Qualitätsjournalismus? Ab mit Euch auf die Straße!

Ich geb's zu: Wut und Ärger treiben mich heute. Nein, eigentlich schon seit Tagen. Auslöser war ein Beitrag von fischundfleisch über Pegida, worin wir festhielten, dass Jurist Ewald Stadler für den Wien-Ableger der Bewegung tätig sein wird. Wir hatten daraus einen sachlichen Bericht gemacht und unsere persönliche Meinung zu Stadlers Engagement bewusst ausgespart. Denn: Unsere Leser sollen sich selbst ein Bild machen, wir wollen niemandem sagen, was er/sie zu denken hat.

Fast alle Leser haben die Sache so wie wir gesehen, nur einige wenige vermissten ergänzende Kommentare unsererseits und sprachen von mangelndem "Qualitätsjournalismus" – diese Kritik kam vor allem von einem Nachwuchs-Journalisten. Da platzte mir der Kragen. Qualitätsjournalismus? Diejenigen, die darüber sprechen, haben meistens keine Ahnung davon.

Lasst mich etwas erzählen, über Journalismus. Ich bin seit gut 15 Jahren Journalistin, Fernsehen, Print, Online. Mein Herz schlägt für spannende Geschichten. Wenn ich auf eine gute Geschichte stoße, so ist das für andere als würden sie viel Geld auf der Straße finden oder sich frisch verlieben. Wenn ich brisante Papiere in die Hand gedrückt bekomme oder einer heißen Fährte auf der Spur bin, dann ist das Adrenalin pur, es ist wie von einer Brücke zu springen, von einem hohen Turm, es ist ein absolut geiles Gefühl.

Ich habe Preise gewonnen, die mir nichts bedeuten, Handelspreis, Nummer 2 der Wirtschaftsjournalisten, hab einen Bestseller geschrieben, dann den Innovationspreis für fischundfleisch bekommen, war bei Markus Lanz im ZDF und immer wieder im Radio etc – na und? Glaubt es mir oder auch nicht, aber all das bedeutet mir nichts. Denn: Nichts, absolut gar nichts ist so gut wie eine echt heiße Geschichte. Es ist wie eine Sucht, Florian Klenk, Kurt Kuch (RIP) und Ashwien Sankholkar wissen, was ich meine.

Als ich die ersten Geschichten über den Skylink schrieb und somit den Skandal aufdeckte, als die deutsche Bild Zeitung eine meiner Geschichten rund um die damalige Opel-Sanierung abschrieb, als mich die Zeit im Bild mehrfach zitierte, orf.at und einige Radiosender einige andere meiner Geschichten aufgriffen, ja, das ist es, darauf bin ich stolz! Dafür bin ich Journalistin geworden. Um aufzudecken. Mein Chef scherzte immer, weil ich mich eine zeitlang im Rotlicht herumtrieb, aber mal ehrlich, dort liegen eben besonders viele gute Geschichten herum.

Qualitätsjournalismus heißt, auf Missstände aufmerksam zu machen und sie aufzudecken. Klar, nicht jeder gute Journalist muss investigativ tätig sein. Soll auch nicht. Fundierte umfassende Analysen und Berichte haben im Journalismus ebenso ihren Platz und sind sehr wichtig.

Und noch was: Tage bevor wir die Pegida-Stadler-Geschichte auf f+f veröffentlicht hatten, wurde sie schon in einem Beitrag eines Users thematisiert, dieser User brachte die Story also vor (!) uns. Der besagte Nachwuchsjournalist, der uns kritisierte, kannte diesen Beitrag und kam nicht auf die Idee, zum Hörer zu greifen und Ewald Stadler in seiner Kanzlei anzurufen und zu fragen, ob es stimmt, dass er Pegida-Berater werde. Im Klartext: Er ging dieser Story nicht nach. Himmel, wie tot ist der Journalismus in diesem Land wirklich? Nennen will ich besagten Nachwuchsjournalisten nicht, weil ich ihm nicht schaden will. Da kann er noch so über uns schimpfen. Ich will mich nicht auf dieses Niveau begeben.

Ich sprach auch mit Lehrbeauftragten über den Nachwuchs und wurde immer nachdenklicher. Fazit: "Die wenigsten zeigen Eifer" Und das sind die Worte eines Professors. Das ist keine Pauschalverurteilung! Es gibt herausfragende Nachwuchsjournalisten, keine Frage, spontan fällt mir Stefan Schett ein, der bei uns bloggt.

Aber was können wir tun, um die Situation zu verbessern?

Kurt Kuch, ich vermisse dich. Es gibt nicht mehr viele von deiner Sorte. Florian Klenk und Michael Nikbakhsh, Hedi Schneid, Ashwien Sankholkar, Renate Graber und Angelika Kramer, Corinna Milborn, Isabelle Daniel und noch ein paar wenige andere.

Ein Jammer, wirklich schade. Dabei ginge es so einfach: Geht raus auf die Straße! Macht Euch Termine, trefft zB Aufsichtsräte interessanter Firmen und Politiker, so stößt ihr bestimmt auf gute Geschichten! Lassen wir den Journalismus in diesem Land wieder leben!

Nachtrag: Ein guter Bekannter, den ich sehr schätze, er ist Manager in einer Zeitung, hat mir gerade geschrieben. "Silvia, warum so beleidigt? Das kommt nicht gut. Stimmt inhaltlich zwar, aber so machst du dir keine Freunde, nimm dich zurück" Ich weiß, dass er Recht hat, aber ich wollte es mir einfach mal von der Seele schreiben. Dann kommt es eben nicht gut.

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Herbert Erregger

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