Gangelt/Heinsberg: Wird ein Killervirus ungefährlich, weil man seine Beute wegsperrt?

Ende März 2020 machte sich ein Virologie-Professor namens Hendrik Streeck samt Gefolge auf, um die Ausbreitung und Tödlichkeit des Covid-19-Virus in der kleinen deutschen 12.600 Seelen-Gemeinde Gangelt im Landkreis Heinsberg zu erforschen. Dabei nahm er als Initialzündung eine Masseninfektion während einer Karnevalsveranstaltung am 15.02.2020 an, untersuchte die positiv getesteten Fälle, nahm Stichproben zu Antikörpern (die auf eine Immunisierung nach durchlaufener Infektion hindeuten) und veröffentlichte am 04.05.2020 seine Interpretation der Ergebnisse in einer 37-seitigen Studie, die u.a. besagt, dass hochgerechnet 1.892 von 12.597 = 15% der Einwohner von Gangelt infiziert wurden. So weit so gut, bis hierhin diskutieren nur wirkliche Experten über Details der Berechnungen.

Die groben Fehler beginnen bei der Ermittlung der Todesrate unter den bestätigten Infizierten (IFR), übersetztes Zitat von Seite 11/12: Zur Bestimmung der IFR wurden die Sammlung von Materialien und Informationen einschließlich der gemeldeten Fälle und Todesfälle am Ende des Datenerhebungszeitraums (6. April) beendet, und die IFR wurde basierend auf diesen Daten berechnet. Einige der Personen waren jedoch möglicherweise noch am Ende des Datenerhebungszeitraums (6. April) akut infiziert und erlagen möglicherweise der Infektion später. Tatsächlich wurde in der 2-wöchigen Nachbeobachtungszeit (bis zum 20. April) ein weiterer COVID-19-assoziierter Tod registriert. Die Aufnahme dieses zusätzlichen Todes würde eine Erhöhung des IFR von 0,36% auf geschätzte 0,41% [0,33%; 0,52%] bringen. Zitat Ende.

Tut der Herr Virologie-Professor nur so ahnungslos, oder weiß er wirklich nicht, wie lange es von einer Covid-19-Infektion bis zum Tod dauern kann? Eine kurze Internetsuche in allgemein zugänglichen Quellen hätte schon über einen Monat vor der Veröffentlichung der Gangelt-Studie folgendes ergeben (Zitat): COVID-19-Patienten versterben innerhalb von circa 18 Tagen nach Symptombeginn (beobachteter Median 18,5 [28]; modellierter Mittelwert 17,8 Tage [27]) . . . die Todeszahlen entwickeln sich also mit großer Verzögerung im Vergleich zu den Fallzahlen – das ist wichtig zur Berechnung der Schwere/Fallsterblichkeit; Menschen, die zum Zeitpunkt X sterben, haben sich daher circa 23 bis 24 Tage zuvor infiziert. Zitat Ende.

Aufgrund dieser Information (die sich auf 2 verschiedene Studien stützt) hätte ich als Gangelt-Studienleiter die Todeszahlen ab dem 23. Tag nach der ersten angenommenen Infektion bis zum 24. Tag nach der letzten akzeptierten Infektion ausgewertet, also vom 9. März bis 30. April. Und tatsächlich waren schon am 24.04. in Gangelt 9 Covid-19-Infizierte gestorben, Zitat: Die aktuelle Corona-Statistik für den Kreis Heinsberg vom 24. April (Stand 9 Uhr): . . . Für die Städte und Gemeinden ergibt sich folgendes Bild (bestätigte Fälle/Genesene/Verstorbene): . . . Gangelt 471/407/9 . . . Zitat Ende.

So hat der Herr Professor mal eben 29% der Toten "übersehen", die in seine IFR-Berechnung hineingehört hätten.

Was ändert sich deswegen? Die 0,36% IFR im Text der professoralen Studie wirken kaum höher als die vom RKI genannten 0,1 bis 0,2% für die Grippe. 9 Tote auf 1.892 Infizierte ergeben aber eine Roh-IFR von 0,48%: das ist mehr als das Doppelte des Maximalwertes für die Grippe und liegt daher psychologisch weit über 0,36%.

Noch peinlicher wird es auf Seite 8 der Studie, wo es übersetzt heißt: Im Januar, Februar und März 2020 starben in Gangelt insgesamt 48 Menschen, das waren 3 Menschen mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Zitat Ende.

