Thüringens Verfassung soll plötzlich ganz schnell geändert werden. Warum wohl?

Nach einer Landtagswahl gibt es zuerst 1 oder 2 Wahlgänge zum thüringischen Ministerpräsidenten, wobei gewählt ist, wer die absolute Stimmenmehrheit bekommt.

Aber diese Wahlgänge können ergebnislos ausgehen, wenn niemand die absolute Mehrheit erreicht.

Im dritten Wahlgang ist laut Landesverfassung nur noch eine relative Mehrheit nötig. Bedeutet: Derjenige Kandidat, der die meisten Stimmen bekommt, wird Ministerpräsident. Wenn aber nur ein Kandidat antritt, kann es sein, dass er mehr Nein- als Ja-Stimmen bekommt. Nach Einschätzung einiger Experten wäre dieser Kandidat dann trotzdem gewählt, aber es gibt auch gegensätzliche Stimmen. Quelle

Doch nach 20 Jahren Landesgeschichte ist diese Regelung plötzlich nicht mehr gut - zumindest nach Ansicht von Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD). Er begründet seinen Eilplan zur Verfassungsänderung mit der theoretischen Möglichkeit, daß ein Ministerpräsident von den regulär 88 Landtagsmitgliedern im Extremfall trotz 87 Neinstimmen schon mit 1 Jastimme wirksam gewählt werden könnte.

Doch Maiers absurd wirkende Argumentation und plötzliche Umtriebigkeit wird nachvollziehbar, wenn man sich die Umfragen für die nächste Landtagswahl am 01.09.2024 ansieht:

https://dawum.de/Thueringen/

Die AfD steht aktuell bei 36,5% und könnte die stärkste Kraft im Landtag werden. Dann wäre die Wahl eines AfD-Ministerpräsidenten mit einfacher Mehrheit im 3. Wahlgang möglich.

Und zwar ganz ohne taktische Wahlmanöver, die seinerzeit Merkel einen scheinbaren Grund für die verfassungswidrige Forderung lieferten, die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit Hilfe von Stimmen der AfD müsse rückgängig gemacht werden.

Wenn aber in der thüringischen Verfassung klar geregelt wäre, daß ein Ministerpräsident nicht gegen eine Mehrheit von Nein-Stimmen gewählt werden kann, dann können sich die Altparteien gegen jeden AfD-Kandidaten immer wieder zu einem Nein-Kartell verbünden - so wie es seit Jahren im Bundestag praktiziert wird, um der AfD-Fraktion den ihr zustehenden Posten eines Bundestagsvizepräsidenten zu verweigern.

Oder die Altparteien können sich fraktionsübergreifend einigen, einem Kandidaten aus ihren Reihen mehr Stimmen zu geben, als die AfD-Fraktion Mitglieder hat. Genau so, wie die laut Merkel "unverzeihliche" 2020er Wahl zum thüringischen Ministerpräsidenten ablief.

Aber wenn das Gleiche plötzlich dem vermeintlichen Schutz der Demokratie vor angeblichen Verfassungsfeinden dient, dann ist das nicht mehr unverzeihlich, sondern es soll sogar husch-husch die Verfassung passend gemacht werden.

Liebe dumme Altparteien:

Im Prinzip der parlamentarischen Demokratie ist auch der Regierungswechsel angelegt, wenn der Souverän = das Volk entsprechend wählt.

Aber wenn ihr jahrelang unfähig seid, den Argumenten der AfD etwas Überzeugenderes entgegenzusetzen, dann müßt Ihr eben mal (mindestens) eine Runde auf der Oppositionsbank absitzen und zuschauen, was die AfD mit der ihr vom Volk verliehenen Regierungsmacht anstellt.

Sollte die AfD sich tatsächlich anschicken, die demokratische Grundordnung zu beseitigen, dann könnt Ihr immer noch vorm Verfassungsgericht dagegen klagen.

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