Manipulation by Servus-TV: Eine mögliche Geschichte hinter der Sterbezahlengrafik

Dies ist ein Hintergrundartikel zu diesem Blog. Eine erfundene Sammlung von Gedanken, die vielleicht so oder so ähnlich am 03.12.2020 durch die Redaktion von Servus-TV schwirrten.

Wem etwas anderes zur Entstehung der Grafik einfällt, der kann es gerne in den Kommentaren schreiben.

Ende des Vorspanns, nun kommt die Geschichte.

Frühmorgens um 9.36 Uhr des 03. Dezember bringt ORF-News einen Online-Artikel „So viele Todesfälle Mitte November wie seit 42 Jahren nicht“

ORF

„Für die Woche von 16. bis 22. November hat die Statistik Austria heute 2.431 Todesfälle gemeldet. Seit 1978 sind in einer einzigen Woche nicht mehr so viele Menschen gestorben. . . . Die für die 47. Kalenderwoche 2020 gemeldeten 2.431 Todesfälle liegen um 58 Prozent über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre."

Hm, worauf beziehen die sich? Ah ja, wohl das hier:

Statistik Austria https://www.statistik.at/wcm/idc/groups/b/documents/webobj/mdaw/mti0/~edisp/124286.jpg

Mist, diese Daten widersprechen ja mal wieder völlig unserem Narrativ, daß Corona harmlos ist und hauptsächlich nur von der Regierung zur Panikmache usw. mißbraucht wird! Dem ORF-Artikel müssen wir schnell etwas entgegensetzen, am besten heute abend in den Nachrichten mit einer passenden Grafik der Todeszahlen!

Der Auftrag lautet also, die letzten wöchentlichen Todeszahlen als möglichst normal hinzustellen. Daher schauen wir doch auch mal bei Statistik Austria rein, ob sich dort etwas Brauchbares findet. Denn alles, was von staatlichen Institutionen wie Statistik Austria kommt, wird normalerweise nicht weiter hinterfragt.

Hm, der grafische Vergleich der Todeszahlen der letzten Jahre bestätigt genau das, was der ORF schreibt. Und die schlimmsten beiden Wochen nach KW 45 fehlen sogar noch:

Statistik Austria

Aber man kann ja auch eine altersstandardisierte Ansicht wählen:

Statistik Austria

Ah ja, das ist praktisch: Die altersstandardisierten Daten vernebeln die konkreten Todeszahlen. So merkt man nur noch an der Zeitachse, daß die neuesten 2020er Daten schon seit 2 Wochen veraltet sind. Aber leider schießt auch hier die 2020er Kurve weit über die anderen Jahre hinaus.

Vielleicht sollte man andere Vergleichsjahre hernehmen? Gehen wir mal ans andere Ende der Auswahl und vergleichen die 2020er Kurve mit den Jahren 2000 bis 2004. Das macht zwar bei einem ganz neuen Virus wie Covid-19 überhaupt keinen fachlichen Sinn, aber wenn dabei eine nützliche Grafik abfällt, sche***en wir doch auf Sinn oder Unsinn:

Statistik Austria

Ach nein, das sieht ja noch schlimmer aus als die ersten Versuche!

Aber probieren wir noch kurz das Gleiche in der altersstandardisierten Ansicht:

Statistik Austria

Hoppala: Plötzlich liegt die hohe Zahl der 45.KW 2020 ganz unauffällig in den Daten der anderen Jahre! Daraus läßt sich doch etwas machen!? Packen wir mal alle Jahre von 2000 bis 2020 in die Grafik, um die Lücke zwischen 2020 und den Jahren mit den hohen Daten zu schließen:

Statistik Austria

Wunderbar! Dummerwerweise erkennt man immer noch an der Zeitachse, daß die 2020er Daten in der 45.Kalenderwoche mit 2.001 Toten enden, und inzwischen sind wir ja laut Statistik Austria bei Woche 47 mit 2.431 Toten!

Dann machen wir doch mit den Daten bis Woche 45 eine eigene Grafik und manipulieren die Zeitachse so, daß die Zuschauer unmöglich erkennen können, wann genau die 2020er Kurve endet:

Servus TV

Genial! So wird optisch perfekt suggeriert, daß die scheinbar letzten Daten aus 2020 noch im normalen Streubereich liegen: der Auftrag ist erfüllt.

Wie die gleiche Grafik mit den frisch veröffentlichten Daten der folgenden 2 Wochen aussähe, müssen wir ja nicht zeigen:

Servus TV + eigene Ergänzungen

Stattdessen schreiben wir für das Online-Video noch einen schönen Text mit wenigen, undramatisch wirkenden Zahlen: "Seit Beginn der Pandemie sind insgesamt rund 3.500 Menschen an oder mit einer Corona-Infektion gestorben. Am Donnerstag melden die Behörden 92 Todesfälle. Mitte November gab es so viele Todesfälle wie seit Jahrzehnten nicht. Aber nur auf den ersten Blick. Denn: Die Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren nicht nur gewachsen, sie ist auch älter geworden."

. . . und fertig ist die heutige Verharmlosung der Corona-Todeszahlen.

Ende der erfundenen Geschichte aus der Servus-TV-Redaktion.

Fakt ist und bleibt:

Die optische Kernbotschaft der Servus-Grafik funktioniert nur, weil sie altersstandardisierte Sterbekurven bis zurück ins Jahr 2000 verwendet. Die verlaufen wegen der Korrekturdaten aus der "Europäischen Standardbevölkerung 2013" (die natürlich nicht exakt mit Österreich übereinstimmen kann!) umso höher, je älter sie sind.

Entfernt man nur die 5 ältesten Kurven aus der Grafik, dann sieht das Ergebnis mit den höchsten Kurven plötzlich so aus:

Statistik Austria

. . . und das Jahr 2020 liegt schon mit der veralteten Kalenderwoche 45 über dem oberen Rand dessen, was den Zuschauern als Normalität suggeriert werden soll.

Generell sind Vergleiche umso zuverlässiger, je weniger Zeit zwischen dem beobachteten Ablauf und den Referenzdaten liegt: je kürzer der zeitliche Abstand, umso weniger ändern sich die Umgebungsbedingungen. Daher werden bei Sterbezahlenvergleichen regelmäßig Mittelwerte aus den letzten 4-5 Jahren als Referenz genommen.

Folglich hätte Servus-TV für einen neutralen Bericht die altersstandardisierte Grafik mit den jüngsten Jahreskurven hernehmen müssen:

Statistik Austria

Aber da war ja leider schon der veraltete 2020er Wert der Woche 45 weit nach oben aus dem Vergleichs-Streufeld herausgeschossen und hätte den bösen ORF-Bericht bestätigt: Das mußte offenbar um jeden Preis vermieden werden . . .

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Iris123

Iris123 bewertete diesen Eintrag 07.12.2020 15:00:06

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