Quer durch Österreich bin ich in den letzten Wochen ein paar Mal gefahren - und ich hab eine interessante Tatsache festgestellt: Nein, es schaut nicht überall aus wie im August im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen oder am Westbahnhof. Viel Gegend, wunderschöne, gepflegte Häuser, ein reiches schönes Land. Weil, wenn man so liest und hört, was an manchem Stammtisch und in manchem Forum an gehässigen Kommentaren abgegeben wird, könnte man ja glauben, jedes Stückerl Fläche wäre schon zugepflastert von jungen dunkelhaarigen Männern, die uns islamisieren und oder schänden, vergewaltigen und oder die Jobs wegnehmen wollen/werden. Und die können wir doch nicht alle nehmen.
Was normal ist:
Fremdes macht Angst. Unbekanntes macht Angst. Das Leid der Anderen macht bedrohliche Angst. Gut, wenn wir uns dieser Angst stellen. Wachsam. Den anderen anschauen, ok, Mensch, wer bist du, woher kommst du, weißt du wer ich bin, wirst du mit mir genau so achtsam und vorsichtig umgehen, wie ich mit dir? Dann lernt man den fremden, den unbekannten, den anderen kennen. Und die Angst wird kleiner. Mit der Angst vor dem Leid der Anderen ist es schwieriger. Das ist weniger offensichtlich. Die lächeln dann ja, sind ja freundlich, und dennoch spürt man das Leid dahinter, den Wahnsinn, den jemand erlebt, wenn er sein Haus unter Bombenhagel verliert, seine Kinder oder Freunde oder Frau oder Mann sterben hat sehen, im Meer versinken, an den Strand gespült. Der leichte Weg, vorerst, ist es, zu sagen: hat sie ja keiner eingeladen. Sollen sie doch bleiben, wo sie sind. Ihr Land verteidigen. Wir haben damit nichts zu schaffen......Sagt der Mund. Aber welche Seele hält das denn aus? Wie hart muss man sein Herz machen? Der nicht so leichte Weg ist helfen. Die haben weniger als ich (so wie der Augustin-Verkäufer, der seiner Stammkundin eine Decke für die armen Leut mitgibt) also helfe ich. Und merke womöglich: das tut mir gut. Es ist anstrengend, ein Chaos, Tränen des Leids, Tränen der Freude - aber es tut so gut. So gut, dann das eine Kind lächeln zu sehen, weil es endlich wieder was zu essen und zu trinken bekommt. So gut, das Danke der jungen Männer zu hören, in ihren Augen das Strahlen zu sehen, das Leben ausmacht: Ihr gebt mir meine Menschenwürde zurück, danke.
Was mich wütend und traurig zugleich macht.
Dann gibt es Menschen, die diese Angst benutzen. Statt sich ihrer eigenenAngst vor dem Fremden zu stellen, sagen sie einfach: Die sind böse. Die müssen weg. Die nehmen uns alles, das uns zusteht.... - und keine Sekunde fragen sie: steht uns denn das zu? Warum steht uns den mehr zu als dem anderen, der alles verloren hat? Viele sind nur "Mitläufer", glücklich, endlich jemand gefunden zu haben, der "endlich die Wahrheit sagt". ohne zu hinterfragen, was denn Wahrheit ist. Denn Wahrheit ist: wir leiden mit, wenn wir Menschen leiden sehen. Tief im inneren wissen wir alle, dass jeder auf diesem Planeten zu unserer großen Familie gehört. Für den einzelen ist es halt so ein Gefühl der Machtlosigkeit. Ja was hätte ich den machen können? Die dort in Afrika, die hätten doch selber...und wir können doch nicht alle nehmen. Nein, eh nicht. Die wollen auch nicht alle "zu uns". Die wollten gerne zu Hause leben. Nur zu Hause sterben will keiner.
Wenn wir sagen: "Wir können doch nicht alle nehmen. Wir müssen die Grenzen auch dicht machen" - dann sagen wir auch: "die Bilder von an den Strand gespülten Menschen, in Lastwagen gepferchte Menschen, toten Menschen - die müssen wir halt aushalten. Dürfen wir nicht so zimperlich sein. Nur der Stärkste überlebt."
Oder könnten wir nicht sagen: Jene, die da sind, brauchen JETZT Hilfe, und zwar DA, wo sie sind. Gleichzeitig ist endlich für eine politische Einigung in Europa zu sorgen. Es kann nicht sein, dass Länder zwar großzügig Förderungen der EU beziehen, aber in der Flüchtlingsfrage jede Solidarität vergessen. Europa erlaubt Geld ungehindert und unbesteuert bis ins kleinste Hinterland-Dorf und in die größte Großstadt zu gehen. Sind wir wirklich eine Europa, dass Geld (der Wirtschaft) etwas ermöglich, dem Menschen aber nicht?
Wir haben so viele Chancen, es zu verkacken, wieder in Kriege, in Ausgrenzung zu gehen. Aber wir haben auch EINE Chance, es diesmal hinzukriegen. Ich tu mein bestes.