Akademischer Unsinn über Covid-19, Episode 7: Der Ponyhof des pensionierten Pfizer-Vizechefs Dr.Yeadon

Manche Menschen wittern dank eines infantilen Schwarz-Weiß-Weltbildes hinter jedem geld-motiviertem Handeln automatisch böse Absichten, die man für den nichtsahnenden Rest der Welt unbedingt in ein möglichst grelles Licht zerren muß. So z.B. bei Pharmakonzernen, die neuartige "Gen"-Impfstoffe gegen Covid-19 entwickeln und verkaufen.

Wenn dann mal ein (ehemaliger) Pharma-Insider wie Dr.Yeadon "auspackt" und damit das Weltbild der besagten einfachen Geister bestätigt, verpassen sie ihm einen imaginären Heiligenschein von lebenslanger Verbreitung der Wahrheit, und nichts als der Wahrheit ... auch wenn er objektiv Unsinn von sich gibt.

Hier ein Yeadon-Video, auf das ich zufällig aufmerksam wurde:

3:10 Minuten: "Ich kenne mich also sehr gut aus in allen Dingen, die mit Biowissenschaften in Bezug auf Gesundheit und Krankheit zu tun haben."

3:42 Min.: "Ich konnte ein Muster ableiten, auch wenn es erst wenig Informationen gab".

Wer glaubt, so Eindruck schinden zu müssen, bekommt bei mir keine Vorschußlorbeeren. Aber er hat meine besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich eventuellem Bockmist, den er mit seinem Vorab-Eigenlob übertünchen will.

Dr.Yeadown zu Lockdowns

...ab 5:13 Minuten: "Nur Menschen die krank sind ... sind ein wirkliches Infektionsrisiko ... Wenn man tatsächlich Viren oder Symptome hat, ist man krank und bleibt zuhause oder im Bett. Aber es kam die Idee auf, normale Kontakte bei der Arbeit oder im gesellschaftlichen Leben zu verhindern, um die Ausbreitung der Epidemie zu verlangsamen. Ich war mir von Anfang an ziemlich sicher, daß das Schwachsinn ist."

...bei 13:50 Minuten: "Vergeßt Lockdowns. Die haben die Übertragung nie verlangsamt."

Womöglich hat Dr.Yeadon das Idealverhalten "Wer krank ist, bleibt zuhause oder im Bett" aus der 1.Vorlesungsstunde in Medizin (= als es für ihn erst wenige Informationen gab, siehe oben) für den Rest seines Lebens einfach nur abgespeichert und bedient damit das besagte Schwarz-Weiß-Weltbild infantiler Zeitgenossen.

Aber in der fiesen Realität springen Infektionen nicht "digital" um (= von völlig gesund ohne Zwischenstadien nach sehr krank). Sondern oft gibt es zuerst Tage leichter Symptome, die man noch nicht ernst genug nimmt, um zuhause zu bleiben oder beim 1.Kratzen im Hals den Dienst abzubrechen. Genau dann kann man aber schon ansteckend sein und kommt oft noch zur Arbeit, bzw. arbeitet bis zum Dienstschluß weiter. Ich habe viele Arbeitskollegen erlebt, die rotzend, hustend, schniefend, mit roten Augen und nach eigener Aussage auch mit Fieber zum Dienst kamen (und etliche weitere Kollegen ansteckten), weil sie sich für unentbehrliche Helden der Arbeit halten. Oder weil sie Angst vor Nachteilen wegen zuvieler Krankheitsausfälle haben. Das Gleiche beim Einkaufen, in Bussen und Bahnen etc.pp.

Wenn in M.Yeadon's behüteter Ponyhof-Welt niemals lebende Virenschleudern herumlaufen, gehen Kontaktbeschränkungen wie Lockdowns dort tatsächlich ins Leere. Vielleicht war er auch nie in der Öffentlichkeit des realen Lebens unterwegs, wo man immer wieder Huster, Nieser und Röchler trifft.

