Dieser Tage ist „Gott“ wieder in die Politik eingezogen. „Gott“ steht für Werte, die wir uns nicht nehmen lassen wollen. Meinen Einige. Wissen Sie, dass die Kirche und die Wirtschaftskammer ähnliche Finanzierungsstrukturen haben?

Beide haben Pflichtbeiträge für ihre Mitglieder, die gesetzlich verankert sind. Beide haben über die Jahrzehnte aufgebaute Vermögenswerte, die auch auf Basis der Zwangsmitgliedschaftsbeiträge gefüttert wurden.

Die WKO hatte 2015 Personalkosten von 295 Millionen Euro, die katholischen Diözesen veranschlagten 2014 dafür 359 Millionen Euro. „Vorteil“ bei der Kirche: man kann austreten und seine persönliche Form des Glaubens leben. Diesen liberalen Aspekt hat die WKÖ nicht: Gewerbeschein verpflichtend, erschwert Wettbewerb, schützt Altes, verhindert Neues und die Funktionäre leben auf Kosten der Mitglieder wie die Made im Speck. Die Kammern horten ein Vermögen von über 1 Milliarde Euro.

Zünfte sichern Pfründe

Der Entwurf der Regierung zur Entbürokratisierung der Gewerbeordnung lässt nicht viel Hoffnung aufkommen. Warum? Weil die Wirtschaftskammer ihre Pfründe hütet. Sie reguliert den Markt zu Tode, zelebriert die höchste Form des Protektionismus (erinnert ein wenig an CETA-Diskussion btw) UND sichert somit auch die Finanzierungsbasis für alle Kammerorganisationen. (Ich darf zB an die schiefe Optik der enormen Spesen der Tiroler Wirtschaftskammer erinnern).

Was wir brauchen, ist ein göttlicher Funken, oder viel besser (nämlich im Sinne von Joseph Schumpeter) eine schöpferische Zerstörung für eine neue Gewerbeordnung. Ich darf kurz erinnern: Auslöser für die schöpferische Zerstörung im Sinne Schumpeters sind Innovationen, die von den Unternehmern mit dem Ziel vorangetrieben werden, sich auf dem Markt durchzusetzen.

Zitat: „ … Industrielle Mutation …, die unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft.“

Wir brauchen daher eine radikale Deregulierung, die die bestehende Gewerbeordnung im Sinne Schumpeters beseitigt. Wir müssen die Gewerbeordnung von Grund auf erneuern und nicht nur verbessern! Wir müssen das Prinzip der freien Gewerbeausübung verankern und gleichzeitig einen Ausnahmekatalog entstellen, der einen Rahmen schafft, der Wettbewerb sichert und fördert. (ein ordoliberales Ansinnen).

Lehrlingsausbildung ungefährdet

Ich forderte als NEOS Wirtschaftssprecher schon immer als eines meiner zentralen politischen Anliegen eine tiefgreifende Liberalisierung der Gewerbeordnung. Daher kenne ich auch die beliebtesten Gegenargumente in und auswendig. Unbestrittene Nummer 1: die Lehrlingsausbildung und damit Meisterprüfung sei gefährdet. Das österreichische Exportgut der dualen Ausbildung wird damit ad absurdum geführt.

Dass dies nichts mit einer Liberalisierung der Gewerbeordnung zu tun hat, untermauert der Lehrlingsausbildungs-Experte der Wirtschaftskammer (!), Alfred Freundlinger. Er sprach bereits 2011 in einem Interview für “Die Presse” vom 3. November dieses Problem an:

”Nicht Lehrlinge suchen verzweifelt Lehrstellen, sondern Unternehmen suchen begierig Lehrlinge – eine solche Situation könnte künftig durchaus möglich sein. Es gibt bereits jetzt in bestimmten Branchen regional mehr Lehrstellen als Bewerber. Und dieser Trend wird sich aufgrund der demographischen Entwicklung sicher noch verstärken.“

Das heisst, Österreich hat ein demographisches Problem. Und trotz der möglichen Lösung vor der Nase, wird nicht gehandelt. Was ich damit meine? Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wären nicht nur dankbar sondern auch im Sinne einer funktionierenden Integration perfekt als Lehrlinge auszubilden. Demographisches Problem gelöst, Integrationsfördernd, liberales Gesellschaftsbild perfektioniert.

Ebenda (nämlich am 1.September 2016) verweist Freundlinger auf die Probleme innerhalb der sogenannten Bildungshierarchie.

”… es drängen auch immer mehr Jugendliche in eine höhere Schulausbildung. Es besteht ein massiver Trend in der Bildungshierarchie, eine höhere akademische Ausbildung werde von vielen als immer erstrebenswerter erachtet.”

Merken Sie etwas? Weder Bildungsreform noch Gewerbeordnung neu und schon gar nicht die Integrationspolitik sind Ergebnisse einer schöpferischen Zerstörung. Zeit, diese endlich im Sinne Schumpeters einzuleiten.

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 03.11.2016 21:57:35

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