Unser Leben ist geprägt Wünschen und Träumen, die im besten Fall zu Zielen formuliert werden. Ziele sind Träume mit Ablaufdatum, heißt es so schön.

Aber wer bestimmt, wann das Ablaufdatum gekommen ist? Aber was, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, das Ziel noch immer mehr Traum als Realität ist und dem Verderben nahe?

Wir bauen Luftschlösser, dekorieren die Wände mit Tapeten aus guten Vorsätzen und weisen Sprüchen, mit Stufen hinauf in den Himmel, verlieren den Boden unter den Füßen, beginnen zu schweben. Verbringen Stunden damit, uns das Leben auszumalen, das wir in unserem Schloss verbringen würden. Und wenn das reale Leben sich endlich ändert, dann werden wir uns ändern, unsere meist selbst geschaffenen Fesseln sprengen und leben wie wir wollen – so einfach geht das.

Doch dann beginnt der Traum zu bröckeln, wir stoßen uns den Kopf an der Wirklichkeit, stolpern mitunter überein paar Hindernisse und müssen feststellen – so einfach geht das leider nicht. Wünschen hilf wohl doch nicht immer, Bestellungen beim Universum werden nicht immer angenommen, auf das Schicksal zu vertrauen ohne es selbst in die Hand zu nehmen ist mitunter eine sehr einseitige Sache.

Doch woher kommen Träume? Wo bestelle ich mein Luftschloss? Auf Amazon habe ich nichts gefunden, dabei sagen sie, dort gibt es alles, was die Menschheit braucht und nicht braucht. Ausverkauft. Mit dem Hinweis, dass Personen, die diesen Artikel gesucht haben, auch nach „zufriedenem Leben“, „Glück“ und „Freiheit“ suchten. Dank personalisierter Werbung kommt man immer einen Schritt weiter, ein Hoch auf die digitalisierte Welt, wir preisen den gläsernen Menschen. Glück, Zufriedenheit, Freiheit – ja, das weckt durchaus weitere Bedürfnisse in mir. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Da die Bildvorschau nicht verfügbar war, muss ich mir wohl selbst mein Köpfchen zermartern, wie diese Dinge wohl aussehen könnten. Ratlos. Ich dachte, das Leben ändert sich halt irgendwann durch irgendwas. Nun ja, ich gebe zu, wenn ich es selbst lese klingt es mitunter ein wenig… vage. Dabei habe ich es doch sonst so gern konkret. Ich könnte probehalber ja mal versuchen, mir das Gewünschte vorzustellen. Denn, wenn das Leben sich ändert – dann ändere ich mich. Aber bin nicht ich mein Leben? Kann nicht ich es verändern und muss nicht darauf warten, bangen und hoffen, dass der mysteriöse Zufall, oder nennen wir es Schicksal, Vorbestimmung oder welchen Namen auch immer man „DEM“ auch geben mag – Warten war noch nie meine Stärke. Sollte das Schicksal dann kommen und an meine Türe klopfen, kann ich es empfangen und ihm mitteilen, dass ich bereits mit der Arbeite begonnen habe, es mir aber gerne behilflich sein darf. Aber darauf verlassen müssen möchte ich nicht. Zeitverschwendung. Das wäre ja, wie auf einen Zug zu warten, von dem man, dass er eventuell irgendwann aus dem Nebel erscheint, ob und wann es diesen allerdings gibt ist jedoch ungewiss. Nein, das ist für einen Menschen, der gerne etwas Handfestes hat, keine Option. Das überlasse ich den wahren Träumern – denen, die als Traumfänger durch die Welt schweben und darauf warten, dass der Wind sie zu ihren Wünschen trägt.

