Dies ist ein Brief an jene Blogger und –innen, die in letzter Zeit mehr oder weniger laut überlegt haben, F+F zu verlassen, weil hier für ihren Geschmack zu viel rechtslastiges bis -radikales Gedankengut toleriert wird. Liebe Leute, ich verstehe euch von ganzem Herzen. Dennoch möchte ich euch bitten, erst mal hier zu bleiben und euch ein paar Minuten lang mit mir gemeinsam die andere Seite dieser Medaille anzusehen.
Wie schön wäre es, könnte man immer in einer geschützten, angenehm temperierten Blase leben, umgeben von Freunden und Gleichgesinnten. In dem sicheren Gefühl, dass die ganze Welt so wunderbar harmonisch funktioniert wie der Mikrokosmos, in dem meine Lieben und ich umeinander kreisen. Unbehelligt von Xenophobie, Homophobie, Rassismus, Angstmacherei, „Ich bin ja nicht, aber“-Scheinheiligen und all den anderen Dingen, von denen die Menschheit da draußen vergiftet wird.
Und wie traurig ist es, dass diese geschützte Blase immer wieder platzen muss. Jedes Mal, wenn man hinaustritt, hinaus schaut. Und wahrnimmt, dass es all dieses Gift nicht nur gibt, sondern dass es auch immer näher zu rücken scheint. Und dann kommst du auch noch drauf, dass sich in einem Forum, das dir sympathisch erschien und in dem zu schreiben du beschlossen hast, beileibe nicht nur Gleichgesinnte herumtreiben, sondern auch genau jene unsäglichen Gestalten zugange sind, die hier auf genau die unsägliche Weise, die du verabscheust, ungehindert ihr Gift verspritzen.
Das ist übel, zugegeben.
Doch wenn F+F den Rahmen der Gesetze ausreizt und im Sinne der Meinungsvielfalt mitunter auch für mein und euer Gefühl reichlich fragwürdige Texte veröffentlicht und bewirbt, dann ist das eben deren Geschäftsmodell und ihr gutes Recht. Hör mal, die Leute leben von Klicks, und je mehr Kontroverse, desto mehr Klicks. So ist das eben – und es ist gar nicht so uninteressant. Denn wo sonst kannst du so unverblümt und offen jenen Figuren aufs Maul schauen, mit denen du ansonsten eher nichts zu tun hast? Und auch nicht haben willst, klar. Aber sie einfach ganz zu ignorieren wäre ein verhängnisvoller Fehler.
Ja, auch mir wird manchmal schlecht bei dem rechten Hassgeblöke, das einem hier und anderswo serviert wird. Doch dann denke ich bei mir, vielleicht ist es ja ganz gut, dass ich all diesen Schutt auch mitbekomme. Zu verführerisch wäre es sonst, sich in Sicherheit zu wiegen. Unvorsichtig zu werden. In der temperierten Blase vor sich hinzudösen und darauf zu vertrauen, dass die Guten ohnehin in der Überzahl sind und bleiben. Dass nicht vergessen ist, was war und nie wieder geschehen sollte.
Denn zweifellos, „der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“, und beständig daran zu erinnern und erinnert zu werden ist unverzichtbar wichtig. Da muss man einfach hinschauen, mitten hinein, und dagegen angehen, antreten, anschreiben, anschreien, ansingen… Auf keinen Fall, auf gar keinen Fall das Feld denen überlassen, die unser Land in denselben finsteren Abgrund treiben möchten, aus dem es sich vor ein paar Jahrzehnten erst mühsam genug aufgerappelt hat.
Darum, Freunde, auch wenn euch manchmal das große Kotzen kommt angesichts mancher Ergüsse – bleibt doch, trotzdem oder gerade deswegen! Lasst euch nicht vertreiben! Verzieht euch nicht in eure wohltemperierten Blasen, sondern bleibt und schreibt und erzählt von der Wahrheit und seid wachsam und mahnt und helft widerstehen, und helft siegen über jene selbstherrliche, egozentrische, menschenverachtende Herrenmenschen-Ideologie, die gern alles übernehmen möchte. Lasst euch nicht vertreiben von ihrem Gegeifer. Ja, stimmt, manchmal scheint der braunschillernde Sumpf wie eine endlose tödliche Einöde bis zum Horizont zu reichen, und dann möchte man verzweifeln und alles hinschmeißen und sich die Decke über den Kopf ziehen und einfach gar nichts mehr damit zu tun haben.
Aber bleibt trotzdem und macht euch gegenseitig Mut und gebt nicht auf. Denn nicht nur die dürfen hier. Wir dürfen ja auch! Was brächte es, irgendwo anders nur füreinander zu schreiben, wir sind uns ja ohnehin einig. Hier, wo alle zu Wort kommen, liegen auch für uns ganz andere Chancen, hier dürfen und müssen wir laut sein. Du, und du, und du, und ich, wir mögen nur ganz kleine Lichter sein mit unseren Worten und Texten, aber alle zusammen schaffen wir es vielleicht, richtig hell zu leuchten!
Und dann gibt es ja selbst im größten Frust auch immer wieder diese Momente, in denen klar wird, dass sie ohnehin noch lang nicht gewonnen haben. Weil diejenigen, die ihnen gemeinsam widerstehen, auch ganz schön viele sind. Du, und du, und du, und ich, und all die Zigtausend anderen, die daran glauben, dass es eine andere und bessere Welt geben muss als die der pseudobesorgten Gnadenlosen und Unbarmherzigen.
In diesen Momenten, wenn mir klar wird, dass wir in Wahrheit immer noch ganz viele sind, wird mir auch wieder warm vor Hoffnung und Zuversicht und wachsendem Mut. Und dazu brauche ich dich, und dazu brauchst du mich, dazu brauchen wir einander, alle. Oder um einen Giganten des Antifaschismus, nämlich Konstantin Wecker, zu zitieren: „Es ist schon ein unvergleichlich gutes Gefühl, euch an meiner Seite zu wissen.“