Hallo liebe f+f-Gemeinde.
Aktuell geht auf Facebook ja eine plötzliche Barmherzigkeit für deutsche Obdachlose um, weil die derzeitigen Wintertage durch einen sogenannten „Arctic Outbreak“ tatsächlich mehr als bitterkalt sind und es Meldungen zu erfrorenen Obdachlosen gibt. Woher diese plötzliche Barmherzigkeit rührt, ist eigentlich einfach zu erklären. Man muss sich eigentlich nur ansehen, dass der deutsche Obdachlose plötzlich 2015 relevant wurde, als die Flüchtlingskrise am größten war. Oder um es klar zu formulieren: 2015 war das Jahr der Flüchtlinge. Jetzt stellt sich der/die eine oder andere die Frage: „Was haben die Flüchtlinge denn mit unseren Obdachlosen zu tun?“
Ich beantworte diese Frage gerne. Im Prinzip nix, außer dass beide Gruppen ein Notleiden teilen. Ansonsten sind dort tatsächlich kaum Gemeinsamkeiten. Dennoch ist „der deutsche Obdachlose“ plötzlich zu unverhofftem Sozialruhm gekommen, gerade wegen der Flüchtlingskrise, in der sich nun mal gezeigt hat, dass nicht jeder, der als Flüchtling deklariert ist, auch tatsächlich ein Flüchtling ist. Plötzlich entdecken Flüchtlingsgegner ihr Herz für „die deutschen Obdachlose“. Plötzlich würden sie „lieber einem deutschen Obdachlosen“ irgendwas spenden als einem Flüchtling, welcher wahlweise auch anders genannt wird. Wer auf Facebook mit dieser Problematik in Berührung kommt, der weiß, wovon ich spreche. Und es ist nun mal nicht von der Hand zu weisen, dass die Mitmenschen, die plötzlich ihr Herz für Obdachlose entdecken, politisch weit rechts einzuordnen sind und ihre plötzliche Nächstenliebe nur demonstrativ ist. Eine Demonstration dafür, dass sie sich um nichts in der Welt für syrisch oder andere Flüchtlinge einsetzen wollen und nun auf die eigene Not, sprich: deutsche Obdachlose, verweisen wollen. Und hier wird es interessant! Die Obdachlosen, die in Deutschland wahlweise in Institutionen oder, wenn es wirklich nicht anders geht, auf der Straße schlafen müssen, waren jahrelang uninteressant. Sie galten als Sinnbild für Lebensverlierer, die „ganz unten“ angekommen sind. Von denen man sich belästigt fühlte. Entweder, weil sie um Geld für Essen bettelten oder auch nur, weil sie im öffentlichen Bewußtsein vorkamen und man sich an dieses Erscheinungsbild störte. Das war schon immer so. Nächstenliebe oder „ein großes Herz“ zeigten nur die wenigen. Aber seit 2015 ist es nun anders. Der deutsche Obdachlose muss herhalten, wenn es darum geht, gegen die Flüchtlinge punkten zu wollen. Aber die tatsächliche Nächstenliebe der „ich-helfe-deutschen-Obdachlosen“-Fraktion, die wird man nicht finden. Im Prinzip werden die deutschen Obdachlosen nur für eine Anti-Flüchtlinge-Haltung mißbraucht. Und der deutsche Obdachlose kann natürlich nichts dagegen machen.
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Was auch noch interessant ist: leerstehende Flüchtlingsunterkünfte, die es hier und da gibt, sollen für Obdachlose geöffnet werden. Die Idee klingt zwar gut, aber zeugt von gewaltigem Unwissen. Warum? Das kann ich, ein ehemaliger Obdachloser, der es geschafft hat, sich aus der Obdachlosigkeit wieder empor zu kämpfen, gerne erklären, denn es ist in der tat nicht so, dass jeder, der als „obdachlos“ gilt, auch wirklich auf der Straße leben muss. Und wer wirklich an kurze Einblicke interessiert ist, der kann hier lesen, wie die Situation tatsächlich aussieht.
Jeder, der seine Wohnung verliert und obdachlos wird, der hat die Möglichkeit, in einer sogenannten „Notschlafstelle“ unterzukommen. Diese Notschlafstellen haben allerdings klare Regeln, die strikt befolgt werden müssen da ansonsten der „Rausschmiss“ droht. Verboten sind der Konsum von Alkohol und Drogen. Auch sollte man vermeiden, gesammelte Pfandflaschen in solch einer Institution „zwischenzulagern“. Mir wurde erklärt, dass eine leere Bierflasche, die dort vorgefunden wird, als „konsumiert“ gilt und somit als Verstoß geahndet wird. Ergo: „besaufen“ kann man sich draußen und man darf sogar volltrunken in die Notschlafstelle, sofern man in jenem Zustand keinen Ärger verursacht. Um es mal überspitzt zu formulieren. Was bedauerlicherweise auch verboten ist, aber seine Gründe hat: das Halten von Tieren. Hier kommt der Punkt, warum es Obdachlose mit Hunde tatsächlich härter trifft und diese dazu verdammt sind, unter freien Himmel zu leben. Jetzt könnte man sich sagen, dass der Hund abgegeben werden soll, damit der Betroffene in solch eine Einrichtung einziehen kann. Das ist aber zu simpel und zu einfältig. Denn die vierbeinigen Freunde sind der einzige Halt bei obdachlosen Menschen und ihre Bande unzertrennlich. Mensch und Tier spenden sich gegenseitig Trost, geben gegenseitig Halt. Durchleben gemeinsam die harten Zeiten. Und es ist für beide Seiten undenkbar, dass der eine den anderen Verlassen oder gar illoyal würde. Und da sollte es nicht interessieren, was der unbedarfte, sozial abgesicherte, wohlstandsverwöhnte Mensch von außerhalb sagt oder predigt. Wer selber nie in Berührung mit Obdachlosigkeit gekommen ist – und das bezieht Kontakt zu Obdachlosen sowie eigene Obdachlosigkeit ein – der wird einfach nicht mitreden können. Er wird sich mit generellen Anmerkungen sowie „Volkssprech“ unbeliebt machen und eher das Gegenteil bewirken als die warmen Worte, die bekunden wollen, dass man es „nur gut meint“. Denn das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“.
Es wäre sehr interessant zu wissen, was deutsche Obdachlose denn davon halten, dass sie plötzlich aus unehrlichen Gründen zu „Ruhm“ gekommen sind. Ich denke, dass ich die Frage insoweit beantworten kann, dass sie es harsch ablehnen werden. Nur um nicht sagen zu müssen, dass sie das „kalte Kotzen“ bekommen (würden). Dieses hätte ich 2013 vermutlich auch bekommen, wäre die Flüchtlingskrise schon 2013 so stark gewesen wie 2015. Und wäre auch damals genauso verlogen gewesen wie sie es heute ist.
Sollte Interesse bestehen, kann ich gerne sogar näher aus der Sicht eines Obdachlosen schildern und die Wege, die man bestreiten muss, damit man überleben kann.