Man muß kein studierter Mediziner / Infektiologe / Virologe ... sein, um mittels einfacher Realdaten und ein bißchen Nachdenken zu erkennen, wie Corona-Lockdowns wirken. Als Basiswissen reichen dabei die mittleren ~ 3 Wochen zwischen einer Infektion mit Covid-19 und tödlichen Ausgängen aus:

https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/fact-sheet/details/news/verlauf-von-covid-19-und-kritische-abschnitte-der-infektion/

Die einfachste Folgerung: Wenn in einem Gebiet mit Corona-bedingt erhöhter Sterblichkeit die täglichen Infektionszahlen dauerhaft zu sinken beginnen (z.B. wegen eines Lockdowns), dann folgen die Todeszahlen dem Trend mit den besagten ~ 3 Wochen Verzögerung. Dabei ist es völlig egal, wie oft, falsch oder richtig auf Covid-19 getestet wird.

Für die 1.Welle in Deutschland sah das so aus:

Destatis + eigene Ergänzungen

3 Wochen nach dem Lockdown waren die blauen Übersterblichkeits-Schraffurstriche zwischen den Kurven für 2020 und 2016-2019 am längsten und wurden anschließend wieder kürzer. Der Vergleich der blauschraffierten Gesamtfläche oben mit der Fläche unter der COVID-19-Kurve zeigt die hohe Übereinstimmung zwischen Übersterblichkeit und Coronatoten laut RKI.

Wer trotzdem an Zufall glaubt, der möge sich noch die Daten der 6 Euromomo-Länder mit den höchsten Übersterblichkeiten im Frühjahr 2020 ansehen (die X-Achsen zeigen die Kalenderwochen). Auch dort erkennt man den immer gleichen 3-Wochen-Zusammenhang zwischen Lockdown und Rückgang der Übersterblichkeit:

Euromomo + eigene Ergänzungen

Auch im Covid-19-Katastrophengebiet New York City hat sich die 3-Wochen-Regel bestätigt:

https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/27/upshot/coronavirus-deaths-new-york-city.html, eigene Ergänzungen in deutsch

Ca. 3 Wochen ab dem Lockdown in Woche 12 (= nach der Woche 15) begannen die Todeszahlen zu sinken. Damit liegt es auf der Hand, daß die Übersterblichkeit in allen diesen Ländern und NYC ohne Lockdowns noch weiter gestiegen wäre. Anders ausgedrückt: Völlig im Gegensatz zu Dr.Yeadons Behauptungen zeigen diese Daten, daß die Corona-Lockdowns vor dem Beginn der Massenimpfungen unzählige Leben gerettet haben.

Österreichs Regierung unternahm Ende 2020 einen vermutlich unfreiwilligen Realtest mit einem weichen und kurz darauf einem harten Lockdown. Hier der Verlauf der 2. Welle im Detail:

eigene Auswertung

Grün zeigt die durchschnittlichen Toten der Wochen 40 bis 52 für die Jahre 2015-2019, anhand der Bevölkerungsentwicklung hochgerechnet aufs Jahr 2020. Die Pfeile zeigen die o.g. 3-wöchige Wirkungsverzögerung der Lockdowns.

Der Lockdown light am 03.11. (also am Beginn der 45. Woche) war ein Versuch der Regierung zur Kollateralschadensbegrenzung, die Wochentoten ergeben sich aus dem lila Linienverlauf über der Zahl 45 usw.

3 Wochen später stagnierte die Übersterblichkeit für 1 Woche, aber stieg dann weiter an und zeigt: Österreichs Lockdown light war im Rückblick größtenteils nur Zeitverschwendung. Sowas mag vielleicht in dünn besiedelten Ländern wie Schweden ausreichen, aber in Österreich ist dieser Versuch gescheitert. Erst der harte Lockdown vom 17.11. brach die Todeswelle und leitete mit den normalen 3 Wochen Verzögerung den stabilen Rückgang der wöchentlichen Übersterblichkeit ein.

Wie M.Yeadon solche Fakten ignorieren kann, ist mir schleierhaft. Aber er tut es einfach und reitet fröhlich auf dem Erlöser-Bonus herum, indem er massenhaft Sympathien für angenehm klingenden Unsinn z.B. von unwirksamen Lockdowns sammelt.

