Afrophobia in Südafrika. Ein Standpunkt.

Zum zweiten Mal in sieben Jahren erfährt Südafrika die tödlichsten fremdenfeindlichen – in Südafrika nennen Sie es afrophobisch – Unruhen seiner Post-Apartheid Geschichte. Während im Jahre 2008 die meisten Opfer aus Mozambique, Malawi und Zimbabwe stammten, hat sich die Zahl afrikanischer Länder der Opfer erweitert. Seit zwei Wochen haben es afrikanische Migranten in Südafrika sehr schwer. Sie werden gezielt verjagt, misshandelt, terrorisiert, gelyncht und ermordet. Diese Taten sind nicht vom Himmel gefallen.

Die Täter – die meisten aus der größten Bevölkerungsgruppe des Landes, die Zulu - reagierten auf einen Appell deren Königs, King Goodwill Zwelithini, am 20. März 2015. Der Anführer der Zulu hetzte gegen Ausländer auf. Besonders gegen die, die wirtschaftlich erfolgreich sind und Kleinladen besitzen. Laut mehreren südafrikanischen Medien sagte er bei einem Besuch im Saal in der Provinzstadt Pongola wortwörtlich: „Die Ausländer sollten ihre Sachen packen und abhauen, da sie in einer ungerechten Konkurrenz mit Südafrikanern stehen“. Obwohl er in Südafrika nur eine repräsentative Position hat, wiegt das Wort des mächtigsten Königs des Landes sehr schwer. Die Zulu sind die größte ethnische Gruppe Südafrikas. Schätzungsweise sind sie zwischen zehn und elf Millionen im ganzen Land, vorwiegend in der Provinz Kwazulu-Natal.

Seit seiner Rede sind mindestens sechs Ausländer aus nur afrikanischen Ländern getötet worden. Zahlreiche Geschäfte, die den „ausländischen Afrikanern“ gehören, wurden geplündert, mehrere Autos und Häuser zerstört. Die Regierung, die hochrangigen Politiker genauso wie mehrere Akteure der Zivilgesellschaft, blieben bis letzten Donnerstag untätig. Der Sohn vom südafrikanischen Präsidenten Jakob Zuma – auch ein Zulu - zögerte sogar nicht, diese Hassrede öffentlich zu unterstützen. Grund für die Gewalttaten ist die weit verbreitete Meinung, dass „andere afrikanische Bürger die Jobs der Südafrikaner wegnehmen.“

Die Südafrikanische Denkfabrik Migrating for Work Research Consortium (MiWORC), die sich ausschließlich mit der Auswirkung von Migration auf dem südafrikanischen Arbeitsmarkt beschäftigt, ist anderer Meinung. Im Jahre 2014 haben sie zwei Studien herausgegeben. Beide besagen, dass nur vier Prozent von den insgesamt 33 Millionen beschäftigten „Internationale Migranten“ waren. Also 1, 2 Millionen. 79 Prozent davon kommen aus afrikanischen Ländern, 17 Prozent waren Weiße und drei Prozent Asiaten. Während 26,16 Prozent der Südafrikaner arbeitslos sind, sind es nur 14,68% arbeitslose „Internationale Migranten“. Wie von der Studie unterstrichen wird, leben Internationale Migranten allerdings – meist aus anderen afrikanischen Ländern - oft von prekären Jobs, sind meist nur in Arbeitsfeldern tätig, wo einheimische Südafrikaner nicht tätig sind sowie viele im informellen Sektor. Laut MiWORC sind 32.65 Prozent von Internationalen Migranten, hingegen 16.57 der Südafrikaner im informellen Sektor beschäftigt.

Am schockierendsten sind die afrikanischen Länder. In einer Presseaussendung versteht John Dramani Mahama, Präsident der Republik Ghana und Vorsitzender der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS nicht, „Warum Menschen, deren Nationen sich für das Ende des Apartheidsystem geopfert haben, heute in Südafrika barbarisch getötet werden". Die ECOWAS begrüßt trotzdem den Aufruf zum Frieden vom südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma, allerdings wünscht sich die ECOWAS „einen nationalen Aktionsplan gegen Fremdenfeindlichkeit in Südafrika.“ Ein Mitglied der ECOWAS, nämlich Nigeria, ist am meisten enttäuscht. Gestern in Abuja demonstrierten Nigerianer in Abuja gegen die afrophobischen Ausschreitungen in Südafrika. Niemand wird vergessen, dass Nigeria, deren Bürger unter den Opfern sind, Billionen US Dollars dafür bezahlte, um Apartheid zu besiegen.

