Warum ich nach 40 Jahren mit Verbrenner-Spaßautos zum E-Auto-Fan wurde.

Seit dem zarten Alter von ca. 23 habe ich immer kompakte Verbrennerautos mit relativ großen Motoren à la Golf GTI usw. gefahren. Denn wenn auf der Landstraße irgendwelche Schnarchnasen vor mir herbummeln, möchte ich sie möglichst bald überholen, anstatt mir während gefühlter Ewigkeiten ihr Tempo aufzwingen zu lassen.

Inzwischen bin ich ü60 und habe meinen Verbrenner zuletzt nur noch runde 3.000 km pro Jahr bewegt.

Kleine Strecken habe ich möglichst per Fahrrad, mit dem Bus oder zu Fuß erledigt, weil kalte Verbrenner (besonders Benziner) auf Kurzstrecken nicht nur saufen wie die Löcher, sondern auch der Verschleiß kalter Motoren um ein Vielfaches höher ist als bei normalen Betriebstemperaturen um 90°C.

Zudem habe ich mich jedesmal beim Tanken geägert, weil ich über die Spritsteuer wie eine Pampelmuse ausgepreßt werde und nebenbei noch diverse Ölförderstaaten finanziere, die teilweise gar nicht mehr wissen wohin mit ihren Petrobillionen, aber gefühlt keinem einzigen ihrer Glaubensbrüder aus anderen Ländern Asyl gewähren.

Da sich die Heizölkäufe kaum besser anfühlten, beschloß ich, Sonnenenergie anzuzapfen, um die verhaßten Zwangsabgaben wenigstens zu reduzieren (wenn ich sie schon nicht ganz vermeiden kann).

So habe ich seit kurzem eine Photovoltaikanlage (PVA) auf dem Dach, die bis zu 8,2kW liefern kann. Für meinen Jahres-Stromverbrauch ist das nach gängigen PV-Maßstäben eigentlich zu viel, aber je höher die Leistungsreserve, umso weniger Strom muß man z.B. an teilbewölkten Tagen teuer aus dem Netz beziehen.

Daher wurde auch der Gedanke interessant, meinen Verbrenner durch ein E-Auto (Battery-Electric Vehicle = BEV) zu ersetzen, um möglichst viel selbstgemachten Strom zu tanken, anstatt unserer Bananenrepublik und den Ölscheichs und -multis weiter endlos Geld in den Rachen zu werfen.

Umweltaspekte wie der akkubedingt größere BEV-CO2-Rucksack gegenüber Verbrennern sind mir dabei wurscht; daher werden solche Einwände in den Kommentaren völlig rückstandsfrei an mir abperlen.

Allerdings gaben mir erstmal die größten BEV-Probleme gegenüber Verbrennern zu denken:

-> kümmerliche Reichweiten, solange man sich nicht in die absolute BEV-Luxusklasse einkauft,

-> geringe Dichte des Versorgungsnetzes (Tankstellen vs. Ladesäulen),

-> lange Ladedauer gegenüber dem Auftanken eines Verbrenners

-> Verläßlichkeit des Treibstoffnachschubs: Zapfpistole in den Tank halten, bezahlen und weiterfahren vs. Finden einer freien und funktionierenden Ladesäule, freischalten per App oder Ladekarte, teilweise Streß mit zickenden Lade-Apps oder Ladesäulen, plus die allgemeine digitaltypische Bug-Anfälligkeit des komplexen Gesamtsystems.

Zu möglichen Problemen beim BEV-Laden an öffentlichen Säulen gibt es massenhaft Berichte. Hier ein Beispiel-Video:

Doch dann wurde mir klar, daß ich in den letzten Jahren nur noch Strecken gefahren bin, die auch mit den heute üblichen BEV-Mittelklasse-Reichweiten um 300km locker ohne Unterwegs-Laden möglich sind. Und mein Auto steht oft und lange genug zuhause, um es entspannt aus der Steckdose bzw. Wallbox zum Minimaltarif zu laden, d.h. mit möglichst hohem Anteil von selbstgemachtem Strom.

