleine Fellbündel lässt die Zeremonie über sich ergehen und reagiert fast gar nicht. Das macht mir Sorgen... Ich kann meine Wut fast nicht zügeln, vor allem deshalb nicht, weil dieses Arschloch hinter mir steht und mich noch fragt, WAS ich denn mit dem Hund vorhätte, ob ich ihn "denn verkaufen wolle...?" Ich beiße mir auf die Zunge und sage nichts - AUSSER: Das er KEINEN Forint von mir sieht; für Tierquälerei zahle ich nicht.

Die folgenden Monate werden zum Albtraum....physisch, psychisch und finanziell. "Bär" verträgt die Nahrung nicht, und reißt sich eine Pankreas-Infektion auf. Er ist nicht mit Menschen sozialisiert und als Mangelhund verteidigt er sein Futter. Es kostet mich meine gesamte Hunderesozialisierungs-Fähigkeit, um diesen Hund, der einmal ein über 70kg schwerer Kangal werden wird, davon zu überzeugen, das er mir vertrauen kann. Durch Àntons Tritte und Schläge ist er für immer körperlich gezeichnet und wird nie mehr gesund werden.

Und dann - nach Monaten, die aus Schweiß, Tränen, Rückschlägen und Frustration bestehen - die Wende....... Aus einem Wrack, das nur wie ein Hund aussieht, wird ein Hund, der sich wie eine Blüte öffnet: Er hat nämlich eine Besonderheit, die ich selten bei einem Hund zu sehen bekommen durfte: Er ist ein CLOWN; er ist ein Charmeur - er wickelt den Hundeausbilder (mich) um seine Pfote, weil er mich mit Humor packt - eine der "unfairsten" Waffen eines Hundes....! *grins* ;)

Bär wird nicht alt werden, das weiß ich. Er ist zu kaputt, zuviel hat man ihm angetan. Seine Rippen und sein Rückgrat sind irreversibel verletzt. Er tut sich schwer mit aufstehen, hinlegen, hinsetzen, pinkeln, spazieren gehen. Er wird bis zu seinem Lebensende Medikamente brauchen, die ihm eine adäquate Lebensqualität ermöglichen. ICH weiß das. Aber IHM ist das eigentlich alles ziemlich egal. Er ist dankbar. Und glücklich. Er hat eine Lebenslust, die mich staunen macht. UND: Er läßt mich wissen, was ich ihm bedeute. Mit seinem Charme, seinem Humor - von dem ich nicht begreife, wieso ihn sich dieser Hund bewahren konnte.

Man muss sich einmal ansehen, was dieses 70kg schwere Teil - KANGAL wohlgemerkt - mit einem 2,5kg leichten Hund anstellt, der ihn zum Kauknochen und Trampolin erkoren hat.....! (von jenem Hund will ich euch noch erzählen... :) ) Noch heute, wenn ich mir Fotos und Videos betrachte und ihm dann ihn seine Augen sehe, weiß ich: Meine Entscheidung war richtig. Ja, er wird nicht alt werden, aber DIE Zeit, die er hat, wird er auf jeden Fall glücklich verbringen!

Ich lade euch ein, ein bißchen von "Bärs" Charme und Humor zu erleben.... :)

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Der letzte Link zeigt ein Video "David gegen Goliath" , oder: Der sanfte Riese gegen das kleine Monster....wünsche vergnügliches Schmunzeln! :)

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