Österreich, Deutschland, Frankreich, Großbritannien – alle haben die Tötung von mehr als einer Million Armenier als Völkermord anerkannt. Nach 100 Jahren. Afrikanische Völkermorde durch Kolonialmächte werden hingegen nicht einmal thematisiert. Die Deutschen haben vor 111 Jahren einen Völkermord in Namibia begangen. Die Völker der Hereros und Nama wurden vernichtet. Bis heute will Deutschland nichts davon wissen.
Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Portugal haben die transatlantische Sklaverei aktiv mitgestaltet. So wurden schätzungsweise zwischen 17 und 22 Millionen AfrikanerInnen mit brutaler Gewalt aus Afrika verschleppt, unter unmenschlichen Bedingungen in Schiffe gepfercht und – falls sie die Überfahrt überlebten – gezwungen, in Plantagen zu arbeiten.
Im Jahre 2001 hat die UNO in Durban, Südafrika, eine Weltkonferenz gegen Rassismus einberufen. Die obengenannten Länder und die USA lehnten jedoch jede finanzielle Wiedergutmachung und Kompensation für die Sklaverei ab. Zwischen 1885 und 1906 fielen dem Genozid im sogenannten Kongo schätzungsweise 10 Millionen Menschen zum Opfer, umgekommen durch die Folgen von Gewalt, Zwangsarbeit, Verschleppung und gezielte Tötung. Der belgische König Leopold II war dafür verantwortlich. Hat sich Belgien dafür entschuldigt? Bis heute nicht. Ist es die Tötung von 10 Millionen Afrikanerinnen Wert, dass man sich dafür entschuldigen muss? Offenbar nicht, meinen die Belgier. Haben andere Kolonialmächte im Namen der Gerechtigkeit und Menschenrechte damals etwas dagegen unternommen oder zumindest ihre Stimme erhoben? Nein. Warum eigentlich nicht?
Darauf gibt es eine einfache Antwort. Es galt das Prinzip: Du schweigst über meine Morde und ich schweige über deine. Leider wird auch heute noch darüber geschwiegen. Es fällt eben viel leichter, von Demokratie, Menschenrechte, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und Freiheit zu sprechen, wenn man selbst nicht betroffen ist. 1994 hat Rwanda als letztes afrikanisches Land einen furchtbaren Genozid erlebt.
Der vorletzte Genozid des 20. Jahrhunderts in Afrika wurde von den Franzosen zwischen 1959 und 1964 in West Kamerun durchgeführt. Dabei wurden zwischen 250.000 und 400.000 Mitglieder des „Bamileke-Volkes“ ermordet. Dieses Volk kämpfte für die Unabhängigkeit ihres eigenen Landes. Das aktuelle Buch „Kamerun. heure cachée aux origines de la Francafrique“ zeigt anhand von Archivmaterial wie Franzosen systematisch gegen die Bamileke vorgingen. Ich erinnere mich, dass meine Großmutter genauso wie meine Mutter nicht gern über diesen Teil der Geschichte ihres Volkes reden. Zu schmerzhaft sagen sie. Zum Glück haben beide die Gräueltaten überlebt. Wir sollten die Dinge beim Namen nennen. Das Leben eines Europäers ist viel mehr Wert als das Leben eines Afrikaners. Das ist die bittere Realität. Deswegen höre ich manchmal von FreundInnen: Lieber Simon, ich habe nichts gegen dich, aber ich hätte nicht gern deine Hautfarbe – angesichts der Misshandlungen von Schwarzen in der Vergangenheit und deren Diskriminierung in der Gegenwart.
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