Ob unsere Reise ein einmaliges, unvergessliches Erlebnis wird, hängt nicht bloss von der Planung und vom Wissen um die spektakulärsten Sehenswürdigkeiten ab. Der oft vergessene, aber meiner Meinung nach entscheidende Faktor heisst Zufall. Das fängt schon beim Wetter an. Je nachdem, wieviel Regen beziehungsweise Sonnenschein es gibt, fällt unser Fazit für ein und denselben Ort ganz anders aus. Es geht weiter bei den Menschen, die man trifft. Denn die neuen Bekanntschaften tragen einen nicht unerheblichen Teil dazu bei, wie wir eine Reise beurteilen. Und wen wir treffen - das ist wiederum ganz allein dem zufall überlassen. Schlussendlich nicht zu vernachlässigen sind diese perfekten Momente in den Ferien, die sich nicht planen, vorhersehen oder kaufen lassen. Ich persönlich denke dabei immer an einen frühen Abend im Hafen von Doolin an der irischen Westküste. Kein besonders schöner Hafen, aber ein besonders schönes Erlebnis: Ein Sonnenuntergang, den den Himmel in Pink-, Orange- und Rottönen leuchten liess, während einige schäumende Wellen das strahlend blaue Meer zogen und an den Steinen am Ufer ausliefen. Auf der anderen Seite der Bucht waren die Cliffs of Moher zu sehen, eine der wohl maleristischen Landschaftspunkte Irlands. Als wäre das nicht genug, tauchten auch noch Delfine auf. Mehrere Minuten lang drehten sie ihre Kreise, holten in Synchronschwimmer-Manier nebeneinander Atem, sprangen in die Luft - eine faszinierende Show mit tief beeindruckten Zuschauern.
Wäre diese Szenerie in einem Film gezeigt worden, hätte sich wohl ein grösserer Teil der Zuschauer - inklusive mir selber - ab dem allzu offensichtlichen Kitsch genervt. Wer es selber erlebt, dem bleibt eine unbezahlbare Erinnerung, die noch viel Stoff liefern wird für Kopfkino an einem langweiligen Montagmorgen.
Auch das Gegenteil des perfekten Moments existiert: Erlebt habe ich das an einem anderen Strand, der ein manifestiertes Postkartenmotiv ist - wenn es die Umstände zulassen. An jenem Tag aber war der Himmel grau, das Wasser bleifarben und viel zu kühl, der Sand schlammig und unansehlich vom Regen der Nacht. Auch die Palmen, die ansonsten dem Traumstrand die Krone aufsetzen, standen kraftlos und blass da. Ein Touristenpaar schenderte dem Strand entlang und war sichtlich enttäuscht. Sie hatten wohl Bilder eines perfekten Moments gesehen und nun, mit der Realität eines anderen Moments konfrontiert, ein Erlebnis, das ihren Aufenthalt eher verschlechterte als verschönerte.
Möglicherweise ist auch genau das ein Hauptproblem unserer Werbung: Sie zeigt (logischerweise) einen perfekten Moment - aber der lässt sich nicht erzwingen. Er kommt einfach irgendwann, ohne Vorankündigung, ohne unseren Einfluss. Am besten, wir lassen uns überraschen.