Auch wenn der Herr Professor sich nicht die Blöße gibt, es explizit zu schreiben: 3 Tote mehr geteilt durch 48 Tote des Vorjahres suggerieren eine Covid-19-bedingte Übersterblichkeit von 6%, was perfekt zur gängigen und unwidersprochenen Deutung der Studie in Richtung "Covid-19 ist nicht gefährlicher als eine Grippe" passt. Allerdings überschneiden sich seine Vergleichsmonate Januar bis März erst ab dem 9.März mit dem o.g. sinnvollen Todesbeobachtungszeitraum (9. März - 30.April), mit anderen Worten:

Alles vor dem 9. März bzw. 76% des Vergleichszeitraumes vom Herrn Professor sind sinnlos!

Falls die Gemeinde Gangelt Todeszahlen nur für ganze Monate nennt, hätte der Herr Professor wenigstens März und April statt Januar bis März vergleichen sollen.

Rechnet man mangels passgenauer Daten die 48 Toten aus Januar bis März 2019 simpel und linear auf den sinnvollen Todesbeobachtungszeitraum herunter, dann bekommt man eine Normalsterblichkeits-Referenz von 28 Toten. Nimmt man weiter an, daß die Gangelter Covid-19-Toten ohne die Infektion erst nach dem 30.04.2020 gestorben wären, dann ergeben diese 9 Toten eine primitivst berechnete Übersterblichkeit von 9 / 28 = 32%: Das ist rund das 5-fache von dem, was der Januar-bis-März-Vergleich in der Studie suggeriert!

Na und, grinsen jetzt die Anhänger von Streeck, Wodarg, Püschel, Bhakdi und Co, auch nach dieser Berechnung ist Covid-19 nicht tödlicher als eine Allerweltsgrippe!

Falsch gedacht, denn Ihr habt den bildlichen Maulkorb auf der Schnauze des Kampfhundes übersehen, der sein freilaufendes Killerpotential z.B. in New York City mit kurzzeitigen Übersterblichkeiten weit jenseits von 400% angedeutet hat.

In seinen 37 Seiten Studientext spricht der Herr Professor den Maulkorb ganze 4 Mal an: als "social distancing measures causing a transient wave of infections" (Seite 2) und als "shut-down" auf Seite 7, 17 und in der Grafik auf Seite 23.

Laut jener Grafik kam der Shutdown in Gangelt am 26.02., sobald die ersten Covid-19-Infektionen erkannt wurden. So hatte das Kampfhund-Killervirus nur 11 Tage Zeit, um seit der vermuteten Masseninfektion (= Karnevalssitzung vom 15.02.2020) ohne Maulkorb unbemerkt um sich zu beißen, woraus am Ende 1.892 hochgerechnete Infektionen und 9 erwiesene Tote resultierten.

In New York City kam der Shutdown am 21.03., das war der 20. Tag mit positiven Covid-19-Tests (bis dahin über 8.000 Fälle) und der 7. Tag mit bestätigten Covid-19-Toten (insgesamt 60). Die täglichen Todeszahlen sinken dort seit ca. 14.04. – also rund 3,5 Wochen nach dem Shutdown, und plausibel zur oben zitierten Zeitspanne zwischen Infektion und Tod. Das zeigt zusammen mit den Studiendaten aus Gangelt:

Verpasst man dem Killervirus einen dauerhaft wirksamen Maulkorb, dann beginnt die Übersterblichkeit ca. 23 - 24 Tage später zu sinken. Bei einem frühzeitigen Maulkorb steigen die täglichen / wöchentlichen Todeszahlen gar nicht erst in dramatische Regionen.

Umkehrschluß: Ohne den Shutdown in NYC wären 400% Übersterblichkeit womöglich noch lange nicht das Maximum gewesen, und die schlimmsten Befürchtungen von Drosten & Co hätten wahr werden können - siehe auch hier.

Mein Fazit zur Gangelt-Studie: Neben den oben aufgezeigten Fehlern ist sie wegen des frühen Shutdowns völlig ungeeignet, um eine pauschale Ungefährlichkeit von Covid-19 zu beweisen.

Wie "ungefährlich" Covid-19 ist, sollte stattdessen an Orten untersucht werden, wo möglichst lange nichts Wirksames dagegen unternommen wurde oder wird - z.B. New York, England, oder aktuell Brasilien.

Bleibt die Frage, ob die grundlegenden Fehler in der Gangelt-Studie auf geballte Unwissenheit des Herrn Professor samt seines 20-köpfigen Teams zurückzuführen sind. Fakt ist: Beide Fehler lassen Covid-19 ungefährlicher erscheinen als es tatsächlich ist. Ich vermute daher, daß der smarte Herr Streeck sich gezielt als eine Art Anti-Drosten profilieren will, um mehr Aufmerksamkeit (und am Ende natürlich mehr Geld) zu bekommen, als es im Kielwasser des bisherigen Medienstars Drosten möglich wäre.

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