Allerdings will ich mit einem BEV nicht auf das gewohnte Beschleunigungspotential meiner Verbrenner verzichten, sondern auch weiterhin lästige Schnarchnasen überholen. Daher fielen für mich erschwingliche BEV aus Deutschland bzw. Europa oder USA (Tesla) weg, und ich mußte mich im chinesischen Sortiment umsehen. Zwar traue ich Autos von dort und den Akkus hinsichtlich Haltbarkeit und Lebensdauer noch nicht allzu weit über den Weg, aber bei einer 7-Jahres-Garantie einschl. Akku bis zu 140.000 km Laufleistung erschien mir ein Leasing über zunächst 4 Jahre relativ katastrophensicher.

Und so bin ich nun seit gut 3 Monaten mit einem MG4 in der Allradversion "XPower" unterwegs. Der hat nichts mehr mit den früheren Elektroautos gemeinsam (hier in blau, siehe ab 4:47 Minuten):

Denn ein Stromer, der beim Beschleunigen mit einem Lamborghini Gallardo oder einer japanischen Power-Legende namens Nissan GT-R mithalten kann, geht fast schon brutal vorwärts, wenn man aufs Strompedal tritt.

Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Zum Beispiel gehört der akkubedingte Leistungsverlust bei sinkendem Ladestand, der sich besonders im Winter als immer schwächere Beschleunigung zeigt, nicht zu den erfreulichen Features meines BEV. Doch das ist nach kurzer Gewöhnung berechenbar genug, um damit umzugehen und z.B. etwas längere Überholwege einzukalkulieren.

Und ja, die eh nicht üppige Reichweite sinkt im Winter sogar noch weiter ab, weil besonders die Heizung zusätzlich Strom frißt und die Akkuchemie bei tiefen Temperaturen an Wirkungsgrad verliert.

Auch die kurze checklistenartige Prozedur vor jedem Fahrtbeginn zum Deaktivieren aller nervigen Assistenzsysteme, die nach jedem Neustart der Software standardmäßig aktiv sind, ist kein Quell der Freude.

Doch solche Dinge können mir das BEV-Fahren nicht vermiesen, denn außer der genialen Beschleunigung gibt es noch weitere Vorteile:

-> BEV stecken selbst hochdosierte Ultrakurzstrecken völlig ungerührt weg, so daß ich bildlich schon aus der Garage heraus jede Schnarchnase überholen kann, ohne wie beim Verbrenner vorzeitig den Motor hinzurichten.

-> Die Ruhe beim Fahren mit einem BEV (von dessen E-Motoren man selbst beim vollen Beschleunigen allenfalls ein leichtes Summen hört) macht mich unglaublich gelassen. Im Vergleich dazu erscheint mir der typische Verbrennerkrach plus Vibrationen besonders bei Vollgas nur noch lästig, obwohl ich dieses Spektakel vor meiner BEV-Zeit meistens als irgendwie positiv und dazugehörend empfand.

-> Die Wartezeit zwischen zwischen Tritt aufs Strompedal und der entsprechenden Beschleunigung schrumpft gefühlt auf Nullkommanull. Erst nach solchen Erfahrungen wird einem als Verbrennerfahrer bewußt, wie lahmarschig sein Wagen reagiert, wenn Zeit beim Einlegen des optimalen Ganges für die aktuelle Geschwindigkeit verlorengeht, und die berühmte Turbogedenksekunde das Ansprechen moderner Verbrenner noch weiter einbremst.

Aber mit diesem Blog will ich niemanden zum unüberlegten Umstieg auf ein BEV überreden.

Denn wenn ich noch so viel fahren würde, daß ich regelmäßig unterwegs statt zuhause laden müßte, wäre das angesichts der bisherigen Lade-Infrastruktur und des Zeitverlustes beim Laden wohl schon ein subjektives KO-Kriterium.

Wer aber nicht aus irgendwelchen ideologischen oder emotionalen Gründen am Verbrenner festhalten will, zuhause die Möglichkeit einer Wallbox-Installation hat, und dessen Verbrenner regelmäßig so lange zuhause steht, daß auch ein BEV immer wieder vollgeladen werden könnte ... dem kann ich nur empfehlen, mal ein potentiell passendes BEV z.B. übers Wochenende auszuleihen und dabei in eine ganz andere Welt der Individualmobilität reinzuschnuppern.

Für mich ist jedenfalls innerhalb weniger Stunden BEV-ErFAHRung klar geworden, daß Verbrenner in meiner Lebenssituation(!) nur noch drittklassige Notbehelfe sind, um von A nach B zu kommen.

Annallarionova/pixabay https://pixabay.com/photos/bridge-crimean-white-cars-track-3774004/

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