Dr.Yeadown zu asymptomatischen Infektionen

... ab 7:13 Minuten: "Um ein effizienter Infektionsherd zu sein, muß man eine Menge Viren haben. Wenn Du eine Menge Viren in Dir hast, greifen sie Dich an. Dein Körper wehrt sich dagegen. Dieser Prozeß führt unweigerlich zu Symptomen ... Wenn es also asymptomatische Übertragungen überhaupt gibt, dann sind das maximal 0,1 - 1%."

... bei 15:37 Minuten: "... daß man eine Bedrohung für andere Menschen wäre, obwohl man keine Symptome hat ... es gibt einfach keine Belege dafür."

Damit widerspricht M.Yeadon schon den 0,1 bis 1% möglichen asymptomatischen Übertragungen, die er vor 8 Minuten selbst eingeräumt hatte. Zudem gibt es z.B. auch Belege, daß die erste bekannte Covid-19-Infektion in Deutschland durch eine symptomlos infizierte Chinesin bei Webasto erfolgte: ". . . eingehenden Befragung des deutschen Patienten Null. Er und andere Mitarbeiter von Webasto, von denen tags darauf drei weitere positiv getestet werden, bestätigen, dass die Frau keinerlei Erkältungssymptome gezeigt habe. Trotz intensiver Konferenzen und mehrstündigen Business-Workshops. Keine Anzeichen von Husten, Schnupfen oder Heiserkeit. . . Eine Anfrage der staatlichen Behörden unterstreicht: Die chinesische Kollegin hat sich erst nach ihrer Rückkehr etwas krank gefühlt. Während ihres Aufenthaltes in Deutschland war sie beschwerdefrei, bis auf den üblichen Jetlag wegen des langen Flugs." Ergänzend: "Die Ansteckung habe "in einem Intervall, in dem die Chinesin noch symptomfrei war", stattgefunden, sagte Landesamtspräsident Zapf" (vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit).

Dr.Yeadown zum natürlichen Abstandsverhalten

...ab 16:00 Minuten: "Die meisten Menschen sehen schon, wenn sie auf jemanden zugehen, ob diese Person eine gesundheitliche Bedrohung darstellt ... wenn das so ist, hältst Du instinktiv Abstand."

Nun werden aber einige Fragen an Dr. Yeadon fällig: Wo könnte einem denn überhaupt ein fremder Kranker begegnen, wenn doch alle zuhause oder im Bett bleiben (5:13 Minuten)? Oder stimmt das plötzlich nicht mehr? Und wohin wollten Sie bitteschön im realen Leben Abstand halten bzw. ausweichen, wenn Sie z.B. in einer minimal-belüfteten U-Bahn gepackt wie in einer Sardinendose in der 5.Reihe stehen - und dann steigt eine hustende, rotzende, totenbleiche Virenschleuder mit geröteten Augen ein, die sich kaum auf den Beinen halten kann? Und niemand trägt eine Maske, weil die ja angeblich nicht funktionieren (13:47 Minuten)? Haben Sie diese Fragen schon einmal mit der Beobachtung verknüpft, daß die am schwersten von SARS-Cov2 getroffenen Regionen rund um den Globus meistens Ballungszentren mit U-Bahnen o.ä. waren? Ach ja, ich vergaß: auf Ihrem Ponyhof gibt es ja keine öffentlichen Verkehrsmittel.

Dr.Yeadown zur Gefährlichkeit von SARS-Cov2

... bei 17:32min (sinngemäß wiederholt bei 31:30 und 38:02): "Das ist ein Atemwegsvirus, das bei älteren und vorerkrankten Menschen etwas schlimmer ist als die Grippe."

Die wichtigsten Fragen bei Seuchen drehen sich regelmäßig um die Zahl der Todesopfer. Schauen wir also einmal mehr an, wozu Covid-19 fähig ist - z.B. in der 1.Welle in Spanien:

https://ourworldindata.org/grapher/excess-mortality-raw-death-count?country=~ESP

Die blaßgrauen Kurven zeigen ca. im Bereich Dezember bis März die wöchentlichen Todeszahlen während der Grippesaisons seit 2015.

