Worüber denken Hunde nach, wenn sie auf ihren Sofas liegen?

Es ist noch nicht so lange her, da hatten Frauen offiziell weder Seele noch Verstand. Da müssen wir jetzt gar nicht bis zu Aristoteles oder Thomas von Aquin zurückschauen, die Reste dieser Ansicht haben sich wacker bis in unsere Zeit hinein gehalten. Dasselbe trifft auf Schwarze oder sonstige Exoten zu, wenn man diversen Rülpsern der „weißen Herrenrasse“ glauben kann, und da müssen wir in der Zeit noch viel weniger weit, beziehungsweise so gut wie gar nicht zurückgehen.

Inspiriert zu diesem Text haben mich unter anderem zwei FundF-Userkommentare. Einer, der ernstliche Zweifel daran anmeldete, dass Tiere tatsächlich Emotionen und die Fähigkeit zu denken haben. Und einer, der im Brustton der Überzeugung wörtlich schrieb: „Der Mensch IST das Maß aller Dinge. Das Maß ist kein Faktum, sondern eine philosophische Vorgehensweise. Wir spekulieren über das Universum und fragen uns, warum es besteht, ob es unseretwegen existiert.“

Solche Art von menschlicher Hybris macht mich immer wieder sprach- und atemlos. „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“, sagt der Mensch. „Der Mensch ist die Krone der Schöpfung“, sagt der Mensch. Niemand sonst. Überhaupt niemand. Es lässt sich etwas schwer objektivieren, wenn man nur eine einzige Informationsquelle hat.

Ja, Augenhöhe ist für viele schwer auszuhalten, und Arroganz ist fraktal. Bis „hinunter“ zum allerkleinsten Lebewesen muss eine Hierarchie eingehalten werden. Jene Hierarchie, die bestimmt, wessen Leben mehr wert ist, wer über wessen Rechte und Fähigkeiten urteilt. Wer eine Seele haben darf. Wem man die Fähigkeit zu denken zutraut. Neben den Gegebenheiten der rein lukullischen Nahrungskette hat offenbar eine Unzahl von Oberg´scheiten auch noch so etwas wie ein intellektuelles oder meinetwegen auch philosophisches Faustrecht nötig.

Kommt mir jetzt bloß nicht mit irgendwelchen Forschungsergebnissen. Dass die Wissenschaft bis jetzt nur einen Bruchteil alles Möglichen durchschaut und darüber hinaus ihre Erkenntnisse sowieso pausenlos umgestoßen und modifiziert werden, ist eine Binsenweisheit. Das pfeifen die Spatzen von den Dächern.

Nur weil man es noch nicht geschafft hat, die sonderbaren Verständigungswege von Bienen und Ameisen zu lesen, nur weil es noch immer nicht gelungen ist, Walgesänge eins zu eins zu entziffern, halten wir es für ausgeschlossen, dass in diesen exotischen Köpfen womöglich Dinge vorgehen, die unseren Horizont sprengen könnten? Woher wollen wir das wissen?

Mit welchem Recht leugnen manche Menschen, dass Tiere lieben, sich freuen, sich umeinander kümmern und umeinander trauern? Dass du so etwas noch nie aus nächster Nähe gesehen und miterlebt hast, ist kein Beweis dafür, dass es so etwas nicht gibt.

Also lasst es doch einfach, Leute, und lernt lieber mehr Respekt vor dem Leben, vor allem Leben, selbst vor dem allerkleinsten. Und haltet einfach mal für möglich, dass es weiter ist, und breiter, und komplexer und intelligenter als wir mit unseren kurzsichtigen Augen und vom eigenen Lärm verstopften Ohren wahrnehmen können. Oder wollen. Als jemand, der schon immer mit Tieren lebt, frage ich mich schon lange nicht mehr, ob Tiere denken. Die einzige Frage, die mich beschäftigt, ist: Was und woran denken sie, worüber grübeln sie nach?

Ich mag mir gar nicht vorstellen, zu welchen Fehlschlüssen, verhängnisvollen Missverständnissen, hysterischen Grabenkämpfen und Katastrophen es mit der menschlich-arroganten „Mia san mia“-Geisteshaltung käme, sollten dereinst wirklich Besucher von außerhalb der Erde bei uns landen. Womöglich gar in Hoffnung auf unsere Gastfreundschaft. Und womöglich kein bisschen humanoid aussehend, sondern ganz, ganz anders, vielleicht wie große Käfer oder noch viel abenteuerlicher. Ha!

Doch das wiederum ist eine Geschichte, über die jetzt eh nur jene nachdenken müssen, die nicht glauben, dass das Universum nur unseretwegen existiert. Und dass daher sowieso wir die einzigen superintelligenten Wesen im weiten All sind. Gottgewollt, eh klar, und zwar vom einzigen wahren Gott, dem unsrigen. Oder doch – mit Rücksicht auf die Atheisten – zumindest wissenschaftlich belegt, oder philosophisch betrachtet höchstwahrscheinlich, oder so halt, irgendwie…

p.s.: Partout wollte ich vermeiden, hier den achthundertsiebenundsechzigsten Text über unseren Umgang mit Fremden abzuliefern. Und jetzt ist es um ein paar Ecken herum doch auch ein solcher geworden. Irgendwie. Zumindest für jene, die lesen können. Verflixt.

Sachenmacher: "Worüber denken Hunde nach, wenn sie auf ihren Sofas liegen?" Mischtechnik, 80 x 80, 2011

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Claudia Drobny-Oertel

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