Also beschließe ich hiermit, mir mein eigenes Luftschloss zu bauen. Allerdings sind Luftschlösser von Bestand? Halten sie Wind und Erdbeben stand, wenn sie doch nur aus Hoffnung und Träumen bestehen? Vielleicht sollte ich mein eigenes Haus bauen – ehrliche Werte zu finden, auf dessen Fundament ich mir mein kleines, aber feines, und vor allem reales Häuschen selbst aufstellen kann. Klingt nach Arbeit. In einer Welt, in der alles hektisch und schnell geht, Optimierung an erster Stelle steht und man am liebsten schon gestern erreicht hat, was man heute beschlossen hat. Ich erahne bereits, dass dies nicht so schnell gehen wird. Die Suche nach dem richtigen Baustoff könnte einige Zeit in Anspruch nehmen.

Aber – ich möchte ja auch gerne drinnen wohnen. Auf Dauer. Bin kein Freund von ständigen Veränderungen, möchte ankommen und Ruhe finden. Entschleunigen. Ein Schlagwort von heute – wohlklingend, aber kaum hinterfragt. Wir wollen entschleunigen, digital Detoxen und wenn möglich nebenbei erleuchtet werden, da Achtsamkeit so wichtig ist – aber bitte bis morgen, denn als die Geduld verteilt wurde, war ich gerade damit beschäftigt, mich in der Reihe nach vorne zu drängen.

Durchatmen. Innehalten, auch wenn rundherum alle von der allgemeinen Gestresstheit bis ins von der Gesellschaft anerkannte Burnout rasen. Hast du ein Burnout, bist du strebsam und fleißig – also optimal an die Gesellschaft angepasst, ein offizieller Workaholic, Herzinfarktkandidat der nächsten Generation. Werte finden. Sich mit sich selbst beschäftigen in einer Welt, die viel über andere, nie aber über sich selbst nachdenkt. Erkenntnisse sammeln. Eine Ahnung davon bekommen, was Glück, Zufriedenheit und Freiheit bedeuten – für mich. Nicht für jeden, sondern für mich.

Und dann beginne ich zu bauen – Stein für Stein, Ziegel um Ziegel, bedächtig und langsam, um dem Ganzen Stabilität zu verleihen. Gewinne Hoffnung und übe mich in Geduld. Schaue meinem Werk beim Wachsen zu. Es sind meine eigenen Ideen, die sich in diesem Haus wiederspiegeln. Meine Handgriffe.

Denn ein schönes Leben ist scheinbar kein Bausatz, den man sich mal eben bei Ikea besorgen kann und nach der Schritt für Schritt Anleitung mehr oder weniger erfolgreich nachbauen kann – sonst hätten wir ja den Schlüssel dafür gefunden und müssten nicht mehr selbst danach suchen. Klingt logisch und Logik war schon immer mein Freund.

Während ich hier so sitze und die Aussicht aus meinem Fenster genieße, stelle ich fest, wie wohltuend es ist, stabile Gemäuer oberhalb und neben mir zu wissen. Die meinen Träumen ein Zuhause geben, aber dennoch die Realität nicht aussperren. Und hoffe, dass jeder einmal in seinem eigenen kleinen Häuschen sitzt und dieses Gefühl erleben darf, denn es ist nicht so schwer, wie es scheinen mag. Langwierig mitunter, aber nicht unmöglich. Sonst wird das ersehnte Schloss zu einer Zelle, die dich gefangen hält und von der Realität ablenkt. Und das Warten auf jemanden, der mit dem Schlüssel vorbei kommt um uns zu befreien ist wie das Warten auf die zauberhafte Lebensänderung- anfangs vielleicht noch romantisch, aber auf Dauer einfach nur unbefriedigend. Denn die Tür zu deiner Zelle geht nur von innen auf, auch wenn es Kraft bedarf, weil sie mitunter schon durch Nichtbenutzung eingerostet ist.

Wir müssen nur aufwachen und aus Luftschlössern Häuser bauen – bevor wir zu spät erkennen, dass wir eigentlich vor Ruinen stehen.

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gloriaviennae

gloriaviennae bewertete diesen Eintrag 29.09.2017 09:48:35

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