20.935 Tote in der Corona-Woche 14/2020 bedeuten gegenüber den 8.119 Toten der gleichen Woche im Jahresmittel 2015-2019 eine Wochen-Übersterblichkeit von 158%. Im Gesamtjahr 2020 hatte Spanien rund 15% mehr Tote, als der Trend der letzten 14 Jahre erwarten ließ:

eigene Auswertung

(OWiD = Our World in Data)

Mangels plausiblerer Erklärungen muß man davon ausgehen, daß die ca. 62.000 "zuvielen" Toten zumindest hauptsächlich auf das Konto von SARS-Cov2 gehen.

Daten für New York City stehen in der Grafik weiter oben beim Thema Lockdown. Dort starben in der schlimmsten Grippewoche der letzten 4 Jahre 146 mehr Menschen als normal; die schlimmste Coronawoche hatte 6.990 mehr Tote als normal. Das heißt: Covid-19 war hier 6.990 / 146 = rund 48mal so tödlich wie die Grippe!

Ein 4-Jahres-Vergleich der Todeszahlen sieht so aus:

CDC + eigene Auswertung

Das 1.Coronajahr (2020) hatte rund 28.000 bzw. 53% mehr Tote als das Mittel der Jahre 2017-2019.

Ja, das sind ausgesucht hohe Todeszahlen. Aber sie zeigen bespielhaft das Killerpotential von Covid-19, und zwar trotz Lockdowns - während die Grippewellen der letzten (fast) 100 Jahre vergleichsweise ungebremst durch die Völker rollen konnten!

Manche vermeintlichen Corona-Durchblicker behaupten, daß "viele" der Toten wegen Behandungsfehlern und Einweisungen von Coronakranken in Altenheime gestorben wären. Allerdings hätten sich solche simplen Anfängerfehler in der mediznischen Fachwelt schnell und international rumsprechen müssen - mit der Folge, daß sie in der 2.Welle nicht wiederholt worden wären. Wäre der von den "Durchblickern" suggerierte Großteil der Coronatoten an den besagten Anfängerfehlern gestorben, dann hätten Länder, die schon während der 1.Welle im Frühjahr 2020 hohe Übersterblichkeiten vermeiden konnten, in der 2.Welle erst recht kaum Coronatote haben dürfen. Allerdings beweisen die Länder in der folgenden Grafik das Gegenteil:

https://ourworldindata.org/grapher/excess-mortality-p-scores?time=earliest..2021-02-28&country=CZE~BGR~SVN~POL

Die naheliegendste Erklärung (ähnlich zum o.g. Beispiel Österreich): Nach dem Erfolg in der 1.Welle versuchten sie es angesichts der 2.Welle mit weniger Einschränkungen und erkannten zu spät, daß ohne Massenimpfungen doch nur ein harter Lockdown hilft. Je später aber ein wirksamer Lockdown kommt, umso mehr Menschen haben sich bis dahin angesteckt, und umso mehr Coronatote gibt es anschließend.

Wenn Dr.Yeadon angesichts solcher Daten das SARS-Cov-2 Virus mehrmals als "etwas schlimmer ist als die Grippe" bezeichnet, dann kann ich nur vermuten, daß ihm Menschenleben erst ab einer Größenordnung von 100.000 aufwärts etwas bedeuten. Oder daß Daten zu Todeszahlen während der Coronawellen auf seinem Ponyhof nicht verfügbar sind.

Bei seinen anderen Themen z.B. rund um die Impfungen kann ich seine Ausführungen nicht mit eigenem Wissen abgleichen. Aber angesichts des aufgezeigten Unsinns von ihm laufe ich ihm jedenfalls nicht blauäugig-allesgläubig hinterher.

Und er hat meine Lebenserfahrung vom Anfang des Blogs bestätigt: "Je mehr Eigenlob, umso mehr Quatsch wird anschließend erzählt."

Mehr Infos über M.Yeadon: https://www.reuters.com/investigates/special-report/health-coronavirus-vaccines-skeptic/

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