In den 80er z.B. zahlten nigerianische Beamten freiwillig 5% ihres Monatslohns für die Befreiung Südafrikas. Laut South African Institute of International Affairs (SAIIA) gab Nigeria zwischen 1960 und 1994 61 Milliarden Dollar für die Bekämpfung der Apartheid aus. Das ist das afrikanische Land, das sich am meisten geopfert hat. Außerdem erstellte die nigerianische Botschaft in Botswana im Jahre 1976 (Soweto Unruhen) mehr als 300 Reisepässe für Südafrikaner, die das Land verlassen wollten. Auf der kontinentalen Ebene war die Reaktion der Afrikanischen Union auch klar. Derzeit geleitet von der Südafrikanerin und früheren Ehefrau des aktuellen Präsidenten Südafrikas Nkosazana Dlamini-Zuma stellt die Organisation klar, dass „Die fremdenfeindlichen Attacken nicht akzeptabel sind“. Außerdem thematisierte sie auch die vorkämpferische Rolle der Afrikanischen Union in der Bekämpfung der Apartheid in Südafrika.

Am 25. Mai 1963 gründeten dreißig Staaten die Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU). Die allererste Aktion der OAU im selben Jahr war die Gründung des OAU Apartheid Befreiungskomitees mit dem Ziel Befreiungsbewegungen wie die SWAPO in Namibia und die ANC in Südafrika zu unterstützen, um weiße Kolonialisten und Unterdrücker zu bekämpfen. Weil die Befreiung Südafrikas viele Nationen nicht nur Geld gekostet hat, sondern auch diplomatische Beziehungen. Niemand wird vergessen, dass Länder wie Tansania, Angola, Zambia, Mozambique und Zimbabwe eine wichtige Rolle spielten in der finanziellen und logistischen Unterstützung des ANC, der das Land auch befreite.

Unter den Opfern der aktuellen Fremdenfeindlichkeiten kommen viele aus Zimbabwe, Tansania, Sambia und Äthiopien. Das sind Länder, die im Februar 1990, acht Tage nach seiner Befreiung, von Nelson Mandela besucht wurden. Warum? Weil sie Länder waren, die auch sehr aktiv gegen das Apartheidsystem kämpften. Es gibt noch mehrere Beispiele, die einfach zeigen, dass die Tötung der Afrikaner in Südafrika alle Afrikanerinnen betrifft. Südafrika als Land, als politisches Gewissen eines Kontinents und als Kristallisationspunkt der Befreiung des Kontinents darf sich heute keine Fehler mehr erlauben in afrophobische Fremdenfeindlichkeiten zu fallen.

Noch eine letzte Bemerkung. Nach Anhaltenden Protesten schafften zumeist schwarze Studenten vor zwei Wochen an der Universität Kapstadt das Denkmal des Kolonialisten Cecil Rhodes zu entfernen. Das war ein Sieg gegen die Rassisten, die jahrelang ein System aufbauten, um Schwarze zu unterdrücken. Heute bauen schwarze Südafrikaner ein System auf, um andere Schwarze, die an deren Befreiung teilnahmen, zu unterdrücken. In ganz Afrika ist die Empörung sehr groß und als Afrikaner fragt man sich, was für ein Afrika in der Südafrikanische Hymne „Gott segne Afrika“ gemeint ist. Sicher nicht dieser Kontinent, der bis heute noch immer darunter leidet, dass willkürlich errichtete europäische Grenzen Familien getrennt hat. Nein, ein Afrikaner ist kein fremder in Afrika. Ein Afrikaner ist überall in Afrika zuhause. Das war damals der Grund, warum Südafrikaner während der Apartheid überall in ganz Afrika zuhause waren.

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Bernhard Juranek

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Silvia Jelincic

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