Wassersport. Dabei denken die meisten wohl an tropische Inseln mit Sandstrand, Palmen, Korallenriff und ein 25 Grad Celcius warmes Meer. Surfen in Hawaii, Tauchen in der Karibik - so sieht die Idealvorstellung eines Mitteleuropäers ganz allgemein aus. Ich hingegen verbrachte vor ein paar Jahren meine Sommerferien in Irland, versuchte dort, meiner Leidenschaft nachzugehen - und wurde von der Liebe eiskalt erwischt.
Das Zodiac hüpft über die Wellen vor den Maharees-Inseln, wir hüpfen mit. Auf den dicken Gummiwänden hockend, mit beiden Händen die Leinen an der Aussenseite festkrallend, fahren wir über das aufgewühlte Wasser des Atlantiks. Das Zodiac hält mit einem Ruck. Wir nesteln uns irgendwie in die Tarierweste mit der schweren Pressluftflasche, ziehen die Tauchmaske übers Gesicht und den Bleigurt um den Bauch. Rolle rückwärts ist angesagt, doch ich stiere nur auf das undurchdringliche, schwarze Wasser, als könnte es dadurch aufklaren. Ein mulmiges Gefühl packt mich, unter dem sich die Neugier und Vorfreude zurückziehen. Ich weiss, ich will da hinunter, will diese fremde Welt sehen. Ich drehe mich zu meinem Tauchbuddy um: "Schubs mich ins Wasser, ich gehe nicht von selbst." Das lässt sich dieser nicht zweimal sagen und schon falle ich in die obersten Meter Atlantik.
Die Umgebung ist nur schemenhaft erkennbar, das trübe Wasser erzeugt eine mystische Atmosphäre. Langsam formen sich die unscharfen Konturen zu Shilouetten, ein wenig tiefer unten sind wir dann umgeben von Kelp, jener Riesenalge der kälteren Meeresgebiete. Es wuselt zwischen den grossen grünen Blättern; winzige Krabben, junge Fische und Schnecken finden darin Schutz.
Es ist etwas gewöhnungsbedürftig, mit zwei Neoprenanzügen zu tauchen, ausserdem ist die Landschaft nur sehr düster durch die mehrheitlich absorbierten Sonnenstrahlen beleuchtet. Ich muss zugeben, den ersten Tauchgang nicht ohne ein gewisses Unwohlsein hinter mich gebracht zu haben. Aber ich bin begeistert von dieser Andersartigkeit, den Krabben so gross wie Suppenteller, den allgegenwärtigen, silbern schimmernden Kabeljaus (und wer bitte hat die schon einmal lebendig gesehen?) und den kleinen Katzenhaie, die faul auf dem Grund herumliegen. Dicht unter der Wasseroberfläche ziehen einige stattliche Kompassquallen ihre langsamen Runden.
Mein Tauchbuddy und ich sind die einzigen Menschen hier weit und breit, offenbar gibt es nicht so viele Verrückte und Vernarrte, die den Aufwand betreiben, diese Welt zu erleben. Für mich lohnt es sich allemal, mich à la Presswurst in steife, klamme Tauchanzüge zu quetschen. Danach im Wasser fühle ich mich umso freier, ein bisschen wie eine Forscherin und Entdeckerin an einem Ort, den nur die wenigsten Menschen erleben.
Und nach dem Tauchgang, wenn wir uns der tropfenden, kalten Ausrüstung entledigt und uns eine warme Dusche genehmigt haben, sitzen wir in einem Restaurant und lassen das Erlebte im Kopfkino und bei Gesprächen mit den Landratten Revue passieren.
Die Wassersport-Aktivitäten für diesen Tag sind aber noch lange nicht beendet: Am Nachmittag stehe ich auf einem Brett, und das nicht besonders sicher. Ich schaukle hin und her, schwinge die Arme, um das Gleichgewicht zu halten. Zwecklos. Ich falle auf den Sandboden unter den seichten Ausläufern meiner Welle. Das Salzwasser brennt in den Augen und das Surfbrett an meinem Fussgelenk schleift durch die Brandung. Ich klemme mir das riesige Schaumstoffding unter den Arm: Es ist kein stylishes, schnittiges Board, wie man es aus Filmen oder Werbeclips kennt. Denn diese sind die Werkzeuge der Profis: je kleiner das Brett, desto schwieriger ist es zu beherrschen.
"You have to read the ocean", sagt mein Surflehrer halb routiniert, halb leidenschaftlich. Die beste Balance nützt nichts, wenn jemand kein Auge für die Wellen hat. Im selben Kurs wie ich ist ein deutscher Leichtathlet, den nichts von seinem Brett werfen kann, der aber jedesmal auf die falsche Welle setzt.
Ich laufe wieder in die Bucht hinaus, drücke das unhandliche Board durch die Brandung, bis mir das Wasser zu den Schultern reicht. Weiter dürfen wir nicht, aber die Wellen hier genügen vollkommen für unsere Verhältnisse. Dann heisst es, das Brett umzudrehen, bäuchlings darauf zu liegen, so das die Zehenspitzen gerade über den Rand hinausragen, und den Wellen zuhören. Wenn man seine Welle näherkommen hört, beginnt das Paddeln. Sobald sie einen mitträgt, werden die Arme hochgezogen und auf das Vrett gestemmt und die Beine an den Körper gezogen. In dieser Kauerstellung sollte man verharren, bis das Gleichgewicht richtig gefunden ist - früher aufzustehen, in der Hoffnung, länger surfen zu können bringt meistens nichts. So verbringe ich am Anfang manchmal die Hälfte der Strecke zum Strand in der Kauerstellung und fahre nach wenigen Sekunden Surfen in den Sand.
Es ist eine ziemlich technische Angelegenheit, bis die Bewegungen sitzen. Und dann, irgendwann, liege ich draussen in der Bucht auf dem Brett und höre meine Welle näherkommen. Wie von selber stehe ich auf, hebe die Arme in alter Surfmanier auf Brusthöhe, spüre die Beschleunigung und fliege mit meiner Welle auf den Strand zu.