Bei Putins abgekarteter Wiederwahl waren keine OSZE-Wahlbeobachter zugelassen, aber sehr wohl wurden 3 AfD-Landtagsabgeordnete als "Demokratie-Experten" eingeladen. Das hat für mich schon ein seltsames Geschmäckle - auch wenn die AfDler ihre Reisekosten selbst bezahlt haben.

Nun könnte man meinen, die 3 (mutmaßlichen) Putinfreunde wären Einzelfälle in der AfD, die nach ihrer Rußlandreise auch prompt vom AfD-Bundesvorstand abgemahnt wurden.

Doch wenn selbst die AfD-Chefin Alice Weidel in einem Interview (hier ab 33:10 Minuten) die Geschichte von Putins gefühlter Bedrohung wegen der NATO-Osterweiterung auswalzt, ohne auch nur mit einem Wort seine diversen Verstöße gegen das KSZE-Abkommen von Helsinki zu erwähnen, dem auch die russische Föderation beigetreten ist - dann erscheint mir die Nähe der AfD zu Putin schon eher als ungeschriebenes Parteiprogramm und weniger als Ausrutscher einzelner AfD-Mitglieder.

Zur Erinnerung: Die Helsinki-Schlußakte von 1975 garantiert allen Unterzeichner- und späteren Beitrittsstaaten (somit auch der Ukraine!) u.a. die bedingungslose Bündnisfreiheit incl. eines NATO-Beitritts und verbietet die gegenseitige Drohung oder Anwendung militärischer Gewalt sowie die Einmischung in innere Angelegeneiten der anderen Unterzeichnerstaaten.

Da die NATO-Osterweiterung erst in 1999 begann (d.h. ~ 2 Jahre nach der Anerkennung der KSZE-Schlußakte durch die Russische Föderation), geht jede künstliche Aufregung über einen angeblichen Verstoß der NATO gegen russische Interessen ins Leere. Denn die russische Föderation hatte vor ihrem Beitritt über 20 Jahre Zeit, sich mit den Verpflichtungen aus diesem multinationalen Abkommen vertraut zu machen.

Daß Putin die Helsinki-Schlußakte spätestens seit Februar 2022 ungefähr wie ein Blatt Klopapier behandelt, beweist eindrucksvoll, wie verläßlich und berechenbar er in der internationalen Gemeinschaft agiert - anders ausgedrückt: Mit Putin hält die AfD einem Tyrannen von Weltrang die Stange.

Und wenn Alice Weidel in dem Interview (wie auch Tino Chrupalla im ZDF) einmal mehr sagt, statt weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine sollten doch endlich Friedensverhandlungen beginnen, spielt auch das Putin in die Hände: Denn der nennt als Voraussetzung für Frieden bzw. -verhandlungen bisher stur die Totalkapitulation der Ukraine, d.h. er würde die Bedingungen des Friedens diktieren und vermutlich ein Marionettenregime a la Belarus installieren. Was das konkret bedeuten würde, kann man sich leicht anhand seiner bisherigen Kriegsführung ausmalen - und am generellen Umgang seines Regimes mit Kritikern.

Doch die AfD kann auch mit Realitäten umgehen.

Das zeigt sich besonders beim Thema der kulturfremden und bildungsfernen Masseneinwanderung seit Merkels katastrophaler Grenzöffnung in 2015, wo die AfD als einzige deutsche Partei durchgängig Klartext redet und m.E. primär deswegen bundesweit immer mehr Wählerzuspruch bekommt.

Allerdings verträgt sich dieser kluge und nüchterne Blick aus meiner Sicht nicht mit der knallharten Datenverfälschung der AfD betr. Folgen der Corona-Impfungen, oder mit dahergeschwurbelten Thesen eines Mannes in einem Video zum Thema Elektromobilität (das AfD Bayern TV online stellt), die beim Faktencheck in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus bei Windstärke 10.

Das Gemeinsame von Ukrainekrieg, Masseneinwanderung, Corona und Elektromobilität ist:

Alle Themen haben das Potential, die Gesellschaft zu spalten. Und das funktioniert recht gut, weil praktisch jeder davon betroffen ist und gerne mal mitredet.

Zudem scheint die AfD das Psychoprinzip "Wer einmal eine banale Wahrheit gesagt hat, dem vertrauen viele fast blind auch bei ganz anderen Themen" für sich einzuspannen: Das 1. banale Thema mit dem sie groß rauskamen und immer noch groß rauskommen, ist die Masseneinwanderung. Mit dem so erzeugten Vertrauen gelingt es ihnen m.E. trotz teilweiser Lügen und Täuschungen, auch bei anderen Themen erhebliche Teile des Wahlvolkes hinter sich zu versammeln und sogar Sympathien für einen Tyrannen wie Putin zu erzeugen - was man u.a. hier bei FuF eindrucksvoll beobachten kann.

Auch die permanente und teilweise berechtigte Kritik der AfD an der EU mit der Forderung der EU-Auflösung geht in die Richtung des ur-alten Prinzips "Teile und herrsche". Denn als Einzelstaaten wären die EU-Mitgliedsstaaten auf der Weltbühne z.B. gegenüber Rußland weniger mächtig als als geschlossene EU.

So lautet meine aktuelle Vermutung zur AfD, daß sie womöglich nur ein Putin-Agent ist und ihr nicht primär am Abwenden der Islamisierung Deutschlands usw. gelegen ist, sondern eher an der Spaltung der Deutschen in möglichst viele Meinungslager.

Denn je tiefer ein Volk in sich zerstritten ist, umso leichter läßt es sich durch unterschwellige Propaganda lenken - z.B. im Interesse von Staaten wie Rußland.

Mit diesen widerlegbaren Thesen rundet sich mein Bild der AfD endlich zu einem in sich stimmigen Ganzen - auch wenn ich es sehr bedaure, wenn besonders die Einwanderungskritik der AfD nur Mittel zum Zweck anstatt ehrlich gemeint wäre.

Was mich daher brennend interessieren würde: Hat jemand von den Lesern hier jemals von einem führenden AfD-Politiker(in) etwas gelesen oder gehört in Richtung "Putin ist ein Tyrann / Diktator / Kriegsverbrecher / Despot / Autokrat / geht über Leichen / tritt die öffentliche Meinungsfreiheit mit Füßen / gehört sofort abgesetzt..."?

Oder eher nur beschwichtigende Erklärungen seines Verhaltens in Richtung "Er muß so handeln / kann nicht anders, weil doch die USA die Bösen sind..."?

Einen weiteren Blog zum Thema gibts hier.

Felix Mittermeier/pixabay https://pixabay.com/de/photos/bundestag-deutsche-fahne-reichstag-2463236/

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