Medienkritik: Wenn der Amtsinhaber schon vor der Wahl öffentlich feststeht

Heute kam die Bundesversammlung zusammen, um den Bundespräsidenten zu wählen. Dabei stand dieser doch schon vorher fest – zumindest für die Medien. Ein unglaublicher Vorgang!

Foto: Foto von NTV www.n-tv.de

Egal ob öffentlich-rechtlicher Rundfunk oder die privaten Medien: So ziemlich alle Presseorgane veröffentlichen dieselbe Aussage VOR dem heutigen Urnengang: „Frank-Walter Steinmeiners Wiederwahl gilt als sicher“. Wie bitte? Wussten die Medien etwa mehr als die 1.472 Wahlmänner und -frauen, die erst wenige Stunden NACH der medialen Krönung Steinmeiers ihre Stimmen zur Wahl des Bundespräsidenten abgeben wollten? Wohl kaum.

Was heute passiert ist, hätte sich nicht einmal die SED-Führung bei längst vergangenen Volkskammerwahlen getraut: Den Ausgang der Wahl direkt vor dem Urnengang zu veröffentlichen und damit das Wahlverhalten zu beeinflussen.

Foto: Screenshot ARDS Mediathek www.ard.de

Foto: Screenshot ARD Mediathek

Machen wir uns nichts vor: Natürlich war Frank-Walter Steinmeier der Favorit bei dieser Bundespräsidentenwahl, alle anderen Kandidaten nur chancenlose Mitbewerber. Aber darum geht es nicht. Denn in unserem demokratischen Rechtsstaat gibt es Wahlrechtsgrundsätze, die Wähler und Kandidaten gleichermaßen schützen sollen. Und diese Wahlrechtsgrundsätze wurden heute mit Füßen getreten. Durch den Grundsatz der Freiheit der Wahl wird beispielsweise die Wahlausübung gegen Zwang und andere unzulässige Wahlbeeinflussung von außen gesichert. Damit soll für den Wählenden die freie Willensbildung beim Wahlakt geschützt werden. Aber ist die freie Willensbildung tatsächlich geschützt, wenn alle Radio- und Fernsehsender den Wahlsieg von Frank-Walter Steinmeier bereits vorab als „sicher“ verkünden? – Wohl kaum.

Wohlgemerkt: Die Meldungen heute lauteten nicht: „Die Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeiner ist wahrscheinlich“. Sondern die Medien verkündeten, die Wiederwahl sei „sicher“. Der Duden übersetzt das Wort „sicher“ übrigens mit „ohne Zweifel“.

Man stelle sich nur einmal folgendes Szenario vor: Am Tag einer Bundestagswahl würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk kurz vor Öffnung der Wahllokale vermelden: „Die Wahl der XY-Partei zur stärksten Kraft gilt als sicher“. – Zu Recht würde ein Aufschrei durch die Bevölkerung und die anderen Parteien gehen, denn es ist aus gutem Grund ein ungeschriebenes Gesetz, dass sich die Medien am Wahltag möglichst in Zurückhaltung üben, was den Wahlausgang angeht. Warum aber unterbleibt dann heute ein Aufschrei?

Die mediale Krönung von Steinmeier vor dem eigentlichen Urnengang war eine Farce, denn sie ließ den nötigen Respekt vor der Bundesversammlung und dem höchsten Staatsamt vermissen. Der Versuch, mit der Berichterstattung eine journalistische Vorschau des Ergebnisses zu veröffentlichen, war weder originell noch bemerkenswert. Denn spätestens, nachdem CDU und FDP auf eigene Kandidaten verzichtet hatte, war klar geworden, dass der alte auch der neue Präsident werden wird.

Dieser Blogbeitrag ist zuerst auf dem konservativen Nachrichtenportal BLAULICHTBLOG.de erschienen.

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