(Vorsicht, der folgende Artikel könnte Anteile enthalten, die von ausgewählten Kreisen als toxisch-sozialistisch empfunden werden.)
In der DDR gab es die Bewegung des Verbesserungsvorschlags, die vom Oktoberklub an weite Teile der Bevölkerung musikalisch herangetragen wurde:
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Ursprung war die Erkenntnis, dass vieles nicht so gut bzw. noch nicht gut genug lief, denn natürlich hätte keiner so direkt behaupten wollen, dass der DDR-Sozialismus fehlerbehaftet ist. Damit aber, dass alles immer noch ein kleines bischen besser geht, konnten alle leben, weil eben darauf die Entwicklung der gesamten Menschheit fußt. Nur visionäre Geister haben uns von den Bäumen in die Fahrstühle gebracht.
Aber natürlich ist der Gedanke ansich kein sozialistisches Phänomen. Im Japan der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts nannte man das Kaizen (Wandel zum Besseren), im Neusprech heißt es KV, was für kontinuierliche Verbesserung steht.
Fakt ist: Schon seit sehr langer Zeit werden Beteiligte, i.d.R. Mitarbeiter, dazu angehalten, die Prozessabläufe positiv zu beeinflussen. Sei es, um Material zu sparen, sei es, um Zeit zu sparen und/ oder den Service zu verbessern.
Dem Endprodukt tut das meist gut und der Kunde ist zufriedener. Der Mitarbeiter, der sich schon oft über dies und das ärgerte, meist auch.
In Zeiten, in denen alles zunehmend digital gelöst wird, haben Verbesserungen oft mit Algorithmen zu tun. Die ja schlussletztlich nichts anderes sind als die Hochauflösung einzelner Arbeitsschritte, die vom Computer "verstanden", sprich: in "ja-/nein-Entscheidungen" umgesetzt werden können.
Ich schreibe das (soviel nur für die Computerfachleute) mit dem einfachen Vokabular, das es für mich selbst und andere Nicht-Fachleute verständlich werden lässt, auch wenn es da ganz bestimmt ganz großartige denglische Begriffe dafür gibt.
Nun hat ja nicht nur die Arbeitswelt, sondern die Welt allgemein steten Bedarf an Verbesserung. Und weil wir zivilisierten Menschen schon ein bissel verwöhnt und deshalb ungeduldig sind, kann es oft nicht schnell genug gehen.
Was liegt da näher, als Probleme, die uns der Alltag stellt, mit Algorithmen zu lösen.
Man stelle sich bloß vor, wie einfach z.B. Fisch und Fleisch zu händeln wäre, wenn bestimmte Dinge von vornherein mit einem algorithmischen "nein" belegt wären.
Worte wie
Gutmenschen,
Migrant,
Idiot,
blöd,
Vergewaltiger,
Nazi,
Faschist,
Rassist
und allerhand mehr könnten gar nicht erst geblogt oder kommentiert werden.
Das würde doch die Sprach- und Umgangsqualität deutlich anheben. Und den Admins einiges an Arbeit sparen. Und vermutlich wäre der Aufwand kaum größer als heute das Blocken oder Sperren von Mitgliedern.
Und es wäre nicht einmal ein Vergehen an der Meinungsfreiheit. Vielmehr eine Aufforderung an jene, die ein dringendes Schreibbedürfnis emfinden, sich gewählter auszudrücken und ihre Aussagen genau zu überlegen.
Andere Plattformen, die andere Auswahlkriterien haben, machen das schon lange. Man denke an Facebook und die dortige Unmöglichkeit, Busenbilder dauerhaft einzustellen. Klar geht ein veto, wenn es sich z.B. um Kunst und damit keine Schweinigelei, sondern Kulturgut handelt. Aber man muss es erklären.
Ich schätze, manch einer, der mal eben etwas "hinrotzt", weil er das prima findet, weiß nicht nur, dass manche Dinge eben gar nicht gehen, sondern hat auch keine Lust auf jedwede Begründung.
Schon möglich, dass User, die nur wegen eben dieses "Unterhaltungswertes" ihren Aufenthalt hier haben, die Lust verlieren. Wenn da keine Skandale mehr sind, macht es vielleicht keinen Spaß. Gut benehmen muss man sich draußen schon und wenn schlechtes Benehmen im Netz nun auch nicht mehr geht, macht es vielleicht keinen Spaß. Aber vielleicht kämen dann andere wieder, denen längst die Lust vergangen ist?